Aktuell

Den roten Faden weiterspinnen

Psychologin Regina Bogner führt ihre Gruppen während des Lockdowns online weiter.
Das Foto wurde vor der Corona-Pandemie aufgenommen
Die Technik hat ihre Tücken und will beherrscht sein. Das hat auch Regina Bogner gelernt. Die Psychologin bietet mehrere deutschsprachige Gesprächsgruppen für die Südtiroler Krebshilfe an, zwei in Brixen und eine in Bozen und hat ihre Angebote nach Inkrafttreten des Lockdown online weitergeführt. Mit Erfolg.
Nähe kann ein geteilter Bildschirm natürlich nicht ersetzen. Aber den Austausch, das Gespräch und in diesem Sinne auch die Therapie fortsetzen zu können, wenn auch auf Distanz, ist gerade während eines (emotionalen) Ausnahmezustands, wie es die Covid-Pandemie ohne Zweifel ist, von größter Wichtigkeit. „Die Grundkompetenz ist jetzt Flexibilität“, unterstreicht die Psychologin Regina Bogner. „Man muss bereit sein, sich auf Neues einzustellen, sich umzustellen und sich an die Situation so gut es eben geht anzupassen.“
Während des ersten Lockdowns hat sich Regina Bogner noch von einer Teilnehmerin einer Gesprächsrunde helfen lassen, die im IT-Bereich arbeitet. Mittlerweile beherrscht sie diese Medien ganz gut. „Ich bin flott und fit. Man lernt nie aus und nicht zuletzt hat Covid auch dazu geführt, gewisse Barrieren und Vorurteile im Kopf abzubauen“, meint die Psychologin, die selbst auch Betroffene ist.
Es mag auch daran liegen, dass ihre Gesprächsgruppen nicht sehr groß sind, die Angehörigen-Gruppe in Brixen zählt drei Personen, die Selbsthilfe-Gruppen in Brixen und Bozen sechs bzw. vier Personen.
Digital kann reale Begegnung nicht ersetzen, setzt aber auch andere Ressourcen frei und hilft. Nähe aufrecht zu erhalten – Das Foto wurde vor der Corona-Pandemie aufgenommen
Die Treffen finden im Abstand von vier Wochen statt. Alle Gruppen bestehen schon seit mehreren Jahren. Während des letzten Lockdowns haben alle Teilnehmer die Online-Treffen wahrgenommen. Und auch im Herbst, die Online-Treffen kamen allerdings erst nach Mitte November zustande, waren die Gruppen vollständig. „Natürlich war es wieder ganz anders, als wir uns im September von Person zu Person treffen konnten“, betont die Psychologin. Begeistert sind die Mitglieder ihrer Gruppen nicht, dass es nun wieder über den Bildschirm gehen muss. Vor allem jene, die ohnehin schon von ihrer Arbeit her den ganzen Tag vor dem Bildschirm verbringen. Aber besser als nichts!
Ziel der Gruppen ist, den Teilnehmern in Kombination mit den Wirkfaktoren einer Gruppe zielorientiert und strukturiert relevante Informationen zu vermitteln, die helfen, die traumatische Situation der Krankheit besser zu meistern. Dies gilt sowohl für die betroffenen-Gruppen als auch für die Sitzungen mit den Angehörigen von Krebskranken. Informationen über die Erkrankung, Lernen aus der Krankheitsverarbeitung und den Erfahrungen der anderen, Vermittlung von Techniken zur Aktivierung der persönlichen und sozialen Ressourcen, Verminderung der Angst durch Aufklärung und Gemeinschaftserlebnis, eine bessere Verarbeitung des Diagnoseschocks und Strategien, um sich nach Abschluss der Therapie mit möglicherweise veränderten Lebensumständen zurechtzufinden.
„Was mir aufgefallen ist“, so Regina Bogner, „im September kamen wieder andere Dinge zur Sprache als während der Online-Treffen. Es ging insgesamt doch intimer zu.“ Allerdings, so die Psychologin, habe auch online seine Vorteile: So war es möglich, bestimmte Übungen konsequenter durchzuführen und auch theoretisches Wissen zu vermitteln. Wichtig sei, sensibel herauszuhören, wie die Teilnehmer sich gerade fühlten. Sie dort abzuholen, wo sie gerade stünden, Regungen richtig wahrzunehmen. „Und das erfordert eine enorme Konzentration. Die Emotionen sind gefiltert durch den Bildschirm, deshalb braucht es länger. Aber es funktioniert.“
Nach den Video-Sitzungen ist sie müder als gewöhnlich und vermutlich wird das den Teilnehmern ähnlich gehen. „Aber in dieser Zeit, die wir jetzt leben, ist alles irgendwie anstrengend. Man weiß nicht, wie es weitergeht, ist verunsichert, hat Angst.“ Und gerade deshalb, meint Regina Bogner, dürfe man die Gruppen jetzt nicht sich selbst überlassen. „Wir müssen wenigstens den Kontakt halten, müssen den roten Faden, der sich gebildet hat, weiterspinnen, sonst brechen die Gruppen auseinander und damit würden einige Jahre an gemeinsamer und individueller Arbeit verloren gehen.“
Informationen: info@krebshilfe.it bzw. Regina Bogner, Tel: 347 3615945. Die Gruppen sind konzipiert als offene Gruppen, neue Mitglieder sind jederzeit willkommen. Interessierte können sich mit Regina Bogner in Verbindung setzen.
Tel. 347 3615945 - regina_bogner@gmx.net

Aktuell

Virtuell vereint schreiben und lesen

Schreibwerkstatt und Lesecafé in Zeiten der Pandemie
Das Foto wurde vor der Corona-Pandemie aufgenommen
Gemeinsam schreiben und lesen via Bildschirm. Ja geht denn das? Es geht und zwar sehr gut. Die Schreibwerkstatt und das Lesecafé in Bozen haben dies schon während des ersten Lockdowns feststellen und praktizieren können. Und nun, nach vier analogen Treffen im Sitz in der Dreiheiligengasse mit Fiebermessen, Hände desinfizieren und Abstand halten, sitzen wir wieder vor dem Bildschirm.
Zugegeben, am Anfang, im März waren nicht alle überzeugt, dass es online funktionieren könnte. Ausnahmesituationen helfen, Vorurteile zu überwinden und schlussendlich hat der Wunsch gesiegt, weiterzumachen und sich trotzdem begegnen zu können. Ein Licht im Dunkel des Lockdowns. Und das war es.
Nun sind wir also wieder soweit. Jeden Mittwoch um 17.30 finden wir uns auf dem Bildschirm wieder. Claudia und Claudia, Silvia, Katia und Nicole. Während der ersten Welle der Covid-Pandemie war auch Mariella mit von der Partie, die jetzt aber Babysittern muss. Debora hat uns leider aus Gesundheitsgründen bereits nach zwei analogen Lesecafés verlassen. Online ist nicht ihr Ding, aber im Frühjahr, hat sie versprochen, wieder zur Gruppe stoßen. Kerzen auf dem Tisch, ein Tischtuch, Gebäck und Kräutertee, dies ist der normale Rahmen der Begegnungen im Sitz des Bezirks Bozen. Kaum sind alle vor dem Bildschirm in Zoom versammelt, fühlen wir uns fast, als wären wir dort. Es wird sich ausgetauscht. Über Plus und Minus seit dem letzten Treffen nachgedacht (in der Schreibwerkstatt) und dann geht es ans Schreiben. Vor dem Bildschirm. Warum nicht? Irgendwie ist man doch in Gesellschaft. Anschließend liest wie immer jede ihren Text vor.
Das Lesecafé ist etwas komplizierter. Normalerweise reicht uns ein Buchexemplar, das reihum zum Vorlesen weitergereicht wird. Jetzt müssen Seiten fotografiert und verschickt werden oder aber jede muss sich das Buch ausleihen oder kaufen. Wer nicht mit Lesen daran ist, lehnt sich zurück und hört zu. Es ist schön, sich in Gesellschaft zu fühlen. Zwischendrin oder im Anschluss diskutieren wir über das gerade Gelesene. Im Augenblick lesen wir das Buch der polnischen Nobelpreisträgerin, Olga Tokarczuk, Guida il tuo carro sulle ossa dei morti (deutscher Titel: Gesang der Fledermäuse) eine Mischung aus Kriminalfall, philosophischem Essay und lehrreicher Fabel. Es tut gut, sich zu begegnen, sich kreativ und intellektuell auszutauschen und eine Verabredung zu haben, auch wenn sie nur digital ist.