Aktuell

Onkologie im Wandel

Pressekonferenz der SKH am Weltkrebstag – Fakten und Daten
Welche aktuellen Herausforderungen und künftige Anforderungen kommen auf die onkologische Versorgung in Südtirol zu? Und was sagen die statistischen Daten über die Krebserkrankungen in Südtirol aus? Anlässlich des Weltkrebstages am 4. Februar lud die Südtiroler Krebshilfe zu einer Pressekonferenz mit drei Experten Dr.in Emanuela Vattemi, Onkologin am Krankenhaus Bozen, Dr. Christoph Leitner, Direktor des onkologischen Dayhospitals am Krankenhaus Bruneck, sowie Dr. Guido Mazzoleni, Primar der anatomischen Pathologie und Histologie und Direktor des Südtiroler Tumorregisters.
Die Südtiroler Medien griffen wie jedes Jahr dankbar die Gelegenheit auf, um umfassend über dieses wichtige Thema zu informieren. „Als Südtiroler Krebshilfe ist es uns wichtig, kontinuierlich zu sensibilisieren und im Interesse der Patientinnen und Patienten aktuelle Themen anzusprechen“, so Ida Schacher, Präsidentin der Südtiroler Krebshilfe. Das Thema des diesjährigen Weltkrebstag, „Ich bin und ich werde“ sei Anstoß darüber nachzudenken, was jeder Einzelne zur Verhütung von Krebs bei sich und auch anderen tun könne.
Onkologie heute und morgen in Südtirol
Über die gegenwärtigen und zukünftigen Entwicklungen in der Onkologie sprachen Emanuela Vattemi und Christoph Leitner. Sie berichteten, dass sich die Krankheit Krebs im Wandel befinde: „Krebs ist nicht mehr nur eine Erkrankung, sondern eine Vielzahl von unterschiedlichen Krankheitsbildern. Aus diesem Grund verändert sich auch die Onkologie als Fachgebiet. Es entstehen viele neuen Vorsorge-, Diagnose- und Therapiemöglichkeiten, die auf unterschiedlichen molekularbiologischen und genetischen Krankheitsprozesse basieren. Dies eröffnet neue Chancen, ist aber auch kostspielig“, erläuterten Vattemi und Leitner. Hinzu komme die demografische Entwicklung der Gesellschaft: „Wir werden älter und damit steigt auch die Anzahl der Neuerkrankungen.“
Dank der neuen Therapien sei Krebs heute zunehmend eine chronische Krankheit, mit der Patienten viele Jahre lang leben könnten. Die neuen Therapien seien immer effizienter und weniger schädlich für den gesamten Organismus, leichter zu vertragen als die herkömmlichen Chemotherapien, die in bestimmten Fällen gänzlich durch neue Therapien ersetzt werden könnten. Dadurch stelle sich ein neues Problem: Die Begleiterkrankungen, die sich erst mit zunehmendem Alter bemerkbar machten. Ein großes Problem sei außerdem die Finanzierbarkeit der neuen Therapie, die äußerst kostspielig seien. Dies stelle auch ethische Fragen. Hier käme die nicht zuletzt auch die Frage der Verantwortung jedes einzelnen ins Spiel. Ein gesunder Lebensstil helfe viele Krebserkrankungen vorzubeugen.
Die bezirksübergreifende Zusammenarbeit vieler Spezialisten sei von immer größerer Bedeutung in der Krebstherapie. Das multidisziplinäre Tumorboard wird zunehmend durch ein molekuläres Tumorboard ergänzt. Alles das münde laut den beiden Onkologen in folgende Fragen: Wie schaffen wir es in Südtirol, die Onkologie leistbar und gleichzeitig auf hohem Niveau zu halten? Kann ein onkologisches Netzwerk Antworten darauf geben? Welche Lösungen ergeben sich aus der Forschung? Und wie kommen wir in Südtirol zu den neuesten Forschungsergebnissen bzw. wie können diese zeitgerecht in die Praxis eingeführt werden? In Zukunft müsse auch in Südtirol klinische Forschung betrieben werden. Nicht zuletzt spiele der Fachärztemangel eine Rolle: Es gelte, die notwendigen Fachärzte entsprechend auszubilden bzw. zu akquirieren. Die Zahl der Patienten steige, jene der Ärzte nicht.
Fakten zu den Tumorerkrankungen in Südtirol
Die statistischen Daten zur Häufigkeit, Neuerkrankungen und Mortalität in Südtirol werden kontinuierlich im Tumorregister gesammelt und analysiert. Primar Guido Mazzoleni präsentierte diese Zahlen: Demnach erkrankten in den Jahren 2012-2016 in Südtirol jährlich 2.837 Personen an Krebs, davon 1.277 Frauen und 1.560 Männer (Hauttumore ausgeschlossen). Bei den Männern ist der Prostatakrebs mit 21% die häufigste Krebsart, gefolgt von Kolon-Rektum-Tumor (13%), Lungenkrebs (10%) und Blasenkrebs (10%). Frauen erkrankten am häufigsten an Brustkrebs (28%), gefolgt vom Kolon-Rektum-Krebs (12%), Lungenkrebs (7%) und Melanomen (6%). Durchschnittlich verstarben in den Jahren 2014-2018 jährlich 1.139 Südtirolerinnen und Südtiroler aufgrund einer Tumorerkrankung, davon mehr Männer (632) als Frauen (507). „Bei den Männern verringern sich die Neuerkrankungen, bei den Frauen bleiben diese stabil“, so Primar Mazzoleni. Dies sei auf eine Zunahme der Raucherinnen zurückzuführen, während Männer zunehmend das Rauchen aufgeben. Rauchen ist nach wie vor die Hauptursache für viele Krebsarten, nicht nur Lungenkrebs. Gefolgt von falscher Ernährung, übertriebenem Alkoholgenuss, zu wenig Bewegung, Übergewicht und UV-Strahlen.
Risikofaktoren und Screening-Programme in Südtirol
Die Hauptursachen für das Auftreten von Krebserkrankungen können im persönlichen Lebensstil festgemacht werden: Bewegungsmangel, ungesunde Ernährung, Übergewicht, übermäßiger Alkoholkonsum und Rauchen gelten als Risikofaktoren. Zwei von drei Krebserkrankungen seien darauf zurückzuführen. In Südtirol gebe es weniger Raucher als im restlichen Italien, dafür sei aber der Alkoholkonsum größer. Die Teilnahme an den Screening-Programmen, so Mazzoleni, ist eine wirksame Methode, um Krebserkrankungen frühzeitig zu erkennen und damit die Heilungschancen zu erhöhen. Dank der Einladung mit beigelegtem Termin sei in Südtirol die Zahl der Teilnehmerinnen am Brustkrebsscreening gestiegen. In Südtirol können drei Krebsvorsorgeprogramme in Anspruch genommen werden: Zum einen die Früherkennung von Gebärmutterhalskrebs mittels Pap-Test oder HPV-Test, an der 30,3% der eingeladenen Frauen im Jahr 2018 teilnahmen. Zum Mammographie-Screening gingen 63,9%; an der Früherkennungsmaßnahme für Darmkrebs beteiligten sich 37,6% der eingeladenen Frauen und Männer. Allerdings müssten die Ergebnisse richtige interpretiert werden, da die privat vorgenommenen Screeninguntersuchungen nicht berücksichtigt seien. Eine gute Nachricht, die nicht zuletzt auch auf den Erfolg der Informationskampagnen zurückzuführen sei: „Die Zahl der Melanome ist endlich rückläufig; Südtirol hatte die höchsten Zahlen in ganz Europa.“ Insgesamt gab sich Mazzoleni optimistisch: Krebs sei heute eine Krankheit, die bei früher Diagnosestellung in vielen Fällen gute Heilungschancen hätte.
V.l.: Die Onkologen Dr. Christoph Leitner und Dr. Emanuela Vattemi

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Bio-Testament national erfasst

Patientenverfügung ab sofort italienweit erfasst und zugängig – auch Organspende
Die Patientenverfügung oder auch biologisches Testament. Ein in Italien lange umstrittenes Thema, das am 31. Januar 2018 mit dem Inkrafttreten des Gesetzes 209 zu einem positiven Abschluss gekommen ist. Nun ist noch das I-Tüpfelchen dazugekommen: Seit dem 1. Februar 2020 gibt es ein nationales Register für diese Erklärungen, mit denen Bürger vorsorglich festlegen können, dass bestimmte medizinische Maßnahmen durchzuführen oder zu unterlassen sind, falls sie nicht mehr selbst entscheiden können.
Bisher gab es eine solche Datei nur auf Lokalebene, vorausgesetzt natürlich, dass wer eine Patientenverfügung aufgesetzt hat, diese auch bei seiner Wohngemeinde (kostenlos) registrieren lässt. Eine Patientenverfügung, und dies kann nicht oft genug betont werden, hat nichts mit aktiver oder passiver Sterbehilfe zu tun. Sie gibt dem einzelnen aber die Möglichkeit, über sein Lebensende hinsichtlich lebensverlängernder Maßnahmen zu bestimmen, solange er noch dazu in der Lage ist. In der Patientenerklärung kann außerdem die Zustimmung zur Organspende gegeben werden.
Viele gehen davon aus, dass eine Patientenverfügung nur eine Angelegenheit für ältere Menschen sei. Falsch. Auch ein junger Mensch kann nach einem Unfall in ein irreversibles Koma fallen. Eine Patientenverfügung sollte deshalb so früh wie möglich nach Erreichen der Volljährigkeit geschrieben werden. Im Lauf des Lebens kann sie dann den jeweiligen Umständen, den eigenen Überzeugungen und den neuesten Forschungsergebnissen angepasst werden.
Die Verfügung betrifft grundsätzlich zwei Entscheidungen: Möchte ich, dass alle medizinischen Möglichkeiten bis zum Ende ausgeschöpft werden, auch wenn eine Heilung ausgeschlossen ist oder möchte ich lebensverlängernde Maßnahmen verweigern, die im Grunde nur das Leiden verlängern, aber keine Lebensqualität mehr garantieren. In der Patientenverfügung wird keine Entscheidung über mögliche palliative Behandlungen getroffen. Die Palliativbehandlung ist ein Grundrecht eines jeden Menschen.
Worüber sich viele nicht im Klaren sind: Die Patientenverfügung greift nur in dem Augenblick, in dem der Betroffene durch Krankheit oder Unfall nicht mehr in der Lage ist, seinen Willen kundzutun und Entscheidungen zu treffen. Im Prinzip ist sie nichts anderes als eine vorweggenommene aufgeklärte Einwilligung wie sie im Krankenhaus vor Beginn einer jeden Therapie oder Operation unterschrieben werden muss. Sie ist in dieser Hinsicht nicht nur eine Entscheidung für einen selbst, sondern auch eine Hilfe für die Angehörigen. Entscheidungen über eine Fortsetzung oder die Beendigung von Therapien bzw. lebensverlängernden Maßnahmen bei Patienten, die selbst nicht mehr in der Lage sind zu entscheiden, ist für die Familie, den Partner in einer ohnehin von Schmerz geprägten Situation, oft eine fast nicht zumutbare Anforderung.
Wer sich für eine vorgedruckte Patientenverfügung entscheidet, ist angehalten für drei Situationen im Voraus zu entscheiden: eine unheilbare schwere Krankheit im Endstadium, ein irreversibles Komas oder eine fortgeschrittene Demenzerkrankung. Jeder Bürger kann mit einer Patientenverfügung bestimmen, ob er auf lebensverlängernden Maßnahmen wie künstliche Versorgung mit Nahrung und Flüssigkeit, Verabreichung von Antibiotika, künstliche Beatmung oder der Fortsetzung von Therapien bzw. chirurgischen Eingriffen beharrt, auch wenn eine Heilung ausgeschlossen und eine menschenwürdige Lebensqualität nicht mehr gegeben ist oder ob er dem Sterben seinen natürlichen Lauf lassen möchte.
Mit Inkrafttreten des Gesetzes 209 am 31. Januar 2018 haben Patientenverfügungen Rechtskraft. Das heißt, die Ärzte sind angehalten, sich an diese Dispositionen zu halten, es sei denn, seit der Unterzeichnung der Verfügung sind Forschungsergebnisse erzielt worden, die dem Patienten eine relative Lebensqualität gewährleisten. Behandelnde Ärzte, die aus religiösen oder ethischen Überzeugungen die Patientenverfügung nicht anerkennen, müssen sich durch einen anderen Kollegen ablösen lassen.
Patientenverfügungen können beim Hausarzt, bei chronischen Patienten auf der entsprechenden Fachabteilung des Krankenhauses wie z. B. der Onkologie, bei einem Notar (kostenpflichtig) oder beim Meldeamt der Wohngemeinde (kostenfrei) registriert werden. Es wird empfohlen, in der Verfügung einen oder auch zwei Vertrauenspersonen als Garanten für die Durchführung dieses Willens zu benennen. Die Verfügung kann schriftlich oder auch in Form eines Videos verfasst werden (bei zurechnungsfähigen Personen, die nicht mehr in der Lage sind, zu schreiben). Es empfiehlt sich, die Patientenverfügung zusammen mit dem Hausarzt bzw. mit einer fachlich kompetenten Person auszufüllen und dann beim Standesamt oder bei einem Notar registrieren zu lassen. Neben der Vertrauensperson sollte der Betreffende selbst eine Kopie an einem gut zugänglichen Ort aufbewahren, bzw. mit sich führen.
Die Notare haben sich seit Inkrafttreten des Gesetzes 2018 für die Schaffung eines nationalen Registers eingesetzt. Der Vorteil liegt auf der Hand. Wer z. B. nicht in seiner Wohngemeinde, sondern irgendwo auf dem Staatsgebiet einen schweren Unfall erleidet oder durch einen Eingriff plötzlich seiner Entscheidungsfähigkeit beraubt wird, kann damit sichergehen, dass seine Bestimmungen dennoch zur Kenntnis genommen und respektiert werden. Nicht immer ist Zeit, um den Konsens der Angehörigen einzuholen. Die im nationalen Register aufgenommen Patientenverfügungen stehen online Ärzten und Krankenhäusern zur Verfügung. Es ist zudem vorgesehen, dass die Betroffenen selbst und auch die Vertrauensperson einen geschützten Zugang erhalten werden, um diese jederzeit einsehen zu können.
Alle nach dem 1. Februar 2020 beim Standesamt oder bei Notaren registrierten Patientenverfügungen müssen bis 31. März automatisch bei dem nationalen Register gemeldet werden. Die beglaubigten Kopien der Patientenverfügungen müssen bis spätesten 31. Juli digital an das Register weitergeleitet werden. Wer eine nationale Erfassung seiner Patientenverfügung nicht wünscht, muss dies bei der Registrierung explizit angeben. In Zukunft soll die Patientenverfügung in die elektronische Patientenkartei aufgenommen werden. Damit wäre sie automatisch auch auf der Sanitätskarte gespeichert und abrufbar. In Italien haben bisher nur ca. 0,7 Prozent der Bevölkerung eine Patientenverfügung verfasst und registrieren lassen. In Bozen sind seit dem Stichtag 1. Februar 2018 beim Meldeamt 610 Patientenverfügungen registriert worden, in Meran ungefähr zweihundert, seit Einführung des Nationalen Registers sind weitere zwei dazu gekommen. Die Südtiroler Notare haben vergangenes Jahr 30 Verfügungen beurkundet.