Aktuell

Aufgepasst, was im Mund vor sich geht

Interview mit Primar Dr. Luca Calabrese über Tumore im Kopf-Hals-Bereich


Vorsorgeuntersuchungen auf Tumore im Kopf-Hals-Bereich sind nicht Teil des üblichen Präventionsprogrammes. Warum haben Sie beschlossen, dennoch am 21. April zu einem „Vorsorge-Tag“ einzuladen?
Dr. Luca Calabrese: Ganz einfach: In Südtirol sind die Zahlen zu hoch! Außerdem sind diese Tumore, die im ersten Stadium keine oder besser, fast keine Symptome aufweisen – weitgehend unbekannt. Was im Mund vor sich geht, dem wird hierzulande nicht sehr viel Aufmerksamkeit geschenkt, weder von der Bevölkerung noch vonseiten der Ärzte.
Was meinen Sie mit „oder fast keine“?
Dr. Luca Calabrese: Na ja, wenn man genauer hinschaut, dann gibt es tatsächlich einige Anzeichen. Ein kleiner weißer oder roter Fleck im Mund. Eine Aphte, ein Knötchen, eine eitrige Entzündung. Jede Veränderung im Mund, im Rachen oder in der Nase, die länger als drei Wochen anhält und nicht vollständig verheilt, ist ein Alarmsignal. Ein ernstzunehmendes Warnzeichen!
…das aber oft nicht wahrgenommen wird?
Dr. Luca Calabrese: In den fünf Jahren, in denen ich in Bozen arbeite, ist mir eine Eigenschaft der Südtiroler aufgefallen: Sie haben eine ausgesprochen hohe Schmerztoleranz! Sie haben Wichtigeres zu tun, als auf körperliche Beschwerden zu achten. Geschweige denn, sich regelmäßig selbst zu kontrollieren, um mögliche präkanzeröse Läsionen rechtzeitig zu erkennen und entfernen zu lassen. Einem Neoplasma geht häufig eine gutartige leukoplasmatische Läsion (weißer Fleck) voraus, die sich erst im Laufe der Zeit zu einem Karzinom entwickeln kann. Aus epidemiologischer Sicht könnte man von etwa tausend Fällen solcher Läsionen im Jahr ausgehen. Aber wenn ich die Daten der Pathologie anschaue, komme ich auf nur 50 Biopsien. Wir haben in Südtirol aber einen Durchschnitt von fast 100 Erkrankungen an Mundhöhlenkrebs auf 500.000 Einwohner. Hier liegt ein gravierender Mangel an Information vor! Der nationale Durchschnitt spricht von 8-12% Tumoren im Kopf-Hals-Bereich, in Südtirol liegen wir bei 15-17%, manchmal sogar 20%!
Wie erklärt sich das?
Dr. Luca Calabrese: In erster Linie ist dies auf einen erhöhten Alkoholkonsum zurückzuführen (vergleichbare Zahlen finden wir im Trentino, in Venetien und im Friaul). Noch schlimmer ist die Kombination von Alkohol und Rauchen: dann verdreifacht sich das Risiko! Und hinzu kommt eine schlechte Mundhygiene. Wenn ich einen abgebrochenen Zahn habe, muss ich zum Zahnarzt gehen, auch wenn er nicht schmerzt. Die Zunge stößt sich ständig an diesem Zahn, dies führt zu Mikro-Verletzungen und einer chronischen Entzündung, dies kann die Entstehung von Krebs begünstigen. Eine schlechte Mundhygiene verändert die Bakterienflora im Mund, das sog. Mikrobiom. Die Folge ist die Entwicklung von krebsfördernden Bakterienstämmen. Das alles hängt natürlich auch von der individuellen immunologischen Prädisposition jedes Einzelnen ab.
Welche Altersgruppe ist am ehesten von diesen Tumoren betroffen, die Kehlkopf, Rachen, Mundhöhle, Zunge, Zahnfleisch oder auch Lippen befallen können?
Dr. Luca Calabrese: Und vergessen wir nicht den Hals, die Nase und die Nasenhöhle, die Speicheldrüsen und die Schilddrüse... Was das Alter betrifft, sagen wir ab 50 aufwärts. In Südtirol erkranken zudem auch mehr Frauen an diesem Tumor als anderswo. Auch junge Menschen sollten regelmäßig ihren Mund kontrollieren. Vor allem, wenn sie Alkohol konsumieren und rauchen. Und auch die virale Komponente ist nicht zu unterschätzen: Das HPV-Virus, (Papillomavirus) kann chronische Entzündungen verursachen, die einen Risikofaktor darstellen.
Wie sind die Heilungschancen bei diesen Tumoren?
Dr. Luca Calabrese: Wenn sie in einem frühen Stadium entdeckt werden, können 80 % der Patienten geheilt werden. Bei einer späten Diagnose überleben 30 bis 40 % bis zu fünf Jahre. In der Frühphase muss der Patient nach dem Eingriff für einige Monate mit Schluckbeschwerden leben (Dysphagie), wird der Krebs spät entdeckt, ein Leben lang. In jedem Fall wird die Operation komplexer und hinterlässt bleibende und sichtbare Schäden. Die Zunge oder eine Lippe müssen rekonstruiert werden, Sehnen oder Muskeln, manchmal sogar Knochenteile im Rahmen einer Kieferrekonstruktion...
Aber Sie haben es kaum mit frühen Stadien zu tun?
Dr. Luca Calabrese: Nein, kaum. Leider. Sie werden weder biopsiert noch in Betracht gezogen. Natürlich ist es wahrscheinlicher, dass ein roter Fleck im Mund durch einen Zahn und nicht durch einen Tumor verursacht wird. Aber ich ziehe es vor, zunächst den Tumor auszuschließen und dann erst nach anderen Ursachen zu suchen. Es ist eine andere Denkweise...
...die Denkweise des Onkologen?
Dr. Luca Calabrese: Ganz genau. Für einen Onkologen ist (fast) alles, was er sieht, zunächst ein Tumor, und dann geht er nach Ausschluss-Kriterien vor. Sicher, mit meinem Verdacht setze ich eine ganze Kette von Untersuchungen in Gang, manche davon sehr invasiv, wie die Entnahme von Gewebsproben. Vorsorge ist so! Jeder, der sich einem Screening und im Zweifelsfall weiteren Untersuchungen unterzieht, muss mit dem Stress einer möglichen Diagnose leben. Das ist die negative, psychologisch belastende Seite der Vorsorge: man muss einige Wochen mit der Angst leben, krank zu sein, bevor Entwarnung kommt. Aber das ist es doch wert!
Nationaler HNO-Kongress in Bozen


Vom 14. bis 15. Oktober 2022 wird der Nationale Kongress der Italienischen Vereinigung der Krankenhaus-HNO-Ärzte, AOOI, zum ersten Mal in Bozen veranstaltet. Nach Beendigung der wissenschaftlichen Arbeiten verwandelt sich die Veranstaltung in ein öffentlich zugängliches Humanitis-Festival. Krönender Abschluss ist ein Vortrag von Luigina Mortari über die „Philosophie der Pflege“.
Der Eingang zu den Ambulatorien im neuen Krankenhaustrakt in Bozen.

Aktuell

Darf es weich, halb- oder dickflüssig sein?

Rezepte wie Samt: Italienische Star-Köche und ihre Menüs für beschwerdefreies Schlucken


Ein Traum, eine Mission und ein Kochbuch mit Menu-Vorschlägen von zehn italienischen Sterneköchen, darunter Herbert Hintner, Inhaber und Meisterkoch des Restaurants „Zur Rose“ in Eppan. „Das Nebenprodukt meiner Arbeit sind Menschen mit Dysphagie“, sagt Dr. Luca Calabrese, Primar der Abteilung für Hals-Nasen-Ohren-Medizin in Bozen. Und gerade deshalb fühlt er sich umso mehr verantwortlich für die Heilung seiner Patienten, nicht nur in medizinischer Hinsicht. „Mein Ziel ist die vollständige, d.h. auch die soziale und gesellschaftliche Heilung. Eine zufriedenstellende Lebensqualität ist genauso wichtig wie die Heilung.“
Was bedeutet Dysphagie? Es handelt sich um die Schwierigkeit, Speisen und Getränke vom Mund in den Magen zu befördern. Eine Schluckbehinderung, die häufig infolge von Operationen im Rachen und Kehlkopf auftritt. Aber nicht nur. Es gibt verschiedene Ursachen, die den Schluckprozess beeinträchtigen können: neurologische Erkrankungen, Gefässprobleme, Parkinson, Demenz oder fortgeschrittenes Alter. Menschen mit Dysphagie können nur weiche, halb- oder dickflüssige Lebensmittel zu sich nehmen. Immerhin betrifft dieses Problem 15 % der über 55jährigen! Ein Phänomen , das jedoch weitgehend unbekannt ist. Nur zum Vergleich: von Zöliakie (Gluten-Unverträglichkeit) betrifft nur rund 4 % der Gesellschaft aber dieses Problem ist weithin bekannt.
Doch zurück zum Traum von Dr. Calabrese. Vor ein paar Jahren erzählte ihm ein Patient mit Dysphagie: „Gestern Abend hat mir meine Frau eine Pizza zum Abendessen zubereitet. Ich bin so glücklich.“ Dazu reichte er ihm ein Foto der „Pizza“: Ein Rand aus einer Art weichem Briocheteig, pürierte Tomaten bedeckt mit weißen Mozzarellacreme-Tupfen, garniert mit zwei Basilikumblättern. „Da ist es mir wie Schuppen von den Augen gefallen und ich habe das Problem meiner (Ex)Patienten erkannt. Normalerweise werden Menschen mit Dysphagie von der medizinischen Welt einfach mit bräunlichen Erdbeer-Milchshakes abserviert!“ Ein Mensch mit Schluckbehinderung muss dazu aufgrund seiner Beschwerden nicht nur auf die Genüsse des Gaumens und des Auges, das seinen Anteil haben will, verzichten, er ist auch in der Ausübung seines sozialen Lebens behindert, kann nicht mit seiner Familie oder seinen Freunden in ein Restaurant gehen. Viele schämen sich und ziehen sich völlig zurück. „Mir wurde klar“, fährt Dr. Calabrese fort, „dass ich solchen Patienten durch meinen Eingriff zwar das Leben gerettet habe, die Frage ist nur: Welches Leben?“
In Gesprächen mit befreundeten Köchen entwickelte Dr. Calabrese die Idee eines Kochbuchs. Er nahm Kontakt mit der Vereinigung der 'Jeunes Restaurateurs d'Europe' in Italien auf, besuchte deren Jahreskongress. Zu seinem Erstaunen stellte er fest, dass sich niemand dieses Problems bewusst war, umso größer war aber die Bereitschaft der Meisterköche, mehr darüber zu erfahren. Zu einem späteren Zeitpunkt besuchte er zusammen mit einer Logopädin die am Projekt interessierten Köche, um ihnen die Konsistenz zu vermitteln, die die Speisen von Personen mit Schluckbehinderung haben sollten. Alle von ihm angesprochenen Personen zeigten sich begeistert von der Idee des Kochbuchs und sagten ihre unentgeltliche Mitarbeit zu. Als Autoren konnte er Ettore Mocchetti, den ehemaligen Chefredakteur der bekannten Zeitschrift „Cucina Italiana“, gewinnen, der sich außerdem versprochen hat, sich dafür einzusetzen, dass in Zukunft in jeder Ausgabe ein „Samt-Rezept“ vorgestellt wird.
Das Buch mit den Rezepten der zehn Starköche, „Ricette di velluto“, so der italienische Titel, ist letztes Jahr erschienen. Geplant ist eine Präsentation des Projekts vor der Abgeordnetenkammer in Rom, gefolgt von einer Veranstaltung in Mailand und Bozen. „Ich möchte die Aufmerksamkeit aller auf dieses Thema lenken“, betont Primar Luca Calabrese. „Und ich hoffe, dass es bald selbstverständlich sein wird, im Restaurant nicht nur Gerichte für Menschen mit Zöliakie, sondern auch für Menschen mit Schluckbehinderung zu finden.“ Das Logo, das neben den verschiedenen Michelin-, Gault Millau- oder Tripadvisor-Plaketten hängen soll, gibt es auch schon: ein von Ugo Nespolo entworfener Lebensbaum.
Mit dem Erlös aus dem Verkauf des Buches sollen Projekte für Menschen mit Dysphagie finanziert werden, unter anderem weitere Kochbücher mit regionalen Rezepten, traditioneller italienischer Küche und Bistro-Küche.
„Lebensqualität heißt auch, sich nicht "anders" zu fühlen. Das Anderssein zu reduzieren, so weit wie möglich auf null zu setzen, ist nicht nur eine klinische Pflicht, sondern auch eine erfüllende, soziale und ethische Verpflichtung.“
Blaue Kartoffelsuppe mit Almkäse-Creme
Samt-Rezept von Herbert Hintner
Zutaten (4 Personen):
400 gr blaue Kartoffeln,
200 gr in Würfel geschnittener Almkäse
160 ml Sahne
60gr Butter
100 gr gehackte Zwiebeln
Salz und Gemüsebrühe n.B.

Vorbereiten der Kartoffeln
Die Kartoffeln mit Schale und je nach Größe ca. 30 Minuten kochen. Schälen und zerkleinern.

Die Zwiebeln anrösten, die Kartoffeln dazugeben und mit Gemüsebrühe bedecken. Butter zugeben und pürieren.

Vorbereitung der Almkäse-Creme
Die Sahne auf 60° C erhitzen, die Käsewürfel hinzugeben und rühren bis eine dickflüssige, homogene Creme entsteht.

Servieren
Die Suppe in einen Teller füllen und mit der Almkäse-Creme dekorieren.