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Come back
Die Brunecker Krebsgespräche haben sich zurückgemeldet

Abschlussfoto mit allen Teilnehmern nach einem mehr als gelungenem intensiven Nachmittag
3. Februar 2024. Gleicher Ort, gleiches Konzept, aber keine einfache Neuauflage. Die Brunecker Krebsgespräche haben sich nach einer Denkpause wieder zurückgemeldet. Ärzte, Pflegepersonal, Patienten. Berichte von der Front, Hintergründe und - das war neu - ein erweitertes Blickfeld, das auch die Sozialberufe mit einbezieht sowie offene und konstruktive Kritik. Der vollbesetzte Saal zeigte den Organisatoren Dr. Christoph Leitner, Andreas Leiter und Verena Duregger einmal mehr, dass die Krebsgespräche ein Dauerbrenner sind!
Offene und konstruktive Kritik. Nicht nur Geschichten von Krankheit und wie man damit lebt, von Empathie und von Exzellenzen in der Versorgung. Nicht nur Daten und Details über Therapien, sondern auch ein Blick hinter die Kulissen. Die Südtiroler haben das Privileg einer exzellenten Versorgung, aber der Preis dafür ist hoch und zu vieles liegt im Argen. Ein Think-Tank und eine aufschlussreiche Lehrstunde für den neuen Landesrat, Dr. Hubert Messner, der der Veranstaltung mit größtem Interesse folgte. „Gespräche und Zeit sind ein wichtiger Aspekt“, betonte er in seiner kurzen Begrüßung. „Wir müssen Ärzten und Pflege wieder mehr Zeit geben.“ Das Gesundheitssystem sei insgesamt besser als sein Ruf. „Viele Mitarbeiter machen eine Super-Arbeit, aber wir haben natürlich Baustellen, die nicht von heute auf morgen geschlossen werden können.“
Die Liste ist lang. Krebserkrankungen nehmen zu. Weltweit und auch in Südtirol. Gründe gibt es dafür viele. Einer davon ist der demographische Wandel, vorhersehbar seit den 1970er Jahren, aber nicht (ausreichend) berücksichtigt. Wir werden älter und damit auch kränker, aber wir werden auch immer besser geheilt. Jeder ist ein potentieller Patient. Das System ist darauf nicht eingestellt. Es gibt immer weniger Ärzte, weniger Pflegepersonal, weniger Menschen, die sich für einen Sozialberuf entscheiden. Lange Ausbildungszeiten, schlechte(re) Bezahlung (als anderswo), ein kaum noch zu bewältigendes Arbeits-pensum. Die Digitalisierung lässt immer noch auf sich warten, die Kommunikation zwischen den unterschiedlichen Playern lässt zu wünschen übrig. Die Frage ist auch, wie das Gesundheitssystem und die immer teurer werdenden Therapien auf lange Sicht zu finanzieren sind.
Schon im Sommer 2022 war ihm die Schwimmhose lästig. Zum Arzt gegangen ist er erst im September. Ein Hoden war geschwollen. Das „Da haben wir was“, des Urologen wird Daniel Bonfanti nie vergessen. Er hat viel gelernt, nicht zuletzt für seine Arbeit als Physiotherapeut. „Als Patient saugt man jedes Wort auf, Worte haben Gewicht, dienen auch als Rettungsanker. Man hinterfragt alles. Jetzt achte ich sorgfältig auf Klarheit, auf Hoffnung machen, jemanden mitnehmen.“ Ratschläge erteilt er nicht. „Ich bin meinen ganz eigenen Weg gegangen, habe mir Zeit genommen, mich aufzustellen, bin die Chemotherapie angegangen wie einen Wettlauf.“ Kämpfen musste er gegen das schlechte Gewissen gegenüber Frau und Kindern, weil er zu spät zum Arzt gegangen ist. Die Frage, „Warum ich?“ hat er sich nie gestellt. Die Angst vor einem Rezidiv prägt seinen Alltag nicht, aber den Augenblick der Kontrolle erlebt er als schwierig. Er hat immer gewusst, was schön und wichtig ist im Leben, jetzt kennt er keine Entschuldigung mehr. „Ich habe mein Arbeitpensum reduziert, nehme mir Zeit für meine Frau, meine Kinder, für mich, für meinen Körper.“ Reduzierte Zuckereinnahme, Intervallfasten, jeden Tag Sport oder Kraftübungen. Und: Dem Alltag Schönes abgewinnen.
Vier Sichtweisen, die sich wie Puzzleteile zusammenfügten und viele neue Baustellen eröffneten. Hier nur einige Stichpunkte: Die Förderung der interprofessionellen Zusammenarbeit und der Zusammenarbeit und Kommunikation zwischen Krankenhaus und Territorium. Die Schaffung eines einheitlichen IT-Systems über das überall die Befunde einsehbar sind. Eine bessere Aufklärung über die Privacy und eine Erziehung der Bürger zur Eigenverantwortung: 80% der Besuche in der Notaufnahme sind grundlos! Tabuthemen wie Proporz und Sprachenregelung müssen offen angegangen werden. Mehr Lohngerechtigkeit und eine Charmeoffensive für sozio-sanitäre Berufe und den Beruf des Allgemeinarztes. Die Ressourcen bündeln. Es braucht Strategien, um mit weniger Menschen mehr zu erreichen.
Die Liste ist lang. Krebserkrankungen nehmen zu. Weltweit und auch in Südtirol. Gründe gibt es dafür viele. Einer davon ist der demographische Wandel, vorhersehbar seit den 1970er Jahren, aber nicht (ausreichend) berücksichtigt. Wir werden älter und damit auch kränker, aber wir werden auch immer besser geheilt. Jeder ist ein potentieller Patient. Das System ist darauf nicht eingestellt. Es gibt immer weniger Ärzte, weniger Pflegepersonal, weniger Menschen, die sich für einen Sozialberuf entscheiden. Lange Ausbildungszeiten, schlechte(re) Bezahlung (als anderswo), ein kaum noch zu bewältigendes Arbeits-pensum. Die Digitalisierung lässt immer noch auf sich warten, die Kommunikation zwischen den unterschiedlichen Playern lässt zu wünschen übrig. Die Frage ist auch, wie das Gesundheitssystem und die immer teurer werdenden Therapien auf lange Sicht zu finanzieren sind.
Referat
Aber der Reihe nach. Den Auftakt der Veranstaltung im vollbesetzten UFO in Bruneck machte Dr. Andreas Seeber, Hämatologe an der Uniklinik Innsbruck, laut eigener Definition "100% Arzt in Freizeit und Forschung", der unter dem Titel „Was ist Krebs“, einen eindrucksvollen Überblick über die Erkrankung, ihre Geschichte, die Entwicklung der Therapien gab. Krebs gab es schon immer. Zellen, die das machen, was alle Zellen machen. Sie wachsen, nur dass sie damit nicht aufhören und plötzlich sind sie überall. Schon die Dinosaurier erkrankten an Osteosarkomen, die antiken Griechen bezeichneten Leukämie als weißes Blut und die alten Ägypter operierten Gehirntumore. Weltweit sind Brustkrebs und Prostatakrebs, sowie Lungen und Darmkrebs die häufigsten Krebsarten bei Frauen und Männern. Bis 2070 rechnet das WHO mit einem Anstieg der Krebserkrankungen von 70%. Die Inzidenz steigt, aber die Mortalität sinkt. Krebs ist dabei, zu einem chronischen Leiden zu werden. Man lebt damit. Die Therapien werden immer besser und wenn jeder seinen Lebensstil darauf einrichtete, die Vorsorge ernst nehmen würde, sich gegen HPV und eventuell auch Hepatitis B impfen lassen würde, könnte sich die Zahl der Erkrankungen um die Hälfte reduzieren. Ein Lungenscreening ist in Diskussion, CT und PET werden immer effektiver, Tumoroperationen können mit Roboter durchgeführt werden und die Bestrahlung wird immer zielgerichteter. „Wie auch wir Onkologen“. Krebs birgt immer weniger Geheimnisse. Die Mutationen im Dna der Zellen können innerhalb kurzer Zeit identifiziert, die Therapien und das Immunsystem individuell darauf eingestellt werden. Chirurgie, Chemotherapie, zielgerichtete Immuntherapie, Hormontherapie und Strahlentherapie wirken immer besser und in Kombination. Impfungen gegen Krebs sind ein aktuelles Forschungsgebiet. „Künstliche Intelligenz lässt uns die Daten immer besser erfassen und zielgerichteter arbeiten.“Intermezzo
Die Intermezzos zwischen den Vorträgen und Patientengesprächen teilten sich die beiden Clowndoktoren Malona und Malona en miniature und der Onkopsychologe Anton Huber. Er trug berührende Texte aus der therapeutischen Schreibwerkstatt in Bruneck vor und betonte, wie wichtig Schreiben, Lesen und Sprechen in Gemeinschaft sei, um sich wieder seiner bewusst zu werden, um die Erfahrung der Krankheit langfristig zu bewältigen.Buffet
Vier Kochschüler der 5. Klasse der Landeshotelfachschule Bruneck haben sich im Bereich Eventmanagement mit einem thematisch passenden Buffet für diese besondere Veranstaltung auseinandergesetzt und diese Aufgabe bravourös gelöst. Bei der Menü-Planung und Zubereitung gab es folgende Richtlinien zu beachten: Antioxydantien, Rohkost, vegan, Zucker und Milchprodukte vermeiden. Das Ergebnis war köstlich und Florian Sellerbacher, Florian Siller, Thomas Oberegger sowie Thomas Oberlechner ernteten den ihnen gebührenden Applaus.Patientengespräche
Im Mittelpunkt der Krebsgespräche standen wie immer die PatientInnen. Verena Duregger stellte dem Publikum die Volkskundlerin Barbara Stocker und den Physiotherapeuten Daniel Bonfanti vor. Barbara Stocker erkrankte 2019 an einem hormonbedingten Mammakarzinom. Krebs war ein Thema, das sie von jeher berührte und interessierte, nicht zuletzt auch als ihre Mutter im Alter von 69 daran erkrankte (heute ist sie 85). „Ich lebe sehr gesundheitsbewusst und war überzeugt, gesund alt zu werden.“ Sie hat sich selbst neu kennengelernt durch die Erfahrung der Krankheit. „Ich habe viel über mein Leben nachgedacht, ein gutes Leben, aber jetzt hat es noch mehr Tiefe bekommen. Das Bewusstsein um die Endlichkeit. Ich verschiebe nichts mehr, lebe JETZT.“ Gehadert hat sie nie und sie hat dankbar alle Rettungsanker genutzt, die ihr zur Verfügung gestellt worden sind, angefangen vom Herzpolster, das sie nach der OP von der Krebshilfe bekommen hat, die vielen mutmachenden Menschen, Ärzte, Krankenschwestern, die Komplementärmedizin. Ein grauer Punkt: die Komplementärmedizin und die Onkologen arbeiten nicht zusammen. „Hier bräuchte es Vernetzung!“ Den Wiedereinstieg ins Berufsleben hat sie als problematisch erlebt, das Gespräch vor der Wiedereingliederungskommission als sehr ungut. „Ich habe mich nicht ernst genommen gefühlt.“Schon im Sommer 2022 war ihm die Schwimmhose lästig. Zum Arzt gegangen ist er erst im September. Ein Hoden war geschwollen. Das „Da haben wir was“, des Urologen wird Daniel Bonfanti nie vergessen. Er hat viel gelernt, nicht zuletzt für seine Arbeit als Physiotherapeut. „Als Patient saugt man jedes Wort auf, Worte haben Gewicht, dienen auch als Rettungsanker. Man hinterfragt alles. Jetzt achte ich sorgfältig auf Klarheit, auf Hoffnung machen, jemanden mitnehmen.“ Ratschläge erteilt er nicht. „Ich bin meinen ganz eigenen Weg gegangen, habe mir Zeit genommen, mich aufzustellen, bin die Chemotherapie angegangen wie einen Wettlauf.“ Kämpfen musste er gegen das schlechte Gewissen gegenüber Frau und Kindern, weil er zu spät zum Arzt gegangen ist. Die Frage, „Warum ich?“ hat er sich nie gestellt. Die Angst vor einem Rezidiv prägt seinen Alltag nicht, aber den Augenblick der Kontrolle erlebt er als schwierig. Er hat immer gewusst, was schön und wichtig ist im Leben, jetzt kennt er keine Entschuldigung mehr. „Ich habe mein Arbeitpensum reduziert, nehme mir Zeit für meine Frau, meine Kinder, für mich, für meinen Körper.“ Reduzierte Zuckereinnahme, Intervallfasten, jeden Tag Sport oder Kraftübungen. Und: Dem Alltag Schönes abgewinnen.
Die Podiumsdiskussion
Abschluss und Höhepunkt der Krebsgespräche war die Podiumsdiskussion, die so angeregt und kritisch war wie nie. Zum Thema Onkologie und demographischer Wandel und den drei Fragen: Was läuft gut? Was läuft nicht? und Was müssen wir ändern? positionierten sich vier Experten. Martha von Wohlgemuth, Geschäftsführerin des Landesverbands für Sozialberufe, Dr. Günther Sitzmann, Primar der Chirurgie am Krankenhaus Bruneck und Vorsitzender der Primar-Gewerkschaft, Dr.in Doris Gatterer, Präsidentin der Gesellschaft für Allgemeinmedizin SÜGAM sowie der Krankenpfleger Alexander Kugler. Interessant war die Einbindung der sozialen Berufe, die einen wichtigen, oft unterschätzten Faktor in der Betreuung von Patienten darstellen.Vier Sichtweisen, die sich wie Puzzleteile zusammenfügten und viele neue Baustellen eröffneten. Hier nur einige Stichpunkte: Die Förderung der interprofessionellen Zusammenarbeit und der Zusammenarbeit und Kommunikation zwischen Krankenhaus und Territorium. Die Schaffung eines einheitlichen IT-Systems über das überall die Befunde einsehbar sind. Eine bessere Aufklärung über die Privacy und eine Erziehung der Bürger zur Eigenverantwortung: 80% der Besuche in der Notaufnahme sind grundlos! Tabuthemen wie Proporz und Sprachenregelung müssen offen angegangen werden. Mehr Lohngerechtigkeit und eine Charmeoffensive für sozio-sanitäre Berufe und den Beruf des Allgemeinarztes. Die Ressourcen bündeln. Es braucht Strategien, um mit weniger Menschen mehr zu erreichen.
Der Podcast
Unter dem Titel „Reden wir darüber“ gehen die Brunecker Krebsgespräche jetzt über das Pustertal hinaus, überall dorthin, wo Interesse am Thema Krebs und Therapie besteht. Zu hören im Wohnzimmer bequem im Sessel, im Auto oder warum nicht, beim Spaziergang mit dem Hund. Die ersten fünf Folgen stehen. Gesprächspartner von Verena Duregger sind der Onkologe Dr. Christoph Leitner, der Psychoonkologe Anton Huber, der Onkologe Dr. Andreas Seeber, der Patient Klaus Gasperi und die Gynäkologin Dr.in Sonia Prader. Auf Spotify, Google Podcasts, Apple Podcasts. krebsgespräche.it; verenaduregger.it
Andreas Leiter

Dr. Andreas Seeber

Onkopsychologe Anton Huber

Dr. Christoph Leitner

Patientin Barbara Stocker

Landesrat Dr. Hubert Messner

Die große und die kleine Malona