Aktuell

Das Herz des Krankenhauses

In der Apotheke werden die Chemotherapien
für die Day Hospitals hergestellt

Der Arm des Roboters bewegt sich computergesteuert hin und her. Er füllt die Infusionsbeutel mit den verschiedenen Substanzen, die das Protokoll des jeweiligen Patienten für die Chemotherapie vorsieht. Der 2007 in Bozen entwickelte Automat zur sterilen Zusammenstellung von Chemotherapien wird mittlerweile weltweit eingesetzt!
Die Apotheke des Bozner Krankenhauses befindet sich weitab von den Abteilungen im Untergeschoss. Sie ist sozusagen das Herz des Betriebs. Alle Medikamente werden von hier aus zentral verwaltet, werden von hier aus eingekauft und auf die Abteilungen verteilt. Ebenso die Chemotherapien und die Zubereitungen für die künstliche Ernährung. Die Apotheker der Krankenhaus-Apotheke sind außerdem für die Kontrolle und Verwaltung der Pharmaka in Altersheimen und Ambulatorien des Sanitätsbetriebs im Bozner Raum verantwortlich.

Die Abteilung wird von Alicia Tavella als geschäftsführende Direktorin, geleitet. Insgesamt sieben Apotheker und fünf biomedizinische Labortechniker, die von Carlo Möseneder Frajria koordiniert werden, sind hier beschäftigt.

Die Labortechniker arbeiten an sieben Tagen, samstags und sonntags nur am Vormittag, um alle Anfragen bewältigen zu können. Auch die Apotheker müssen am Wochenende und nachts Bereitschaftsdienst garantieren.

Das Herzstück der Abteilung ist die sogenannte Anti-Tumor-Pharmaka Einheit, auf italienisch UFA (Unità Farmaci Antiblastci), mit ihrem sterilen Labor, wo im Roboter, aber auch an zwei Sicherheitswerkbanken (Laminar Flow Cabinet) sterile Chemotherapielösungen hergestellt werden. Dieses sterile Labor ist u. a. eine der Bedingungen für die Zertifizierung der onkologischen Abteilung. In einem zweiten sterilen Labor werden Beutel für die parenterale künstliche Ernährung gefüllt.

Carlo Möseneder Frajria: „Wir geben im Jahr rund 13.000 Chemotherapie-Beutel und 4.000 Beutel für künstliche Ernährung heraus. Am Tag sind es um die 40 Chemotherapien.“ Die Chemotherapien werden nach den Protokollen des Tumorboards zusammengestellt. Der verantwortliche Apotheker ist ein weiteres Kontrollorgan nach dem zuständigen Onkologen, der anhand der Blutproben bestimmt, ob der jeweilige Patient am vorgesehenen Tag die Chemotherapie erhalten kann.

Im sterilen Labor arbeiten die durch spezifische Kleidung, Masken, Brillen und Kopfbedeckungen geschützten Techniker zu zweit an der Sicherheitswerkbank bzw. bedienen den Computer. Die Sicherheitswerkbank hat einen kontinuierlichen Luftfluss, der verhindert, dass Substanzen austreten, aber auch dass Keime ins Innere der Werkbank gelangen. Der Umgang mit den hochgiftigen und zum Teil auch krebserregenden Chemotherapie-Lösungen ist sehr delikat und will gelernt sein. Die Techniker absolvieren ein dreijähriges Studium in biomedizinischer Technik und besuchen anschließend einen Kurs, in dem sie auf die Arbeit im sterilen Labor vorbereitet werden.

„Die Herstellung der Chemotherapie-Lösungen ist vor über zehn Jahren zentralisiert worden“, erklärt Alicia Tavella. „Früher wurden die Infusions-Beutel von den Krankenschwestern der einzelnen Abteilungen (Gynäkologie, Gastro, HNO, Dermatologie, Urologie etc.) im nicht sterilen Raum, womöglich auf der Fensterbank des Schwesternzimmers, zusammengestellt. Mit allen damit verbundenen Risiken für das Personal und auch für den Patienten, da ein absoluter Schutz und eine absolute Sterilität so nicht gewährleistet werden konnte.“

Auch die Behälter der Zellgifte sind heute aus einem besonderen, unzerbrechlichen Glas hergestellt, sollten sie versehentlich auf den Boden fallen, besteht keine Gefahr der Kontaminierung.

Alicia Tavella, geschäftsführende DirektorinAlicia Tavella, geschäftsführende Direktorin

Die Zentralisierung hat den Sicherheitsstandard erheblich erhöht und gleichzeitig ist damit eine Kostenersparnis verbunden, da die Medikamente rationeller verwendet werden können. Gerade die einzelnen Substanzen der Chemotherapien sind sehr kostenaufwändig. Ein kleines Fläschchen kann 2.000 Euro und mehr kosten.

Zum Einsatz kommen sowohl ältere, bewährte als auch neue Anti-Tumor-Präparate. Vor allem die neuen Präparate sind sehr kostspielig. Jede Abteilung hat ein bestimmtes Budget für Medikamente zur Verfügung, das regelmäßig kontrolliert wird.

Die Chemotherapie-Präparate werden von der Apotheke an die drei Day-Hospitals des Bozner Krankenhauses geliefert. Rund 80% gehen an Onkologie und Hämatologie, die restlichen 20% an die Pädiatrie. Am Krankenhaus Bozen verfügt nur eine Abteilung über einen eigenen Apotheker, die Hämatologie. Paola Cappelletto ist in der Krankenhausapotheke für die Hämatologie zuständig.
Zudem bereitet die Krankenhausapotheke Infusions-Lösungen mit antiviralen Präparaten für die Intensivstation, die Urologie und Nephrologie sowie für die Abteilung für Infektionskrankheiten und den Operationssaal der Abteilung für Augenerkrankungen vor.

Onkologische Patienten gelten als chronische Patienten, denen die Pharmaka direkt verabreicht werden müssen, auch wenn sie nicht mehr stationär behandelt werden. Aus diesem Grund gibt es im Bozner Krankenhaus auch eine Apotheke mit Publikumsverkehr. Allerdings nur für chronisch Kranke, die dort die vom behandelnden Krankenhausarzt verschriebenen Medikamente abholen können. Dabei kann es sich um Anti-Virale-Medikamente, entzündungs- oder schmerzhemmende Medikamente, um Mittel gegen Übelkeit oder zur Immundepression, bzw. Palliativpharmaka usw. handeln.

Arbeiten zusammen in der Apotheke des Landeskrankenhauses Bozen, v. l. n. r.: Günther Morandell, Alicia Tavella, Michela Falciani, Daniela March, Marina Comini, Carlo Möseneder – Frajria, und Paola CapellettoArbeiten zusammen in der Apotheke des Landeskrankenhauses Bozen, v. l. n. r.: Günther Morandell, Alicia Tavella, Michela Falciani, Daniela March, Marina Comini, Carlo Möseneder – Frajria, und Paola Capelletto


Aktuell

Grenzerfahrung Krebs


Tagung der Psychologischen Dienste und der SKH:
Krebs - Sturz aus der Normalität?

Die Tagung im Pavillon des Fleurs war gut besucht. (Ex)Patienten, Interessierte und Menschen, die von Arbeits wegen mit diesem Thema zu haben.Die Tagung im Pavillon des Fleurs war gut besucht. (Ex)Patienten, Interessierte und Menschen, die von Arbeits wegen mit diesem Thema zu haben.


„Sie haben Krebs.“ Drei Worte, die das Leben eines jeden Betroffenen, aber nicht nur seines, von einem Moment zum anderen auf den Kopf stellen. Nichts wird danach mehr sein, wie es vorher war. Die Beziehung zu sich selbst, zum Leben, zu den anderen ändert sich. Unglaublich aber wahr: In vielen Fällen zum Besseren.
Drei namhafte Referenten beleuchteten das Thema Grenzerfahrung Krebs im wohlgefüllten Meraner Pavillon des Fleurs von unterschiedlichen Seiten. Der Onko-Psychologe Dr. Norbert Längerer aus Meran, der Onkologe und Philosoph Dr. Manfred Kanatschnig und der Theologe, Philosoph und Paartherapeut Dr. Hans Jellouschek. Eine Tatsache sprach aus allen drei Beiträgen. Krebs ist eine existenzumwälzende Erfahrung, die das gesamte Umfeld des Erkrankten mit einbezieht. Viele Menschen brauchen in dieser Situation professionellen Beistand und dürfen bei den mit der Krankheit verbundenen Entscheidungen nicht allein gelassen werden.

Der Psychologe am Meraner Krankenhaus Norbert Längerer unterschied mehrere Phasen der Erkrankung. Mit der Diagnose, so Längerer „ist ein Sturz aus dem Olymp verbunden. Ich werde mir meiner Endlichkeit bewusst.“ Auf die Diagnose folge die Phase des Warum. Warum ich? Was in meinem Leben hat dazu geführt? Männer und Frauen beantworten sich diese Fragen meist unterschiedlich. Männer, die im Allgemeinen ohnehin Probleme haben, Emotionen zuzulassen, suchen nach medizinischen Begründungen, Frauen nach psychologischen, esotherischen.

Mit Behandlungsbeginn gehe es wieder aufwärts. „Man tut etwas für mich. Der Patient“, so Längerer „muss jetzt nur die anderen machen lassen. Er fühlt sich aufgehoben, hat das Gefühl, das Leben kommt zurück.“ Auf diese Phase folge bei Behandlungsende oft ein weiteres schwarzes Loch. „Ohne medizinischen Kontext, sich selbst überlassen, kann der Betroffene auch zu Depression neigen.“

„In dieser Phase sind sowohl der behandelnde Arzt als auch die ihm nahestehenden Menschen sehr gefordert. Die seelische Verarbeitung der Krankheit hinkt der körperlichen Heilung hinterher!“ In einer psychologischen Behandlung könne geholfen werden, wieder zu Lebenslust zu finden und das neue Ich, das nicht mehr so sein wie vorher, zu akzeptieren. In dieser Phase gehe es darum, was der Betroffene kann, was er braucht, wie er leben will und was er nicht mehr möchte. „Es geht um Ballast abwerfen, darum neue Sicherheit und einen neuen Blickwinkel zu gewinnen.“ Krebsnachsorge, so der Psychologe Norbert Längerer ist in diesem Sinne Krebsvorsorge!


Dr. Norbert Längerer, Dr. Hans Jellouschek, Dr. Manfred KanatschnigDr. Norbert Längerer, Dr. Hans Jellouschek, Dr. Manfred Kanatschnig


Dr. Manfred Kanatschnig, Onkologe und Internist, Philosoph, Leiter des Ethikreferats am Klinikum Klagenfurt und der Kärntner Ärztekammer, befasste sich in seinem Vortrag mit den Grenzen der medizinischen Behandlung. „Der Mensch“, so Kanatschnig“, ist das einzige Lebewesen, das um seinen Tod weiß!“ Früher waren die Ärzte paternalistisch eingestellt. Der Patient wurde behandelt und hatte kein Mitspracherecht. Heute gelte es die Autonomie des Patienten zu respektieren, gemeinsam zu entscheiden, welche Behandlung für ihn die richtige sei. „Hierbei braucht der Arzt Feingefühl, nicht immer entspricht eine spontan geäußerte Entscheidung auch dem Lebenskonzept des Patienten.“ Es gelte auch zu entscheiden, welche Behandlung der Patient benötige, eine kurative oder eine palliative. „Am besten wäre es, zu Beginn jeder Behandlung auch schon palliativ zu arbeiten. Es geht darum palliativ Lebenszeit mit Lebensqualität zu gewinnen..“

Eine schlechte Tumortherapie sei gekennzeichnet durch wenig Kommunikation und das Fehlen palliativer Maßnahmen. Die Therapie soll gemeinschaftlich entschieden werden!“ Der Arzt muss sich Zeit nehmen für das Gespräch und er muss in der Lage sein, abzuwägen, welche Wahrheit dem Patienten zumutbar ist. „Eine zu offene Aufklärung kann grausam sein, ein Mangel an Aufklärung kann den Patienten wertvoller Lebenszeit berauben. Vielleicht muss der Arzt nicht alles sagen, aber was er sagt, muss wahr sein!“ Die moderne Medizin gerate zudem immer mehr ins Spannungsfeld von Rationalisierung und auch Ökonomie. „Der Patient darf auf keinen Fall zum Kunden werden!“

Theologe, Philosoph und Lehrtherapeut für Paarbeziehung, Buchautor, das ist Dr. Hans Jellouschek. Seine Ausführungen über die Auswirkungen einer Krebserkrankung auf die Paarbeziehung erhielten eine besondere Tiefe, da er aus eigener Erfahrung sprach. Seine Frau, ebenfalls Paartherapeutin, ist an einer Krebserkrankung verstorben. „Eine Krankheit ist immer auch eine Krise der Paarbeziehung, gleichzeitig aber auch eine Herausforderung aus der gemeinsamen Krisenbewältigung zu einer neuen Lebensdimension und zu einem stabilen Bündnis zu finden, eingespielte Beziehungsmuster zu überwinden!“

Der Fokus dürfe sich nicht allein auf die Wiederherstellung der Gesundheit richten, sondern vielmehr auf den Erhalt der psychischen, physischen und sozialen Lebensqualität beider. Auf den Schock der Diagnose reagierten erfahrungsgemäß beide Partner unterschiedlich. Männer zögen sich eher zurück, Frauen suchten die emotionale Nähe, das Gespräch. Hier könne ein professioneller Berater vermitteln und helfen, die Partner ins Gespräch zu bringen. Voraussetzung für das, was Jellouschek stabiles Bündnis nennt. Alle mit der Krankheit verbundenen Entscheidungen seien gemeinsam zu treffen und zu tragen. „Wenn eingespielte Muster durcheinander kommen, kann man die Partnerschaft neu definieren, die Liebe neu entdecken!“

Wenn die Krankheit wie z. B. im Fall von Prostatakrebs oder von Hormontherapie bei Frauen die Sexualität eines Paares beeinträchtige, könne auch dies helfen, neue Dimensionen, eine neue Erotik zu entdecken, zu mehr Genuss durch eine anders erlebte Körperlichkeit zu finden. Vier Punkte bezeichnete Jellouschek als fundamental für ein mit Krankheit konfrontiertes Paar: bewusstes Leben im Hier und Jetzt. Lebensträume verwirklichen, auch wenn die Zeit begrenzt scheint. Freundschaften pflegen, um Freiräume zu schaffen und spirituellen Bedürfnissen Raum zu geben.

Die Tagung wurde organisiert vom psychologischen Dienst im Südtiroler Sanitätsbetrieb und der Südtiroler Krebshilfe. Es moderierte die Psychologin Klara Astner. Eröffnet wurde sie mit Grußworten der Landesrätin Martha Stocker, von Ulrich Seitz, Amt für Krankenhäuser, Roland Döcker, Sanitätskoordinator im Gesundheitsbezirk Meran und von der Landespräsidentin der SKH, Ida Schacher.

Zwei Fragen an die Psychologin Dr. Klara Astner

Psychologin Klara AstnerPsychologin Klara Astner

Chance: Was war das Ziel dieser Tagung, die sie mit ihren Kollegen Dr. Patrizia Donolato (Bozen), Dr. Norbert Längerer (Meran), und Dr. Anton Huber (Bruneck) zusammen mit der Krebshilfe vorbereitet haben?

Klara Astner: Es ging uns nicht um eine wissenschaftliche Tagung, sondern um eine erfahrungsgeleitete, emotionale Ebene.

Chance: Das heißt, kein Austausch nur unter Fachleuten, hinter verschlossenen Türen?

Klara Astner: Genau, es ging uns darum, diese mit der Krebserkrankung verbundenen Faktoren aus dem medizinischen Rahmen herauszuholen, sie ganz offen und für ein ganz gemischtes Publikum anzusprechen.

Durch die Veranstaltung führte die Brixner Psychologin Dr. Klara Astner. Landesrätin Martha Stocker, die Vorsitzende der SKH Ida Schacher und Amtsdirektor Ulrich Seitz haben die Tagung eröffnet.