Die Neuregelung der Tumorchirurgie

Fallzahlen sind ein zweischneidiges Schwert

Interview mit Prof. Gerhard Wolf, Obmann der Fachgruppe Chirurgie
Österreich ist der direkte Nachbar von Südtirol. Viele Gebiete Österreichs weisen eine ähnlich ländlich geprägte Struktur auf wie Südtirol.
Wie wird die Tumorchirurgie dort gehandhabt, fragten wir Professor Dr. Gerhard Wolf, Experte für Endokrine Chirurgie an der Universitätsklinik für Chirurgie in Graz und Obmann der Fachgruppe Chirurgie der Österreichischen Ärztekammer.
Die Zertifizierung und eine Qualitätskontrolle der chirurgischen Abteilungen stehen aktuell auch in Österreich zur Diskussion. Im Augenblick wird laut Professor Wolf nach internen Regeln vorgegangen. „Es gibt Abmachungen, denen zufolge bestimmte Krankenhäuser oder Abteilungen gewisse Operationen nicht durchführen, sondern diese abgeben an größere Zentren bzw. an Krankenhäuser, wo diese Eingriffe zur Routine gehören.“ In der Diskussionum Zertifizierungsbestimmungen gehe es auch in Österreich um die Festlegung von Zahlen. „Die Festlegung von Qualität an Fallzahlen ist allerdings ein zweischneidiges Schwert“, so Professor Wolf. „Es könnte im Extremfall dazu führen, dass bestimmte Operationen durchgeführt werden, obwohl sie nicht unbedingt notwendig wären, nur um auf die Fallzahlen zu kommen.“
Aus diesem Grund, unterstreicht Professor Gerhard Wolf, müsse jede Zertifizierungsbestimmung mit einer umfassenden Qualitätskontrolle verbunden werden, die Fallzahlen, Infrastrukturen, Teamarbeit, Ergebnissen, Management und viele anderen Aspekten Rechnung trage.
Schon jetzt, so der Obmann der Fachgruppe Chirurgie, gebe es in Österreich wie auch in Deutschland eine natürliche Tendenz zur Bildung von hochspezialisierten Schaltstellen. „Diese Exzellenz-Zentren sind mit der Peripherie verbunden; Patientenflüsse hin zu diesen Kliniken sind schon jetzt Realität.“

Die Neuregelung der Tumorchirurgie

Mut, die Veränderungen mitzutragen

Dr. Andreas von Lutterotti, Vorsitzender der Südtiroler Ärztekammer
Die mit großer Mehrheit beschlossene Neuordnung der Tumorchirurgie sieht er als mutigen und entscheidenden Schritt im Rahmen der klinischen Reform.
D r. Andreas von Lutterotti ist der Vorsitzende der Südtiroler Ärztekammer, die sich hinter die Reform gestellt hat. Laut von Lutterotti ein fundiertes Projekt, das auf evidenz-basierten Daten beruhe, mit dem Ziel, den Tumorpatienten eine Behandlung nach europäischen Standards zu garantieren.
„Die europäischen Standards schreiben die Bildung von Exzellenzentren vor. Das ist heute die Realität.“ Schon vor Jahren habe die Interessenvertretung der Südtiroler Ärzte mehr Mut zur Veränderung gefordert, um auch in Zukunft den Patienten die bestmögliche Behandlung garantieren zu können.
„Sterzing und Innichen sind selige Inseln, sieleisten gute Arbeit, verfügen über eine ideale Situation, aber wir müssen endlich anfangen, die Gesundheitsversorgung aus einem größeren als dem lokalpolitischen Blickwinkel zu betrachten“, so von Lutterotti.
Die Tumorzertifizierung und die Zentralisierung der Chirurgie sei nicht nur wegenKosteneinsparung beschlossen worden, sondern vor allem, um den Patienten auch in Südtirol einen europäischen Behandlungsstandard garantieren zu können und um nicht den Anschluss an Europa zu verlieren. „Die kleinen Krankenhäuser erfahren im Zuge der klinischen Reform sicher Veränderungen, erklärt Andreas von Lutterotti, das ändere aber nichts an der Tatsache, dass dort hochkompetente Leute tätig seien, die eine ausgezeichnete Grundversorgung garantierten.
„Wir stehen hinter jedem Arzt und machen ihm Mut, die Veränderungen mitzutragen!“