Die Neuregelung der Tumorchirurgie

Ein europaweiter Trend

Stefan Hofer, Präsident des Südtiroler Dachverbands für Gesundheit und Soziales
„Seit fünf Jahren wissen wir, dass ab 2015 auf EU-Ebene internationale Krankenhaus-Mobilität herrscht“, stellt Stefan Hofer, Präsident des Dachverbands für Gesundheit und Soziales fest.
„Wenn wir jetzt im Rahmen der klinischen Reform Exzellenz-Zentren für Tumorchirurgien bilden, so ist das keine Südtiroler Erfindung, sondern entspricht einem europaweiten und internationalen Trend.“
Im Dachverband für Gesundheit und Soziales sind die 50 gemeinnützigen Organisationen Südtirols des Sozial- undGesundheitswesens organisiert. Er sieht sich als Lobby für soziale Anliegen. Auch die Südtiroler Krebshilfe gehört dem Verband an.
Der Dachverband hat sich eindeutig hinter die Entscheidung für die Neuordnung der Tumorchirurgie in Südtirol gestellt. „Diese Entscheidung“, so Stefan Hofer, der auch Mitglied der 26köpfigen Kommission war, die die klinische Neuordnung vorantreibt, „ist mit großer Mehrheit getroffen worden.“ Zwanzig Jastimmen, zwei Enthaltungen und vier Gegenstimmen. Eine Kommission, die mehrheitlich aus Ärzten zusammengesetzt war.
Er sei erstaunt gewesen, so Hofer, dass im Nachhinein so viele negative Stimmen aufgekommen seien. „Bei dieser Entscheidung ging es vornehmlich um das Interesse, um das Wohl der Patienten und erst in einem zweiten Schritt auch um notwendige Einsparungen. Ich finde es tragisch, dass auf dem Rücken der Patienten lokalpolitische und Lobby-Interessen ausgetragen werden.“ Südtirolhabe eine halbe Million Einwohner, im Schnitt sei jeder 11,2 Km vom nächsten Krankenhaus entfernt. „Knapp 62 %
der Bevölkerung“, erklärt Stefan Hofer weiter, „sind sogar nur zehn Km entfernt.“ Er sei sich hundert Prozent sicher, dass die Reform der Tumorchirurgie kein versteckter Versuch sei, den kleinen Peripherie-Krankenhäusern den Garaus zu machen.
„Wir werden die Krankenhäuser behalten, aber sicher nicht in dieser Form, das ist nicht mehr finanzierbar.“ Die Menschen müssten umdenken lernen. „Zum Einkaufen fahren sie 100 und mehr Km, aber ins Krankenhaus sind schon30 Km zu viel.“
Die Operation selbst sei laut Hofer, ja auch nur ein kleiner Teil der Tumorbehandlung. „Das Follow-up, der postoperative Bereich nimmt wesentlich mehr ein und dieser ist ja nach wie vor in den wohnortnahen Krankenhäusern angesiedelt.“
Wir müssen bei den Protesten auch berücksichtigen, dass die Primare einen Schlüssel haben, der an Betten gebunden ist, gibt der Präsident des Dachverbands für Gesundheit und Soziales zu bedenken. „Und es kann doch niemand sagen, dass es keinen Unterschied macht, ob ein Chi-rurg in Innichen drei Mammakarzinome in einem Jahr, in Bruneck 41 und in Brixen 53 operiert.“

Die Neuregelung der Tumorchirurgie

Interdisziplinarität ist gefragt

Dr. Fausto Chilovi, Primar der Gastroenterologie am Krankenhaus Bozen
„Es war vielleicht ein Fehler, nur von Tumorchirurgie zu sprechen“, fragt sich Dr. Fausto Chilovi, Primar der Gastroenterologie am Bozner Krankenhaus. Jeder Patient sollte grundsätzlich immer von einer Equipe untersucht werden, die Diagnose nicht nur vom Urteil eines Arztes abhängen."Die Zukunft heißt Interdisziplinarität.“
Das Krankenhaus direkt vor der Haustür sei sicher von großer Bequemlichkeit, aber die Patienten in Südtirol seien sich oft nicht bewusst, dass es Apparaturen und Infrastrukturen gebe, die man eben nicht siebenfach in einem so kleinen Gebiet, wie Südtirol es ist, zur Verfügung stellen kann.
„Südtirol ist glaube ich der einzige Ort auf der Welt, wo man die Peripherie dem Zentrum vorzieht,“ erklärt Chilovi. In Südtirol seien die kleinen Peripheriekrankenhäuser bevorzugt, wenn es um Investitionen und Personal ginge. „In Bozen platzen wir aus allen Nähten. Aber Bozen hat alle Charakteristiken, um ein Zentralkrankenhaus zu sein.“
Er könne natürlich den Kollegen aus Innichen verstehen, aber es sei mittlerweile überall so, dass gewisse Zahlen erreicht werden müssen. „Das Problem ist nicht, ob ich in Bruneck eine Pankreas Operation durchführe oder nicht. Das Problem ist, dass der Chirurg in ein Netzwerk eingebunden sein muss, dass er über entsprechende Apparaturen und Strukturen verfügen muss, dass es bestimmte andere Dienste gibt, die im Ernstfall eingreifen können.“ Zahlen seien nicht alles und allein nicht aussagekräftig.Aber Zahlen seien ein Indiz, an dem Qualität und Routine ausgemacht werden könnten.