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RICHTIGSTELLUNG

Im Rahmen der Berichterstattung über die Brunecker Krebsgespräche hat sich leider ein Missverständnis bei der Wiedergabe der Patientengespräche ergeben. Barbara Stocker wollte darauf hinweisen, dass es vor allem aufgrund einer fehlenden Vernetzung zu Kommunikationsproblemen zwischen Onkologie und Komplementärmedizin gekommen sei, nicht aber, dass die beiden Abteilungen nicht zusammenarbeiten. „Meine Erfahrung war in dieser Hinsicht außerordentlich positiv“, so Barbara Stocker. „Meine Kritik bezog sich auf die Tatsache, dass es aufgrund des Fehlens eines einheitlichen EDF-Systems, mitunter kompliziert war, weil ich mir jedes Mal Fotokopien meiner Krankenakte mit den jüngsten Werten bzw. Untersuchungsergebnissen ausdrucken lassen musste, um sie mit nach Meran zu nehmen, da die Krankenhäuser in Südtirol und sogar auch Abteilungen in den gleichen Krankenhäusern nicht miteinander vernetzt sind.“ Wir bedauern diesen Fehler.
Nicole Dominique Steiner

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Jeden letzten Freitag im Monat

Endlich ein spezifischer Dienst für Menschen, die mit der genetischen Mutation BRCA leben
Im Gespräch mit dem Team der BRCA Ambulanz: Der Onkologe Alberto Caldart und die Psychologin Martina Pircher – FOTO: Othmar Seehauser
Die BRCA-Ambulanz. Zwei Personen kümmern sich am Vormittag des jeweils letzten Freitags im Monat um Menschen mit der genetischen Mutation BRCA. Er italienischer Muttersprache, sie deutscher Muttersprache. Der Onkologe Dr. Alberto Caldart und die Psychologin Martina Pircher. Ein perfektes Team, um zuzuhören, zu informieren, zu beruhigen und sich um das Präventionsprogramm für Menschen zu kümmern, die aufgrund eines vererbbaren Gendefekts ein erhöhtes Risiko haben, an Brust-, Eierstock-, Prostata- oder Bauchspeicheldrüsenkrebs zu erkranken.
Die BRCA-Ambulanz ist der onkologischen Abteilung angegliedert, und mit ihrer Eröffnung im vergangenen September wurde eine Forderung erfüllt, die BRCA-MutationsträgerInnen, darunter auch VertreterInnen der Vereinigung aBRCAdabra, schon seit mehreren Jahren an den Südtiroler Gesundheitsbetrieb gerichtet haben.
TrägerInnen dieser Mutation haben im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung ein viel höheres Risiko, an Brustkrebs (auch Männer, wenn auch in viel geringerer Zahl), Eierstock-, Prostata- oder Bauchspeicheldrüsenkrebs zu erkranken, und benötigen ein strengeres Überwachungsprogramm als es die „normale“ Vorsorge vorsieht. Bis vor kurzem war es Aufgabe der Betroffenen, sich die, in den internationalen Leitlinien geforderten Untersuchungen und Tests, zu organisieren. Regelmäßige Ultraschalluntersuchungen, Mammographie, Magnetresonanztomographie und gynäkologische/urologische Untersuchungen sowie, bei familiärer Vorbelastung mit Bauchspeicheldrüsenkrebs, eine MRT des Oberbauchs, eventuell gefolgt von einer Endoskopie, ebenfalls auf jährlicher Basis. Keine leichte Aufgabe angesichts der langen Wartelisten, und vor der Einführung der D99-Befreiung auch mit nicht unerheblichen Kosten verbunden. Seit September kümmert sich das Ambulatorium um die Vormerkungen, für viele Untersuchungen gibt es eigene -Vorrang-Wartelisten.
Um die Ambulanz eröffnen zu können, ermöglichte der Primar der onkologischen Abteilung des Bozner Krankenhauses, Dr. Luca Tondulli, seinem jungen Kollegen, Dr. Alberto Caldart, eine spezielle Ausbildung am IOV, Istituto Oncologico Veneto zu absolvieren. In Zusammenarbeit mit diesem hat der junge Onkologe auch seine Examensarbeit für seine Facharztprüfung zum Thema der genetischen Mutationen, insbesondere BRCA 1 und 2, erarbeitet.
Seit der Eröffnung der Ambulanz im September haben sich bereits rund 30 Personen mit einer BRCA-Mutation vorgestellt. Im Moment, so Dr. Caldart, handelt es sich vor allem um Personen, die erst kürzlich die Ergebnisse des Gentests erhalten haben. „Wir hoffen, dass wir im Laufe der Zeit auch alle anderen Personen ansprechen können, die bereits seit längerem mit dem genetischen Befund der Mutation leben.“ Ende 2022 waren in der Provinz etwa 170 Betroffene registriert. Die Betroffenen stellen sich meistens nicht alleine vor, sondern kommen in Begleitung eines Elternteils, der Schwester, des Bruders, und es ist nicht ungewöhnlich, dass Dr. Caldart und seine Kollegin, die Psychologin Pircher, die ganze Familie betreuen. „Manche PatientInnen erfahren ja erst von ihrer Mutation, wenn sie bereits erkrankt sind. Es wäre wünschenswert, ja wir hoffen, dass Menschen, die die Mutation tragen, zu uns kommen, bevor sie eine Diagnose erhalten“, betont der Onkologe.
Ein Gentest wird immer dann vorgeschlagen, wenn ein Krebspatient in relativ jungem Alter erkrankt und in der Familie bereits bestimmte Krebsformen aufgetreten sind. Die Entscheidung, sich dem Test zu unterziehen, liegt bei dem einzelnen Patienten bzw. bei einem positiven Ergebnis bei den Familienangehörigen der Betroffenen. Die Betroffenen müssen das Wissen um eine Mutation erst einmal verarbeiten, müssen diese Information in ihre „Geschichte“ integrieren. Es ist sehr wichtig, sie schon in dieser Phase zu unterstützen“, betont Martina Pircher. Die Psychologin hat langjährige Erfahrung als Mitarbeiterin des Dienstes für Genetik als Beraterin für BRCA-Mutationen bei Brustkrebs. „Der Diskurs der Primärprävention interessiert mich sehr, ebenso wie die Möglichkeit, Menschen in dieser Situation zu unterstützen, mich mit ihnen auseinanderzusetzen.“
„Das vererbte genetische Syndrom im Zusammenhang mit der BRCA-Mutation ist eines der bekanntesten“, erklärt Dr. Caldart. „Gentests werden immer wichtiger, weil die Forschung in diesem Bereich auch zu Entwicklungen in der Therapie geführt hat, mit neuen Medikamenten, die immer gezielter und individueller sind.“ Nicht nur in der Onkologie, sondern auch in der Radiologie, bzw. in chirurgischen Abteilungen sei die Präsenz eines Facharztes mit genetischem Hintergrund heutzutage eigentlich unerlässlich. „Ebenso wie die Aufklärung und Sensibilisierung der Bevölkerung. Um das Krebsrisiko zu senken, braucht es neben der aktiven Vorbeugung auch die Kenntnis der eigenen Familiengeschichte.“
Zu den Aufgaben der BRCA-Ambulanz gehören die Betreuung und Information der Mutationsträger, die praktische Hilfe bei der Organisation von Vorsorgeuntersuchungen, aber auch und vor allem, die Festlegung eines individuellen Protokolls in Abhängigkeit von der Art der in der Familie aufgetretenen Krebserkrankungen, dem Alter, in dem die Mutation diagnostiziert wurde, dem Geschlecht des Mutationsträgers…
Um den individuellen Präventionspfad festzulegen, müssen sowohl Arzt als auch Psychologin mit großer Sensibilität und Einfühlungsvermögen vorgehen. Das Risiko an Krebs zu erkranken ist individuell und hängt ab von der Art der Mutation, BRCA 1 oder BRCA 2 und auch von der Familiengeschichte. Jede Person reagiert zudem anders auf die genetische Diagnose. "Wir müssen einschätzen können, ob es sich um eine eher ängstliche Person handelt oder nicht, wie sie die Zeit zwischen den Kontroll-Untersuchungen lebt - unbelastet oder aber von dauernder Angst bestimmt", erklärt Psychologin Martina Pircher. „Anhand der Leitlinien“, so Dr. Alberto Caldart, „können wir die Untersuchungen auf einen Termin im Jahr zusammenlegen oder aber auch aufteilen, so dass man alle sechs Monate eine Untersuchung hat, um den Stress aufzuteilen und abzumildern.“ es liegt an der Sensibiltät und am Einfühlungsvermögen des behandelnden Arztes dies festzustellen. „Eines der Ziele unserer Arbeit“, erklärt Martina Pircher, „ist es sicherlich auch, den Menschen, die herausfinden, dass sie Träger der Mutation sind, zu vermitteln, dass sie nicht alleine sind, dass sie sich einerseits selbst bestimmen können, sich aber andererseits in ihren Entscheidungen auch auf uns berufen können, mit uns die Situation erörtern können. Dass sie nicht alleine sind!“
Neben dem engmaschigen Kontrollnetz, besteht auch die Möglichkeit, präventiv einzugreifen. Bei Brustkrebs bedeutet das die prophylaktische Entfernung der beiden Brustdrüsen, also eine beidseitige Mastektomie mit anschließender Sofortrekonstruktion, bei Eierstockkrebs die prophylaktische Entfernung der Eileiter und Eierstöcke. Es handelt sich um sehr invasive Eingriffe, mit Auswirkungen auch auf die Körper-Funktionen. Die Patientinnen werden mit der Entscheidung, Kontrolle oder Operation nicht allein gelassen, der Arzt vermittelt aber auch, dass nicht er es ist, der entscheidet, wohl aber im Entscheidungsprozess zur Seite steht. Es hängt nicht zuletzt von der individuellen psychischen Verfassung ab, wie eine Person die Last des Wissens um die Mutation ertragen kann. Die Beratung über den richtigen Weg ist nicht einfach. Die Früherkennungsuntersuchungen für Brustkrebs sind sehr effizient, bei frühzeitiger Diagnose ist Brustkrebs heilbar. Anders ist es beim Eierstockkrebs. Er ist schwieriger zu diagnostizieren und biologisch aggressiver als Brustkrebs. „Aus rein onkologischer Sicht schlagen wir in der Tat vor, dass Frauen bei erfülltem Kinderwunsch und in bestimmten Altersgruppen ihre Eileiter und Eierstöcke entfernen lassen“, betont Dr. Alberto Caldart.
Die Bilanz der im September eröffneten Ambulanz ist positiv, sowohl von Seiten der PatientInnen, die diesen Dienst bisher in Anspruch genommen haben, als auch von Seiten der beiden Experten, die sehr zufrieden und von dem Teamansatz überzeugt sind. Es bleibt abzuwarten, ob einmal im Monat ausreicht oder ob das Angebot ausgeweitet werden muss, wenn alle Personen, die mit einer Genmutation registriert sind, aufgenommen sein werden. Es sei auch denkbar, so Dr. Caldart, dass das Programm in Zukunft auch auf andere genetische Vorbelastungen ausgeweitet wird, da BRCA nicht die einzige, sondern nur die bekannteste und bisher häufigste krebsverursachende Mutation ist.
Sprechstunden in der BRCA-Ambulanz können im Sekretariat der Onkologie in Bozen telefonisch oder per E-Mail angemeldet werden: Tel.: +39 0471 438 953, E-Mail: oncologia.bz@sabes.it
Voraussetzung ist die Vorlage der Ausnahmegenehmigung D99 und einer Überweisung, ausgestellt vom Dienst für medizinische Genetik.