Aktuell

Der Europäische Krebsplan

Gebündelte Maßnahmen, Angleichung der Diagnose- und Therapie/4 Milliarden Euro
Die Coronavirus-Pandemie hat sich global und auf alle Bereiche der Gesellschaft ausgewirkt, auch auf die Diagnose und Behandlung von Krebs. Die Lockdowns haben sich negativ auf Vorsorge, Früherkennung und Behandlung ausgewirkt. Nach 30 Jahren hat die EU-Kommission im vergangenen Frühjahr einen europaweiten Krebsplan vorgelegt. Ohne koordinierte und greifende Maßnahmen könnte Krebs in Europa innerhalb der nächsten 15 Jahre zur Todesursache Nummer 1 werden.
Der Plan artikuliert sich in zehn Leitinitiativen, die darauf zielen, die Bemühungen im Kampf gegen Krebs europaweit zu bündeln sowie einheitliche Diagnose- und Behandlungsstandards zu schaffen. Für die Verwirklichung des Plans wurden vier Milliarden Euro bereitgestellt.
Europa stellt ein Zehntel der Weltbevölkerung, aber ein Viertel aller Krebsfälle weltweit. Im Jahr 2020 wurden in der EU knapp 2,7 Mio. Krebsdiagnosen gestellt, 1,3 Millionen Menschen sind an Krebs gestorben. Damit war Krebs 2020 die Todesursache Nummer zwei. Innerhalb der EU Länder sind die Überlebens- und Heilungschancen bei einer Krebserkrankung unterschiedlich. So haben z. B. nicht alle EU Bürger gleichermaßen Zugriff auf die modernsten Therapien und Medikamente bzw. Untersuchungs- und Behandlungsmethoden. Europaweit liegt die Überlebensrate derzeit bei 47 Prozent und soll bis 2030 auf 75 Prozent gesteigert werden. Zum Vergleich: in Italien waren es 2019 54% bei den Männern und 63% bei den Frauen. Nach Brustkrebs liegt die Überlebensrate bei 88%.
Die EU Kommission hat dem Krebs nun in einer breit angelegten Aktion den Kampf angesagt. Die Krebssterblichkeit soll verringert werden, die Diagnose- und Therapiemöglichkeiten angeglichen und verbessert, die Forschung gefördert. Die Kommission bezeichnete den Plan zur gemeinsamen Krebsbekämpfung als einen Akt der europäischen Einheit.
Der europäische Krebsplan artikuliert sich in zehn Leitlinien, die auf vier Säulen ruhen: Vorsorge, Früherkennung, Diagnose und Behandlung sowie Steigerung der Lebensqualität. Der Plan wird von verschiedenen Fördermaßnahmen ergänzt. Insgesamt stellt Europa für die Verwirklichung des Plans 4 Milliarden Euro zur Verfügung.
Die zehn Leitinitiativen sind:
1. Der Aufbau eines Wissenszentrums für Krebs, um wissenschaftliche und technische Initiativen auf EU-Ebene besser zu koordinieren.
2. Eine europäische Initiative über bildgebende Verfahren in der Krebsmedizin, um innovative Lösungen für eine genauere und zuverlässigere diagnostische Bildgebung zu entwickeln und umzusetzen.
3. Eine europaweite HPV-Impfung Kampagne: Bis 2030 sollen mindestens 90 Prozent der Mädchen und möglichst viele Jungen gegen das humane Papilloma-Viren (HPV) geimpft werden.
4. Die Schaffung eines einheitlichen EU-Krebsvorsorgeprogramms, einschließlich einer Aktualisierung der Empfehlungen für das Screening sowie neue Leitlinien und Qualitätssicherungsprogramme. Europaweite Maßnahmen gegen unverantwortlichen Tabak- und Alkoholkonsum im Rahmen der Förderung eines gesunden und verantwortlichen Lebensstils.
5. Die Schaffung eines Netzwerks aus allen anerkannten nationalen onkologischen Spitzenzentren in allen Mitgliedstaaten bis 2025.
6. Eine Initiative „Krebsdiagnostik und -behandlung für alle“, um überall in Europa einen gleichen Zugang zu innovativen Krebsdiagnoseverfahren und -behandlungen zu gewährleisten.
7. Die einheitliche Erfassung von Personen mit einem hohen Risiko für die häufigsten Krebsarten im Rahmen der Initiative „Understanding Cancer – UNCAN.eu“
8. Die Erhöhung der Lebensqualität von Krebspatienten.
9. Die Schaffung eines Registers der Ungleichheiten bei der Krebsbekämpfung, um die medizinischen Standards in allen Mitgliedstaaten und Regionen in Europa anzugleichen.
10. Die Schaffung eines EU-Netzwerks junger Krebsüberlebender und Maßnahmen im Rahmen der Initiative „Hilfe für Kinder mit Krebs“.

Aktuell

In Bozen wie in Mailand oder Paris

Bozner Brust-Gesundheitszentrum feiert zehnjähriges Bestehen der EUSOMA-Zertifizierung
Dr. Frena, das EUSOMA-zertifizierte Brust-Gesundheitszentrum ist das Ergebnis einer hervorragenden Zusammenarbeit auf verschiedenen Ebenen?
Dr. Antonio Frena: Das stimmt. Voraussetzung sind die Spezialisten der verschiedenen Abteilungen: Pathologische Anatomie, Allgemeine und Onkoplastische Chirurgie, Physiotherapie, Genetik, Geriatrie, Gynäkologie, Nuklearmedizin, Onkologie, Psychoonkologie, Radiologie, Strahlentherapie, die Breast-Care-Nurses, Datenerfassung und Sozialarbeiter; auf der anderen Seite die hochtechnologische Ausstattung mit Geräten wie Linearbeschleunigern in der Strahlentherapie oder molekularen und genetischen Tests... all dies zusammen garantiert den sehr hohen Standard von EUSOMA. In Bozen erhält eine Patientin die gleichen Therapien und folgt den gleichen Protokollen, die sie in einem EUSOMA-zertifizierten Brustzentrum in Mailand oder Paris vorfinden kann.
Zur Feier der zehnten Zertifizierung haben Sie beschlossen, eine Tagung zu organisieren...
Dr. Antonio Frena: Ja, am 10. Juli. Aber wir wollten keinen Mediziner-Kongress, sondern ein Treffen in Augenhöhe mit den Patienten. Wir wollten feiern und gleichzeitig auf die Tatsache aufmerksam machen, dass Bozen Teil dieses so wichtigen Netzwerks ist, das die höchsten europäischen Standards garantiert. Die wissenschaftlichen Vorträge beschränkten sich auf zwei Chirurgen, Dr. Giulia Armatura, Dr. Christoph Mayr und die Onkologin Dr. Elisabetta Cretella. Dann folgten Beiträge der beiden Breast-Care-Nures Martina Tretter und Ketty Tollardo, der Patientenverbände, die Südtiroler Krebshilfe, LILT und mamazone, und zum Abschluss ein Erfahrungsbericht einer Patientin.
Die Patienten-Verbände sind ein wichtiger Teil des Netzwerks, das die Patientinnen unterstützt...
Dr. Antonio Frena: Auf jeden Fall. Sie gelangen dorthin, wo wir nicht hinkommen können. Sie sind unverzichtbar für diejenigen, die sich nicht alleine in dieser komplexen Welt zurechtfinden, noch dazu mit einer Diagnose, die immer noch Angst macht. Sie sind es, die den Patientinnen zur Seite stehen, wenn sie das Krankenhaus verlassen. Sie sind es, die beruhigen, Hoffnung vermitteln, konkrete Hilfe im Alltag geben. Sie sind sehr wichtig!
Zurück zu den EUSOMA-Anforderungen...
Dr. Antonio Frena: Richtig. Wie bereits erwähnt, schreibt EUSOMA ein ganz bestimmtes Vorgehen vor. Angefangen von der Fallbesprechung im multidisziplinären Tumorboard, besprochen und folgt einem personalisierten Therapieverfahren. Wir als Chirurgie können mit drei zertifizierten Chirurgen, mehr als 400 Operationen pro Jahr gewährleisten. Anschließend werden die Patientinnen von den Fachärzten betreut, von denen jeder eine wichtige Rolle im Behandlungsprozess spielt und dafür sorgt, dass alle Vorgaben strikt eingehalten werden. Auch die korrekte Datenerfassung ist Teil der Zertifizierung. Unsere Datenmanagerin, Alessandra Rubbo, speist täglich alle Daten in eine europäische Datenbank ein, die einer regelmäßigen Kontrolle unterliegt. Nach der Einreichung aller für die Zertifizierung erforderlichen Daten kommen jedes Jahr zwei Senologen für zwei Tage nach Bozen, um die Richtigkeit unserer Standards zu überprüfen. Sie besuchen alle Abteilungen, prüfen stichprobenartig Krankenakten...Die Vorbereitung kostet das gesamte Brustteam sehr viel Zeit und Energie, aber der Erfolg, die Tatsache, zu den europäischen Spitzen-Einrichtungen zu gehören, die diese Zertifikation erhalten, ist eine große Befriedigung.
Der Erfolg eines zertifizierten Zentrums begründet sich vor allem auf Zahlen?
Dr. Antonio Frena: In einem gewissen Sinne ja. Der Erfolg liegt in der Zentralisierung, die zu hohen Fallzahlen führen. Viele Patientinnen behandeln, viele Mammographien auswerten (es müssen mehr als tausend pro Radiologe und Jahr sein). Erfahrung und täglicher Umgang sind sehr wichtig. Und natürlich zählen auch die Spezialisierung des Teams und der multidisziplinäre Ansatz, aber grundlegend sind vor allem die hohen Fallzahlen.
Was ist die größte Schwierigkeit bei der Zertifizierung?
Dr. Antonio Frena: Die Einhaltung der hohen Qualitätsmaßstäbe in allen Disziplinen und, aus administrativer Sicht, die Gewährleistung der erforderlichen Mindestanzahl an qualifiziertem Personal in einigen Spezialgebieten. Aber bisher ist uns das immer gelungen.
Die Corona-Pandemie hat zu sehr starken Einschränkungen in der Arbeit im Krankenhaus geführt. Konnten Sie trotzdem alle onkologischen Eingriffe gewährleisten?
Dr. Antonio Frena: Mit großer Mühe, aber ja! Wir sind stolz darauf, niemanden zurückgelassen zu haben. Einzig die vorgeschriebenen Diagnose-/Therapiezeiten haben sich leicht erhöht, aber EUSOMA hat dies vorgesehen. Denn, was vielleicht nicht jeder weiß, es gibt auch strikte Richtlinien hinsichtlich des zeitlichen Ablaufs der verschiedenen Phasen zu beachten, angefangen von der Diagnose bis hin zur Therapiephase.
Die Zertifizierung ist eine Garantie für die Patientinnen?
Dr. Antonio Frena: Ja, das kann man so sagen. In einem EUSOMA-zertifizierten Brustzentrum hat die Patientin die absolute Gewissheit, dass sie einem kodifizierten und qualifizierten Protokoll unterzogen wird, wie in den besten italienischen und europäischen Zentren, der den neuesten Standards entspricht.
Wie würden Sie Brustkrebs heute definieren?
Dr. Antonio Frena: Zunächst einmal ist es keine Verurteilung mehr, weder zum Tod noch zur Verstümmelung. Die Patientinnen überleben und sie überleben gut. Wir beschränken uns nicht nur auf die Entfernung von Organen, wie manche vielleicht denken. Unser Ziel ist es, der Patientin ein vollständiges und zufriedenstellendes Leben zurückzugeben. Dafür brauchen wir den Onkologen, den Chirurgen, den plastischen Chirurgen, den Genetiker, den Gynäkologen (z. B. für Fragen der Fruchtbarkeit oder der therapiebedingten Menopause), den Geriater, den Psychoonkologen, den Physiotherapeuten und alle oben genannten Spezialisten. Unser Ziel ist es, zu heilen, aber auch, die Patienten in ein "normales" Leben zurückzuführen, in dem die Krankheit nur ein Stolperstein bleibt, der überwunden und im besten Fall auch vergessen wird.
Dr. Antonio Frena