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Palliativ-Pflege in Südtirol

Ergebnisse aus der Pilotstudie - Vorbereitung für landesweite Untersuchung 2014

Dr. Adolf EnglDr. Adolf Engl

In Südtirol sterben ca. 800 Menschen pro Jahr an einem Krebsleiden. Wenn feststeht, dass es keine Aussicht mehr auf Heilung gibt, wird die Behandlung dieser Patienten als palliativ bezeichnet. Dr. Adolf Engl, Präsident der SAKAM hat eine Pilot-Studie initiiert, die die Qualität der häuslichen Versorgung palliativer Patienten in Südtirol untersucht hat und deren Ergebnisse jetzt vorliegen.
Die palliative Pflege ist eine große Herausforderung für alle Beteiligten. Die Pilotstudie, der eine auf zwei Jahre ausgelegte landesweite Studie ab 2014 folgen soll, dient vor allem dazu, herauszufinden, was eventuell verbessert werden kann, was bereits gut funktioniert und welcher Art von Unterstützung die Beteiligten bedürfen.
Die Studie wurde anhand von Fragebögen und mündlichen Interviews durchgeführt. Befragt wurden acht Patienten, vier Frauen und vier Männer, sieben Angehörige, ein Mann und sechs Frauen, acht Pflegerinnen sowie sieben Hausärzte, davon eine Ärztin. Grundlegend sollte aufgezeigt werden, welche positiven sowie negativen Erfahrungen in der Betreuung bisher gemacht wurden und ob bzw. welche Verbesserungsmöglichkeiten daraus resultieren. Die Fragen zielten auf folgende Aspekte ab: Lebensqualität, Zufriedenheit mit der Pflege (Kommunikation, Information, Unterstützung und Vertrauen), Belastungen, Krankheitswahrnehmung bzw. -verarbeitung, Symptomkontrolle und psychische Symptome (Depression). Wir sprachen mit Dr. Adolf Engl über die Ergebnisse.
Chance: Welches Ziel hatte diese Pilotstudie?
Dr. Adolf Engl: Zunächst ging es uns vor allem darum, ein Untersuchungsinventar für die große Studie zusammenzustellen. Es ging uns also darum, zu entscheiden, was erfragen wir und wie.
Chance: Es ging ihnen zunächst also nicht unbedingt um das Ergebnis, sondern vor allem um die Methode?
Dr. Adolf Engl: Richtig. Und dabei haben wir z. B. festgestellt, dass die Fragebögen gut funktionieren, aber dass sie insgesamt zu lang waren. Die Ergebnisse waren zwar positiv, haben aber auch schon aufgezeigt, wo Schwierigkeiten liegen. Die Kombination von schriftlicher und mündlicher Befragung hat sich als richtig erwiesen.
Chance: Das überraschendste Ergebnis dieser Pilotstudie?
Dr. Adolf Engl: Eigentlich nichts. Im Prinzip war uns alles klar, aber es ist eben doch anders, wenn sich solche Vermutungen bestätigen.
Chance: Sie haben diese Pilotstudie nur in einem kleinen geographischen Teil Südtirols durchgeführt. Wie sieht es aus mit dem Stadt - Land – Gefälle? Sterben die Menschen auf dem Land zu Hause und in der Stadt im Hospiz?
Dr. Adolf Engl: Ganz so extrem würde ich das nicht sagen. Aber es gibt sicher Unterschiede. Wenn auch die beiden Hospize mittlerweileHausbetreuung anbieten. Es gibt in Südtirol unterschiedliche Betreuungssysteme, es gibt Unterschiede zwischen Stadt und Land und es gibt auch Unterschiede zwischen italienisch und deutsch. Diese Dinge werden sicher eines der interessanten Ergebnisse der großen Studie sein.
Chance: Wie war die Zufriedenheit der Menschen mit der Hauspflege?
Dr. Adolf Engl: Durchwegs positiv, sowohl die Patienten als auch die Angehörigen waren zu 78 bzw. 76% zufrieden mit der Qualität der Betreuung.
Chance: Wie sieht es aus mit der fachlichen Kompetenz der Beteiligten. Sind alle Gruppen, also Pflegerund Ärzte entsprechend geschult?
Dr. Adolf Engl: Die Pfleger sind grundsätzlich gut für diese Tätigkeit aus- und weitergebildet und durchwegs sehr motiviert. Bei den Ärzten sieht das anders aus. Im Studium ist dieses Thema noch nicht vorgesehen. Allerdings werden viele Lehrgänge und Seminare zum Thema Palliativpflege angeboten. Aber nicht immer sind die Ärzte dazu bereit. Es ist sehr belastend und auch fachlich sehr komplex. Nicht jeder kann das, nicht jeder will das.
Chance: Ein Fragenkomplex befasste sich auch mit der psychischen Belastung durch die Pflege eines Palliativpatienten.
Dr. Adolf Engl: Ja, ein interessantes Ergebnis. Rund 52% der Angehörigen fühlen sich durch die Pflege psychisch belastet, bei Pflegern und Ärzten lag dieser Wert um 38%. Die Angehörigen weisen ein Depressionsrisiko von etwa neun Prozent auf, die Ärzte von sieben und die Pfleger von drei Prozent. Ein Hinweis, dass entsprechende Schulung hilft, besser mit dieser Belastung umzugehen.
Chance: In der Folgestudie wird es eine Einteilung in zwei Gruppen geben?
Dr. Adolf Engl: Genau. Eine Gruppe wird mit der Supervision eines Psychotherapeuten arbeiten, die andere ohne. Wir wollen damituntersuchen, wie effektiv tatsächlich die professionelle Begleitung des Pflege- und ärztlichen Personals ist. Und wir wollen aus diesem Ergebnis ein Modell erarbeiten.
Chance: Mit Schlussfolgerungen aus diesen ersten Ergebnissen muss man natürlich warten, bis die landesweite Studie durchgeführt worden ist. Aber hat sich schon ein Punkt abgezeichnet, wo Handlungsbedarf besteht?
Dr. Adolf Engl: Ja, wobei uns auch das nicht überrascht hat. Die Kommunikation zwischen Krankenhaus und Territorium, zwischen Ärzten, Patienten und Angehörigen ist verbesserbar. Je besser die Kommunikation, desto besser ist die Annahme von Seiten der Betroffenen, desto besser können Patienten und Angehörige mit der Situation umgehen. Eines ist klar: Die Pflege von Palliativ-Patienten ist eine der großen Herausforderungen der nächsten Jahre.
Die Pilot-Studie ist von der Südtiroler Krebshilfe finanziert worden und wurde in Kooperation mit Professor DDr. Salvatore Giacomuzzi, mit Anna Gögele vom Institut für Psychologie der Universität Innsbruck und mit Professor Dr. Klaus Garber der Sigmund Freud Universität Wien – Department für Psychologie, durchgeführt und von Dr. Adolf Engl – Präsident Sakam koordiniert.

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Funktionell und trotzdem schön

Modenschau: Unterwäsche und Bademoden für brustoperierte Frauen

Herbert HeideggerHerbert Heidegger

„Die tiefe innere Verletzung, die eine Brustoperation hinterlässt, ist leichter zu verarbeiten, wenn man sie von außen nicht sieht.“ Das ist die Philosophie des Wäscheherstellers Anita. Am 16. November fand im Sheraton in Bozen die erste Modenschau von Anita Dessous und Bademoden der Linie Care für brustoperierte Frauen in Italien statt. Die Models: Gerti, Elfi und Angela - drei betroffene Frauen.
Sie heißen Lisa, Versailles, Caroll, Aura, Clara oder Stella, die Bhs und Miederhosen oder Slips der Wäsche-Kollektion Care. Bhs, die speziell auf die Bedürfnisse von brustoperierten Frauen abgestimmt sind, ohne deshalb auf Weiblichkeit zu verzichten. Die Kollektion umfasst Erstversorgungs-Bhs mit massierenden lymphentlastungs Bandagen für die Phase unmittelbar nach der Operation, jugendliche Sport-Bhs, klassische glatte Bhs, die unter engen T-Shirts getragen werden können und elegante, verführerische Bhs in schwarz, bordeau, rot oder grau mit Spitzenmustern.
Gemeinsam haben sie das weiche Material, den perfekten Sitz, ein höheres Dekolleté, die perfekte Passform auch ohne störende Nähte oder Bügel und Taschen, die einen perfekten Sitz der Prothese garantieren und je nach Größe mehr oder weniger breite Träger. Von außen sieht man gar nichts. Und dass das auch tatsächlich so ist, dafür stehen die Models, die für Anita auf den Laufsteg gehen. Keine jungen Mädchen mit perfektem Körper, sondern Frauen im Alter von 56, 58 und 65 mit ganz normalen Figuren, die selbst eine Brustoperation hinter sich haben und Modelle von der Stange in verschiedenen Größen mit größeren oder kleineren Cups präsentieren. Selbstbewusst und Spaß macht es ihnen auch.
Organisiert wurde die Modenschau im Sheraton gemeinsam von Anita mit den drei Südtiroler Sanitätshäusern Tachezy, VitaPlus und Orthopedia Max von Zieglauer und mit der Unterstützung des Brustgesundheitszentrums Brixen – Meran und der Südtiroler Krebshilfe. Der Saal des Hotels Sheraton war gefüllt bis auf den letzten Platz, das Publikum bestand zu 98% aus Frauen, Betroffene, Mitglieder der Südtiroler Krebshilfe und die ein oder andere Freundin. Aufgezogen war die Modenschau als mondänes Ereignis mit Begrüßungsaperitif und Pausenbuffet. Eine heitere gelassene Atmosphäre und viel Applaus für die drei Models und die von ihnen vorgeführte Kollektion.
„Wenn meine Patientinnen wieder anfangen, sich zu schminken“, so Primar Dr. Herbert Heidegger, Direktor des Brustgesundheitszentrums Meran in seiner Einführung, „dann weiß ich, das Schlimmste ist vorbei, die Lebensfreude kommt wieder zurück.“ Eines der großen Probleme im Zusammenhang mit der Brustkrebserkrankung, erklärte Heidegger, sei das gestörte Köpergefühl. „Auch wenn heute über 90% der Frauen brusterhaltend operiert werden können, sind die Auswirkungen auf das Selbstwertgefühl der Frau dennoch dramatisch.“ Jedes Jahr erkranken in Südtirol 63 Frauen neu an Brustkrebs, das Alter der Erkrankten sinkt. Tausende von Frauen leben auch in Südtirol mit den Folgen dieser Erkrankung.
Schon im Krankenhaus werden diePatientinnen ermutigt, sich neben der Behandlung auch um ihren Körper zu kümmern, werden über Bewegungstherapie und andere Dinge rund um ihren Körper informiert. Und dazu gehört auch, dass die Breastnurses den Patientinnen zeigen, welche Wäsche es für die Zeit nach der Operation gibt. Dr. Heidegger: „Wäsche, die eben nicht nur funktionell, weich und atmungsaktiv ist und nicht auf die Narben drückt, sondern die auch schön aussieht.“
Die Kollektion wurde von Susanne Ernst präsentiert, Verantwortliche für den Export von Anita Deutschland, für die Übersetzung ins Italienische sorgte Cristina Amann, Leiterin der Filiale in Como. Anita wurde 1886 gegründet, der Hauptsitz ist in Brannenburg in Oberbayern. Es ist nach wie vor ein Familienunternehmen. Begonnen hat die Firma mit der Herstellung von elastischen Hosenträgern und Leibbinden. 1968 brachte Anita den ersten Bh für brustoperierte Frauen auf den Markt. Die Kollektionen werden im Haus entworfen und an betroffenen Frauen getestet bevor sie auf den Markt kommen. Das Unternehmen zählt weltweit 1.500 Mitarbeiter und hat einen Jahresumsatz von 80 Mio. Euro. Die Linie Care macht ca. ein Drittel des Umsatzes aus. Anita stellt außerdem Unterwäsche und Bademoden für schwangere und stillende Frauen, Sport-Bhs, sowie Bhs für Frauen mit großer Oberweite her.
Nach der Pause dann die Vorführung der Bademoden. Bikinis, Einteiler, Strandhemden, Sarongs, einfarbig oder gemustert, kleiner oder größer, mit schlanker Optik. Alle Modelle sind aus Mikrofaser und Lycra, haben ein höheres Dekolleté und verstellbare Träger sowie Prothesentaschen. Und sie sind attraktiv.
Gerti, Elfi und Angela haben extra vorher noch Accessoires eingekauft. Schließlichwar es ihre erste Modenschau in Italien und dafür wollten sie sich ganz besonders schön machen. Abschließender Höhepunkt waren die drei Variationen des Modells „Monika“, Bikini, Badeanzug und langes Kleid in türkis. „Reif für´s Traumschiff.“
Die Modenschau-Models von Anita: Gerti, Elfi und Angela
Attraktiv, gepflegt und jugendlich. Normal. Frauen mittleren Alters, die etwas auf sich halten. Keine Mannequins in Extragrößen und perfektem Traumkörper. Und genau das ist es, was sie so besonders macht.
Gerti ist die Älteste im Bunde und auch schon am längsten auf dem Laufsteg unterwegs. Sie ist 65 Jahre alt und hat kein Problem, das auch zu sagen. Schwarze Haare, eher klein, weiblich mollig. Ihre Brustoperation liegt 30 Jahre zurück. „Ich bin nach der Brustamputation aus dem Krankenhaus raus, habe meine Scheidung eingereicht und einen Job gesucht.“ Bei Anita wurde sie fündig, zunächst als Empfangsdame im Sitz Brannenburg, dann, vor 24 Jahren auch als Model. Den Empfang wird sie jetzt verlassen, wenn sie in den verdienten Ruhestand tritt, das Modeln noch lange nicht."Ich freue mich jedes Mal, wenn ich das Leuchten in Augen der Frauen sehe."
Angela kommt aus Berlin. Sie wurde vor acht Jahren bei einer Veranstaltung von Anita angesprochen, ob sie nicht Lust hätte, Wäsche und Bademoden vorzuführen. Vor 15 Jahren wurde sie brustamputiert, sie hat einen Aufbau aus Silikon. Angela ist 56 Jahre alt, ist groß und hat eine eher kleine Oberweite. Sie arbeitet im Büro ihres Mannes mit, die Modenschauen macht sie nebenher. Im Frühjahr ist sie viel unterwegs. Bei Messen, Modenschauen, Informationsabenden. „Mein Mann hält mir den Rücken frei und ist total begeistert, dass ich als Model arbeite.“
Elfi, die Dritte im Bunde, istdie sportlichste der drei, von eher kleiner Statur, mit großer Oberweite. Die 58jährige hat bereits drei Operationen hinter sich, 1997, 2007 und 2010. „Ich wollte danach unbedingt weitermachen mit den Modenschauen.“ Seit dreizehn Jahren führt die Würzburgerin Anita-Kollektionen vor. „Es ist eine Aufgabe. Ein Geben und Nehmen. Es ist toll, was es für modische Sachen gibt und es ist jedes Mal wieder schön zu sehen, dass die Frauen uns anschauen und sich dabei denken, „Vielleicht sieht das bei mir ja auch so schick aus.“