Aktuell

Sag zum Abschied leise Servus

Primar Dr. Herbert Heidegger geht zum 1. Juli 2024 in Pension


Der Primar der Gynäkologie am Krankenhaus Meran, Dr. Herbert Heidegger schaut auf ein langes und erfolgreiches Berufsleben zurück. Gekennzeichnet von Frauen. „Ich habe mich immer glücklich geschätzt, es mit Patientinnen zu tun zu haben und sie in der Frauenheilkunde in allen Lebensphasen begleiten zu können.“ Dr. Heidegger verfügt im Kontakt mit seinen Patientinnen über die richtige Mischung aus väterlich, aber nicht zu sehr. Interessiert, aber auch distanziert. Er vermittelt Vertrauen und Kompetenz und seine Patientinnen fühlen sich von ihm ernst genommen. Am 30. Juni wird er seine Abteilung das letzte Mal als Primar betreten. Kein einfacher Abschied.
Eigentlich wollten Sie ja in Deutschland bleiben?
Dr. Herbert Heidegger: Ich war 17 Jahre in Bamberg, dann drei Jahre Chefarzt in Erlangen. Nein, ich hatte wirklich nicht vor, nach Südtirol zurückzugehen.
Aber das Angebot, die Gynäkologie im neuen Krankenhaus Meran zu übernehmen, war dann doch zu verlockend?
Dr. Herbert Heidegger: Es war auf jeden Fall die schwierigste Entscheidung meines Lebens. Ich mutete schließlich auch meiner Frau, meinen zwei, damals noch kleinen, Töchtern eine Umstellung in eine für sie völlig andere Welt zu. Die Große war schon in der 1. Klasse Gymnasium (in Deutschland im Alter von 10 Jahren), meine Frau ebenfalls Ärztin. Und am Anfang war ich dann doch noch im alten Krankenhaus. Aber dann der Neubau: das war schon ein tolles Haus! Mit guten und ausreichend Mitarbeitern, tollen Möglichkeiten…
Eine gute Basis für den Aufbau?
Dr. Herbert Heidegger: Das ist richtig. Eine mittelgroße, gut strukturierte Abteilung. Wir sind von anfangs 700 Geburten im Jahr auf 1.400 gekommen, zum Millennium haben wir die tausend geknackt. Rund 30% der Patientinnen kommen von außerhalb des Bezirks zu uns.
Es war nicht zuletzt auch eine Zeit, die viele Möglichkeiten eröffnete?
Dr. Herbert Heidegger: Eine spannende Zeit! Noch bis 2000 war die Versorgung der Brustkrebspatientinnen eher schlecht, die Mortalität lag bei 25%. Dann kam eine europäische Verordnung und damit die Möglichkeit, zertifizierte Zentren zu errichten. Wir haben uns 2005 auf den Weg gemacht.
Im Tandem…
Dr. Herbert Heidegger: Ja, der Primar der Gynäkologie Brixen, Dr. Scherer und ich, wir haben viele Abende zusammen verbracht, das war eine enorme Arbeit. Die interdisziplinäre und krankenhausübergreifende Zusammenarbeit war damals gern gesehen. Das war auch etwas ganz Neues. Gemeinsam haben wir es gegen den anfänglichen Widerstand der Radiologen durchgesetzt, regelmäßige Mammographien anzubieten, dazu Stanzbiopsien. Wir haben es auch geschafft, die beiden Brustkrebszentren etwas abseits vom Tumult des täglichen Krankenhauslebens einzurichten, haben die damals besten Geräte bekommen. Und die Ergebnisse zeigen, dass wir auf dem richtigen Weg waren. Unsere Fünfjahres-Überlebensrate liegt über 90%!
Die Zertifizierung ist jedes Mal ein Stress, Zahlen und Tabellen müssen zusammengestellt werden, aber gleichzeitig auch ein Ansporn?
Dr. Herbert Heidegger: Wir haben jedes Jahr ein kleines Audit, alle drei Jahre das große. Für uns immer ein Anlass, um die Prozesse zu durchdenken, eine Bestandsaufnahme zu machen, genau hinzuschauen. Das motiviert. Wir waren eine der ersten Abteilungen in Südtirol mit Zertifizierung.
Heute gibt es überall Brustgesundheitszentren. Ein absolutes Erfolgsmodell?
Dr. Herbert Heidegger: Auf jeden Fall. Und auch die Möglichkeit, sich untereinander zu vergleichen. Wo stehen wir? Netzwerke aufzubauen. Im direkten Kontakt mit großen und kleinen, mit universitären Zentren. Sich im Tumorboard austauschen, auch voneinander lernen. Heute haben auch kleinere Krankenhäuser gute Standards.
Und die Frauengesundheit ist für sie das Nonplusultra in der Heilkunde?
Dr. Herbert Heidegger: Die Gynäkologie hat so viele Teilbereiche. Die Geburtshilfe, die Kontrazeption, die konservative Betreuung, die Onkologie… Patientinnen jeden Alters, die Möglichkeit, Frauen in all ihren Lebensabschnitten zu begleiten. In die Gynäkologie fällt auch die Diätberatung, wir haben hier in Meran zusammen mit Valentina Vecellio die Bewegungstherapie für Frauen auf die Beine gestellt. Wir waren die erste Abteilung mit Onko-Psychologen, die ersten, die die Figur der Breastcare Nurse eingeführt haben, die ersten, die palliativmedizinisch tätig waren. In einem Darmzentrum oder Prostatazentrum hat man das alles nicht, vielleicht ist dort auch die Beziehung Arzt Patient nicht eine ganz so intensive.
Wenn Sie zurückblicken…?
Dr. Herbert Heidegger: …sehe ich vieles, das in Gang gekommen ist und ich hoffe natürlich, es geht so weiter! Wichtig ist, die Gesundheitspolitik immer wieder auf Dinge hinzuweisen, wo es Probleme gibt. Die Frauengesundheit weist heute interessante Zahlen auf, Zahlen, über die die Krankenversicherungen verfügen, die sehen, warum die Menschen krankgeschrieben werden: Immer mehr junge Frauen bekommen Krebs. Junge Frauen zwischen 29 und 30 sind doppelt so oft wegen Krebs arbeitsunfähig wie Männer. Im Alter von 39 – 40 sind es schon dreimal so viel! Unter 50 haben 2/3 mehr Frauen als Männer Krebs. Das sind Daten, die man ernst nehmen muss! Da muss interveniert werden.
Inwiefern? Durch Aufklärung und breitgefächerte Information?
Dr. Herbert Heidegger: Ja, auch dadurch. Die Schädlichkeit von Rauchen, erhöhtem Alkoholkonsum und Übergewicht. Das muss man ansprechen. Immer wieder. Aber da ist auch ein gesellschaftlicher Aspekt. Frauen sind generell mehr belastet als Männer. Mit Kindererziehung, Enkelkindern, Eltern. Sie gehen dann eben nicht zur Mammographie, tasten sich nicht selbst ab. Verschieben das. Schon 2023 hat die EU gesagt, wir müssen die Vorsorgepraktiken ändern. Das Screening zwischen 45 und 74 einführen, die Infos rund um den Papillomavirus und die Impfung intensivieren. In Schottland gibt es kein Zervixkarzinom mehr, weil konsequent geimpft wird! Brustkrebs und auch Darmkrebs bei jüngeren Frauen nehmen zu, und das sind oft aggressive Formen. Darüber muss man reden! Das Screening kostet, aber die Behandlung kostet mehr. Gleichzeitig sagen Schweizer Krankenversicherungen, dass die Überlebensrate von Frauen besser ist als bei Männern…
Hier spricht jetzt auch der Präsident des Südtiroler Ethikkomitees aus Ihnen, oder? Werden Sie diese Position auch nach ihrer Pensionierung beibehalten?
Dr. Herbert Heidegger: Das wird sich noch entscheiden. Ich werde vielleicht auch privat noch etwas tätig sein. Langweilen werde ich mich auf jeden Fall nicht. Ich bin begeisterter Opa von drei Enkelsöhnen. Werde mich jetzt auch damit auseinandersetzen, was es mit diesem letzten Lebensabschnitt auf sich hat. Ich lese sehr gerne, diskutiere gerne mit Freunden, wie man die Welt verbessern kann. Aber sicher, ich habe immer gerne gearbeitet. Sehr gerne. Das Abschiednehmen wird mir nicht leicht fallen…
Primar Dr. Herbert Heidegger

Aktuell

Einen gemeinsamen Pfad finden

Dr. Eva Haspinger, Onkologin am Krankenhaus Bozen


Sie ist viel herumgekommen. Dr. Eva Haspinger ist in Stuttgart geboren und in Südtirol aufgewachsen, sie hat ein Jahr in den USA gearbeitet, ein Jahr in Paris und nach dem Studium der Medizin in Innsbruck und der Facharztausbildung in Verona, mehrere Jahre am Nationalen Tumorinstitut in Mailand. Seit 2016 war sie in der onkologischen Tagesklinik Meran beschäftigt, seit einem Jahr ist sie in der Abteilung für Onkologie im Krankenhaus Bozen tätig.
Als Kind hat sie Bücher gefressen, wie ihr Vater immer sagte und auch heute sind ihr neben dem klinischen Alltag, Wissen und Forschung ein Anliegen. „Die Entwicklung in der Onkologie ist so rasant und spannend, ein lebenslanges Lernen.“ Vor allem die Molekularbiologie und die sich dadurch eröffnenden Therapiechancen haben es ihr angetan, wie Körper und Zelle funktionieren und wie es möglich ist, in dieses komplexe System einzugreifen. „Die onkologische Therapie ist heute immer mehr personalisiert, die Diagnose geht weit über den Begriff wie z. B. Darmkrebs oder Lungenkrebs hinaus. Es geht konkret um die spezifischen Mutationen der Zellen. Die neuen Therapien greifen direkt dort, gesundes Gewebe wird damit nicht, bzw. wesentlich weniger als bei der klassischen Chemotherapie in Mitleidenschaft gezogen. In den letzten Jahren hat sich das Augenmerk auch immer mehr auf Aspekte wie Risikofamilie, Lebensstil (Ernährung, Bewegung, Rauchen) gerichtet. „Von größter Bedeutung ist die Sensibilisierung der Bevölkerung. Auch junge Menschen sollten angehalten werden, sich regelmäßig abzutasten, ihren Körper zu kennen, um Veränderungen rechtzeitig wahrzunehmen, diese nicht unterschätzen.“
Neben der fachlichen Kompetenz ist für sie in ihrer Tätigkeit die menschliche Beziehung zum Patienten der wichtigste Aspekt. „Gerade deshalb ist für mich die erste Visite von größter Bedeutung. Hier wird die Basis für eine Vertrauensbeziehung gelegt, wird festgelegt, wie man miteinander umgeht.“ Es heißt, eine gewisse Distanz zu bewahren, aber dennoch einen engen Pfad zu finden, den Arzt und Patient gemeinsam gehen.
Die Arbeit in Mailand und Paris war für ihr berufliches Wachstum extrem wichtig, betont Dr. Eva Haspinger. Die Arbeitsrealität sei dort allerdings eine völlig andere. „Man lebt dort sozusagen im Krankenhaus, ist dort präsent von 7.30 bis 20 Uhr oder später. Man arbeitet, forscht, liest Fachzeitschriften und Veröffentlichungen und tauscht sich aus. Hier sind wir im Krankenhaus von 8 bis 17 Uhr, alles was nicht direkt mit der Arbeit am Patienten zu tun hat, ist dem privaten Bereich vorbehalten.“ Eine Sache der Umstellung.

In ihrer Freizeit geht sie gerne Wandern und Klettern, am liebsten dort, wo es keine Lifte gibt. Und das Lesen ist weiterhin eine Leidenschaft, allerdings hauptsächlich Fachlektüre.