Die Neuregelung der Tumorchirurgie

Interdisziplinarität ist gefragt

Dr. Fausto Chilovi, Primar der Gastroenterologie am Krankenhaus Bozen
„Es war vielleicht ein Fehler, nur von Tumorchirurgie zu sprechen“, fragt sich Dr. Fausto Chilovi, Primar der Gastroenterologie am Bozner Krankenhaus. Jeder Patient sollte grundsätzlich immer von einer Equipe untersucht werden, die Diagnose nicht nur vom Urteil eines Arztes abhängen."Die Zukunft heißt Interdisziplinarität.“
Das Krankenhaus direkt vor der Haustür sei sicher von großer Bequemlichkeit, aber die Patienten in Südtirol seien sich oft nicht bewusst, dass es Apparaturen und Infrastrukturen gebe, die man eben nicht siebenfach in einem so kleinen Gebiet, wie Südtirol es ist, zur Verfügung stellen kann.
„Südtirol ist glaube ich der einzige Ort auf der Welt, wo man die Peripherie dem Zentrum vorzieht,“ erklärt Chilovi. In Südtirol seien die kleinen Peripheriekrankenhäuser bevorzugt, wenn es um Investitionen und Personal ginge. „In Bozen platzen wir aus allen Nähten. Aber Bozen hat alle Charakteristiken, um ein Zentralkrankenhaus zu sein.“
Er könne natürlich den Kollegen aus Innichen verstehen, aber es sei mittlerweile überall so, dass gewisse Zahlen erreicht werden müssen. „Das Problem ist nicht, ob ich in Bruneck eine Pankreas Operation durchführe oder nicht. Das Problem ist, dass der Chirurg in ein Netzwerk eingebunden sein muss, dass er über entsprechende Apparaturen und Strukturen verfügen muss, dass es bestimmte andere Dienste gibt, die im Ernstfall eingreifen können.“ Zahlen seien nicht alles und allein nicht aussagekräftig.Aber Zahlen seien ein Indiz, an dem Qualität und Routine ausgemacht werden könnten.

Die Neuregelung der Tumorchirurgie

Warum nicht ein mobiles Onko-Board?

Dr. Christian Gozzi, Primar Urologie Brixen
Brixen ist das drittgrößte Krankenhaus in Südtirol. Ein Schwerpunktkrankenhaus, dessen Chirurgie in besonderem Maß von der Neuordnung der Tumorchirurgie betroffen ist; bei verschiedenen Eingriffen werden die Schwellenwerte nur knapp unterschritten. Ein Gespräch mit Dr. Christian Gozzi, Primar der Urologie.
Dr. Christian Gozzi würde am liebsten gar nichts sagen. „Ich bin von dieser Neuordnung betroffen. ich habe versucht, mich dagegen zu wehren, und nicht nur dagegen, sondern auch gegen andere Dinge. Ich habe aufgegeben und meine Konsequenzen gezogen.“ Am 28. Februar hat Dr. Gozzi seine Kündigung eingereicht.
Die Begründung? „Ich habe – und das nicht erst seit gestern - zu wenig Personal. Wir werden nicht entsprechend ausgestattet. Ohne entsprechende Ressourcen sind viele Dinge nicht mehr machbar oder müssen in der halben Zeit gemacht werden, der Dienstplan ist hoffnungslos überfüllt, das Personal frustriert, die Wartezeiten werden länger und länger.“ Onkologische Operationen seien zudem oft nicht vorplanbar, sondern ergäben sich nicht selten zufällig während eines Routineeingriffs.
Christian Gozzi hat in drei Jahren seine Abteilung aufgebaut. „Eine tolle Abteilung mit tollen Mitarbeitern. Jetzt muss ich zusehen, wie sie immer mehr die Köpfe hängen lassen.“ Gozzi war vor Brixen in sieben großen Kliniken tätig, immer in führender Position. „Ich bin 53 Jahre alt, ich kann es mir aussuchen. Meine Vorschläge wollte man nicht anhören; ich habe die Konsequenzen gezogen.“Gozzi stellt klar, dass er nicht gegen eine Zertifizierung an sich ist. Aber seiner Ansicht nach kann man nicht davon ausgehen, dass die besten Chirurgen nur in Bozen sitzen. „Abgesehen davon, dass ich kaum glaube, dass Bozen alles alleine machen kann, schon jetzt fehlen auch dort Personal und Infrastrukturen.“
Laut Gozzi werden von der Politik Entscheidungen aufoktroyiert, ohne entsprechende Rücksprache mit den Fachkräften. Seiner Vorstellung nach wäre die Lösung nicht das Verbot von Operationen gewesen, sondern die Bildung eines mobilen Onko-Boards, das in ganz Südtirol tätig ist.
Er selbst habe seinen Vater von Primar Pfitscher in Sterzing am Darm operieren lassen. „Ich habe der Operation beigewohnt, eine erstklassige Arbeit. Einen solchen Chirurgen von hochqualifizierten Eingriffen auszuschließen, halte ich persönlich für einen unverzeihlichen Fehler.“ In der Chirurgie, so Gozzi, zähle nicht nur das Volumen der durchgeführten Operationen, sondern auch die die individuelle Kapazität, das Schneiden, Knüpfen, das Auge …“