Aktuell

Sich wohl fühlen in seiner Haut

APEO bekämpft dermatologische Nebenwirkungen der Krebstherapie – Pilotprojekt im Bezirk Bozen mit zertifizierter Kosmetikerin


Gelesen hat sie darüber in der „Chance“ und es war wie ein plötzlicher Hoffnungsstrahl für Anna Maria. Die Ankündigung eines neuen Pilotprojekts im Bezirk Bozen: eine spezielle kosmetische Behandlung für Menschen, die sich einer Krebstherapie unterziehen und mit Nebenwirkungen aufgrund der Hauttoxizität der Produkte an Händen und Füßen zu kämpfen haben. Nebenwirkungen, die mitunter so starke Beschwerden verursachen, dass die Patienten sich gezwungen sehen, die Therapie abzubrechen. Die Behandlung folgt einem zertifizierten Protokoll, das von der Vereinigung für onkologische Ästhetik APEO in Zusammenarbeit mit dem Europäischen Institut für Onkologie in Mailand entwickelt wurde. APEO bietet eine spezielle Ausbildung für qualifizierte Kosmetikerinnen am „Policlinico“ von Mailand an. Olga Manko ist eine dieser Kosmetikerinnen und behandelt seit Januar in Bozen Patientinnen nach diesem Protokoll.
Anna Maria war eine der ersten Klientinnen. Sechs Behandlungen sieht das Protokoll vor, die Chance hat sie bei der fünften Sitzung begleitet. Ihr Problem, wie auch das aller anderen Patientinnen, die die Gelegenheit dieses Pilot-Projekts nutzten, war nicht rein kosmetischer Natur, obwohl auch ein ästhetisches Problem das ohnehin schon sehr prekäre Gleichgewicht einer Person, die sich einer Krebsbehandlung unterzieht, belasten kann! Vor allem aber sind die Hände ein wichtiges Instrument, nicht nur als Werkzeug, sondern auch in der Begegnung und in der Kommunikation. Braun gefärbte Nägel, die sich vom Nagelbett lösen, Hautverletzungen, Entzündungen, Anzeichen von Radiodermatitis und Schmerzen behindern den Gebrauch der Hand. Was die Füße betrifft, so ist das Problem der Nägel und der Haut auch hier weitgreifend und kann das Tragen von Schuhen jeglicher Art unmöglich machen. Probleme, die den gesamten Erfolg einer Therapie gefährden können.
Anna Maria hat von der ersten Sitzung an die Vorteile dieser spezifischen Behandlung gespürt. Ein spezieller Schnitt der Nägel, Massagen und die Verwendung bestimmter lindernder, beruhigender und nährender Produkte. In diesem Sommer wird sie wieder Sandalen tragen. Sie beendete ihre Behandlung im Januar 2019, 19 Jahre nach ihrer ersten Diagnose hatte sich ein zweiter Brustkrebs entwickelt.
Für die einstündige onko-ästhetische Behandlung wird das Ambulatorium im Bezirkssitz, das normalerweise für die Lymphdrainage genutzt wird, in ein Schönheitsstudio verwandelt, die Liege in eine Maniküre- und Pedikürebank. Olga beginnt mit einem gründlichen Schnitt der Nägel. Um das Wachstum und die biologische Erneuerung der Nägel und der Haut zu respektieren, werden die Termine in einem Mindestabstand von 2,5 Wochen durchgeführt.
Die Resonanz der Mitglieder des Bezirks (bisher leider nur Frauen, auch wenn diese Art von Behandlung auch für Männer gedacht ist!) hat die Erwartungen weit übertroffen, und APEO-Kosmetikerin Olga musste die Stundenzahl erhöhen. Das Pilotprojekt sieht sechs kostenlose Sitzungen pro Mitglied vor. „Danach“, erklärt die Bezirksvorsitzende Claudia Bertagnolli, „werden wir überlegen, wie es weitergehen soll und ob wir auch Gesichtsbehandlungen anbieten werden.“ Das Projekt sollte dann auch in den anderen Bezirke angeboten werden. „Das Problem wird sein, zertifizierte APEO-Kosmetikerinnen zu finden, die bereit sind, in Südtirol zu arbeiten“, unterstreicht Claudia Bertagnolli.
Olga Manko strahlt nicht nur Sanftheit und Hilfsbereitschaft aus, sondern auch Entschlossenheit und Kompetenz. Sie hat sich für den APEO-Kurs eingeschrieben, weil sie von dem Bedürfnis getragen ist, Menschen in Not zu helfen und dazu beizutragen, deren Lebensqualität zu verbessern. Sie ist empathisch, stellt sich ganz auf ihr Gegenüber ein. Manche Frauen haben das Bedürfnis zu reden, vom einfachen Smalltalk bis hin zum Gespräch über die Probleme, Ängste und Unsicherheiten, die mit ihrer Situation verbunden sind. Olga respektiert die Einstellung einer jeden, bereit zu Gesprächen wie auch zu schweigen, immer in einer entspannten Atmosphäre.
In Zusammenarbeit mit dem Europäischen Institut für Onkologie führte Apeo zwischen 2016 und 2017 eine klinische Studie mit 170 Brustkrebspatientinnen durch. 100 von ihnen wurden nach den APEO-Protokollen behandelt, die anderen 70 erhielten keinerlei Behandlung und verwendeten ihre üblichen Kosmetikprodukte. Nach nur 28 Tagen kam es bei den 100 Patienten, die mit APEO behandelt wurden, zu einer deutlichen Verbesserung ihrer Symptome, während sich die Symptome in der Kontrollgruppe verschlechterten. Das APEO-Protokoll zielt darauf ab, die so genannte SRQoL (Skin-related Quality of Life) zu verbessern. Die negativen Auswirkungen von Krebstherapien verstärken den Leidensdruck, den Rückzug aus dem sozialen Leben, Stimmungsstörungen und das Risiko eines Abbruchs der Krebstherapie. Aus diesem Grund sind die Prävention und die Behandlung von Hautreaktionen sehr wichtig und tragen indirekt zum Therapieerfolg und zum Wohlbefinden der Patienten bei.
Am Ende der Stunde fühlt sich Anna Maria nicht nur sehr wohl in ihrer Haut (an Händen und Füßen), sondern auch sehr entspannt. Sie hat noch eine Behandlungssitzung im Rahmen des Pilotprojekts vor sich und weiß schon jetzt, dass sie auch darüber hinaus weiterhin die Hilfe von Olga in Anspruch nehmen wird.
Ausschläge, sich auflösende Nägel, Strahlen-Dermatitis. Nicht nur entstellend, sondern auch schmerzhaft sind diese Nebenwirkungen von Medikamenten und Bestrahlung in der Krebstherapie.

Aktuell

„Das will ich machen“

Olga Manko zertifizierte APEO Kosmetikerin für die Behandlung von Krebspatienten in Therapie



Eigentlich sah ihre Lebensplanung anders aus. In ihrem Heimatland Ukraine hat Olga Manko Sprachen studiert und als Journalistin gearbeitet. Seit 12 Jahren lebt sie in Italien, nach der Ausbildung zur Kosmetikerin ist sie immer wieder mit Frauen in Kontakt gekommen, die verzweifelt waren, die die Schmerzen an Händen und Füßen nicht mehr ausgehalten haben und denen sie als „normale“ Kosmetikerin nicht helfen konnte. Seit 24. Februar 2022, Tag des Angriffs auf die Ukraine, ist ihre Arbeit ihr nicht nur Passion und einer ihrer Lebensinhalte, sondern auch eine wichtige Stütze…
Wie lange leben sie schon in Italien?
Olga Manko: Seit zwölf Jahren. Ich bin diplomierte Kosmetikerin und habe bis 2014 als „normale“ Kosmetikerin gearbeitet. Das Problem der Kundinnen in onkologischer Therapie hat mich schon lange beschäftigt. Als ich von APEO gehört habe, ein Verfahren, das in Zusammenarbeit mit einem Exzellenzzentrum wie dem Europäischen Tumorinstitut noch unter Professor Umberto Veronesi durch die Zusammenarbeit vieler Fachleute entwickelt wurde, wusste ich sofort: Das will ich machen.
Eine Ausbildung, die nicht einfach so nebenherläuft?
Olga Manko: Nein. Es sind 120 Stunden. Viele praktische Übungen zusätzlich. Ein halbes Jahr, das sehr intensiv ist. Ich habe damals gekündigt, um mich ganz dem Kurs widmen zu können. Und nach Kursabschluss sind wir verpflichtet mindestens einmal im Jahr eine Weiterbildungsveranstaltung zu besuchen. Veranstaltet in Zusammenarbeit mit Onkologen, Psychologen, Hautärzten und vielen anderen Fachleuten.
Sie sind in Südtirol im Augenblick noch die einzige APEO diplomierte Kosmetikerin. Wie viele sind sie in Italien?
Olga Manko: Um die 500, tätig in mehr als dreißig Krankenhäusern.
Das im Herbst begonnene Pilot-Projekt in Bozen ist am Auslaufen. Bisher hatten sie es hauptsächlich mit Patientinnen zu tun, die bereits an Nebenwirkungen leiden. Zum Teil auch Jahre nachdem sie die Therapie beendet haben.
Olga Manko: Das stimmt. Und ich behandle im Augenblick nur die Füße und die Hände. Die Apeo-Behandlung ist auch für die Haut des Gesichts konzipiert, die ebenso sehr in Mitleidenschaft gezogen sein kann. Das Beste wäre mit der APEO-Behandlung so früh wie möglich zu beginnen, also vorbeugend, gleich am Anfang der Therapie, noch bevor Nebenwirkungen und Hautschäden auftreten. Am Europäischen Tumorinstitut in Mailand werden die Patienten, Männer wie Frauen, noch im Krankenhaus von APEO-Kosmetikerinnen behandelt. Das Problem ist für viele, dass an ihrem Heimatort nichts Vergleichbares angeboten wird.
Das Konzept APEO besteht aus einer spezifischen Behandlung, Schnitt der Nägel, Peelings, ästhetischen Lymphdrainage, Massagen etc. aber auch aus bestimmten Produkten?
Olga Manko: Ja. Ich kontrolliere bei einer neuen Patientin immer, welche Kosmetika, Cremes usw. sie verwendet, welche Substanzen diese enthalten. Manchmal können sie auch ihre eigenen Produkte weiter verwenden, wenn diese nur ganz bestimmte, natürliche und delikate Substanzen enthalten.
Sie setzen die Behandlungen im Abstand von 2 – 3 Wochen an?
Olga Manko: Ja, ich muss mich dem natürlichen Wachs-Rhythmus der Haut und der Nägel anpassen. Aber meine Kundinnen bekommen auch Hausaufgaben: täglich bestimmte Produkte einmassieren, Packungen, mich auf dem Laufenden halten. Sie haben meine Mail, meine Telefonnummer und können mich jederzeit erreichen, auch über WhatsApp.
Die Patienten haben einen großen Leidensdruck durch die Nebenwirkungen der Therapie?
Olga Manko: Das stimmt. Und es hat nichts mit Eitelkeit zu tun. Unsere Haut, unser Gesicht, unsere Hände sind so etwas wie eine Visitenkarte. Es verunsichert zutiefst und bringt viele Menschen dazu, sich noch mehr als ohnehin zurückzuziehen, sich zu verstecken. Es schlägt auf das Selbstbewusstsein, auf die Psyche und damit beeinträchtigt es auch den Heilungsprozess. Abgesehen davon, dass Probleme mit den Nägel Hände und Füße völlig außer Gefecht setzen können und äußerst schmerzhaft sind. Es gibt nicht wenige Patienten, die eine an sich vielversprechende Therapie aufgrund dieser Nebenwirkungen aussetzen müssen. Mit einer APEO-Behandlung kann dem vorgebeugt und abgeholfen werden. Es ist immer wieder eine unglaubliche Freude für mich, zu sehen, wie die Patientinnen während der Behandlung aufblühen und das schon nach der ersten Sitzung. Ich habe eine Patientin, die riskierte alle Fingernägel der Hand zu verlieren, dieses Jahr hat sie wieder Weihnachtskekse mit ihren Enkeln backen können. Eine andere kann endlich wieder Skifahren, ihre große Leidenschaft und eine 70jährige Patientin hat sich den größten Wunsch erfüllt: zu ihrem Geburtstag Sandalen tragen zu können. All das macht Lebensqualität aus! Und fördert insgesamt die Heilung.
Wie viele Patientinnen haben sie bisher in Bozen behandelt?
Olga Manko: Insgesamt sind es 15. Die Krankheit verändert die Menschen. Es sind alles sehr starke Frauen, die sehr positiv eingestellt sind. Ich kann mich erinnern, dass ich am Anfang meiner Tätigkeit für APEO Angst hatte, dass mich der ständige Kontakt mit kranken Menschen vielleicht zu sehr belaste. Aber im Gegenteil, die Freude und Befriedigung durch diese Arbeit hat alle meine Erwartungen noch übertroffen! Und jeden Tag konkret helfen zu können, ist etwas Wunderschönes! Es ist nicht wie die normale Arbeit einer Kosmetikerin, es geht nicht darum, Falten zu glätten. Ich kann dazu beitragen, diesen Menschen in gewissem Sinn das „normale“ Leben zurückgeben.
Sie sind Ukrainerin. Ich kann mir vorstellen, dass sie sehr in Sorge über die Geschehnisse in ihrem Land sind.
Olga Manko: Es ist schrecklich, unfassbar. In der ersten Woche war ich unfähig zu arbeiten, so sehr zitterten meine Hände, aber dann habe ich mich zusammengerissen. Meine Arbeit ist nicht irgendeine kosmetische Behandlung, die verschoben werden kann, ich kann nicht einfach Termine absagen, weil es mir nicht gut geht. Und ich muss sagen, meine „Damen“ helfen mir sehr, diesem Druck standzuhalten und nicht zu verzweifeln. Sie sind rührend besorgt um mich. Ich habe meine Mutter nach Italien holen können, mein Vater, mein Bruder und mein Cousin sind Ärzte und natürlich in der Ukraine geblieben. Und ich hoffe…