Die Neuregelung der Tumorchirurgie

Es bleiben noch genug Eingriffe in der Peripherie

Dr. Cristiano Mazzi, geschäftsführender Primar der Gynäkologie in Innichen
„Ich halte die Zentralisierung der Tumorchirurgie nicht unbedingt für eine gute Idee. Für einige Tumore mag das angehen, aber nicht für alle.“ Laut Cristiano Mazzi, geschäftsführender Primar der Gynäkologie am Krankenhaus Innichen, gebe es für die eine oder andere Tumor-Art in ganz Südtirol nicht die erforderliche Anzahl an Fällen im Jahr.
„Durch die Neuordnung besteht die Gefahr, dass Chirurgen während eines Eingriffs mit einer Situation konfrontiert werden, der sie nicht (mehr) gewachsen sind.“ Die Beschränkungen im Rahmen der Neuordnung der Tumorchirurgie und dem Zertifizierungszwang sieht er als Vergeudung von Kapazitäten.„Wenn dann tatsächlich im Laufe einer banalen Operation ein Problem auftritt, ein Tumor entdeckt wird, was soll dann der betreffende Chirurg machen? Einfach zunähen und den Patienten weiterreichen oder die Operation fachgerecht zu Ende führen, wenn er das noch nicht verlernt hat?“ fragt Mazzi.
Cristiano Mazzi sieht sich selbst und seine Tätigkeit als Chirurg nicht in Frage gestellt. „Die Chirurgie ist weitläufig, es bleiben noch genug Eingriffe, die ich auch in Zukunft durchführen kann, es geht hier nicht um persönliche Überlegungen und Betroffenheiten,“ stellt der Primar klar. „Wenn ich einen bestimmten Eingriff nicht mehr vornehmen darf, bleibt mir doch noch das ganze Follow-up.“
Für Mazzi ist auch die Trennung von Operation und Vor- bzw. Nachbehandlung ein Problem. Das sollte alles in engstem Kontakt der beteiligten Fachkräfte erfolgen. In Südtirol können man zudem seiner Meinung nach nicht die gleichen Kriterien anwenden, wie in einer Großstadt. „Es ist wahr, dass wir nur ein Fünftel von Mailand sind, aber die Struktur ist doch ganz anders als in einer Stadt.“
Cristiano Mazzi sieht die Beschränkungen im Rahmen der Neuordnung als Vergeudung von Kapazitäten, die effektiv vor Ort vorhanden sind. „In der täglichen Praxis war es ohnehin schon so, dass bestimmte Eingriffe von vorneherein weitergeleitet wurden, wie z. B. die Brustoperationen an das Brustgesundheitszentrum Brixen oder auch besonders komplizierte Eingriffe, die einen bestimmten Apparat voraussetzen.“
Er hätte eine Reform vorgezogen, die die gesamten auf dem Territorium vorhandenen Kräfte in ein Netzwerk einbaut und dementsprechend nutzt. „Anstelle des Patienten würden sich dann die Ärzte bewegen. Für jede Operation könnte man eine Equipe zusammenstellen,mit den Ärzten, egal in welchem Krankenhaus sie stationiert sind, die diesen Eingriff am besten beherrschen.“

Die Neuregelung der Tumorchirurgie

Zertifizierung ist Erfolgsgeschichte

Primar Dr. Herbert Heidegger, Leiter des Brustgesundheitszentrums Meran
„Multidisziplinarietät – das ist der neue Weg mit Tumorerkrankungen umzugehen“, davon ist Primar Dr. Herbert Heidegger überzeugt. Dieses Konzept biete große Vorteile. „Für die Frau, für das Team und für das Krankenhaus. Daran führt kein Weg vorbei!“
Brustgesundheitszentren, so Hei-degger seien eine internationale und auch eine Südtiroler Erfolgsgeschichte. In Deutschland werde dieses Konzept nun auch auf andere Tumorarten, wie Prostata und gynäkologische Krebserkrankungen ausgeweitet.
„Eine Zertifizierung im Sinne von Qualitätsmanagement und fachgebundener Qualitätskontrolle ist auch international gut angesehen; Deutschland ist da absoluter Vorreiter,“ unterstreicht Heidegger. Schon seit 2008 habe die EU die einzelnen Mitgliedsländer aufgefordert, nationale Krebspläne zu entwickeln, um den wachsenden Herausforderungen des Krebsproblems gerecht zu werden.
Für alle häufigen Tumorarten, so Herbert Heidegger, gebe es evidenzbasierte Leitlinien der höchsten methodischen Entwicklungsstufe, die von den onkologischen Behandlungszentren umgesetzt werden. Die Erhebungsbögen für die Neuordnung der Tumorchirurgie in Südtirol seien nach dem Modell der Erhebungsbögen der Deutschen Krebsgesellschaft erstellt worden. „Es geht allein um dasInteresse der Patienten, darum, Ihnen die bestmögliche, nach modernsten Kriterien ausgerichtete Behandlung anbieten zu können.“