Aktuell

Die (Strahlen)Therapie der Zukunft

Radioonkologie in der Euregion – Gemeinsame Nutzung von Ressourcen
Die Radiotherapie nimmt in der Behandlung von Krebserkrankungen eine immer größere Rolle ein. Dank der technischen Entwicklungen in diesem Spezialfach, neuer Technologien und einer verbesserten Bestrahlungsplanung kann mit einer immer höheren Präzision und Strahlenkraft gefahren werden. Neue Strahlenqualitäten und die Kombination mit anderen Therapieformen bedingen nicht nur bessere Behandlungsergebnisse, sondern auch eine Verringerung der Nebenwirkungen. Eine EUREGIO Tagung in der EURAC Bozen befasste sich am 5. Oktober mit dem Thema Strahlentherapie bis 2030.
Die Krebstherapie hat sich im letzten Jahrzehnt deutlich verändert – die Chemotherapie kann heute schon teilweise oder ganz durch Immuntherapie ersetzt werden; die Chirurgie wird zunehmend minimal invasiv und mittels Robotik durchgeführt; die Radiotherapie ist wichtiger Bestandteil vieler onkologischer Behandlungen und wurde im letzten Jahrzehnt revolutioniert. Online-Bildgebung, immer größere Präzision verbunden mit einer Dosissteigerung ohne gesundes Gewebe zu schädigen, neue Strahlenqualitäten (Protonen, schwere Ionen) und die Kombination radioonkologischer Verfahren mit neuen Immuntherapien führen zu vielversprechenden Ergebnissen.
Der größte Teil dieser radioonkologischen Neuerungen ist in der EUREGIO grundsätzlich vorhanden. Wie sich die Krebstherapie in den nächsten Jahren bis 2030 entwickelt und wie eine gemeinsame Nutzung von speziellen Ressourcen konkret organisiert werden kann, ist allerdings noch unklar. Die Tagung in der EURAC, an der namhafte Strahlentherapie-Experten aus dem In-und Ausland teilnahmen, sollte dazu beitragen, offene Fragen zu klären, Lösungsmöglichkeiten für eine optimale Versorgung onkologischer Patienten in der EUREGIO im Jahr 2030 anzuregen und deren Umsetzung gegebenenfalls in die Wege zu leiten.
Am runden Tisch
Dr. Martin Maffei, Primar der Abteilung für Strahlentherapie in Bozen hat die Tagungsergebnisse kurz zusammengefasst: Die radioonkologische Therapie ist in der multidisziplinären Behandlung neoplastischer Erkrankungen wesentlicher und unverzichtbarer Bestandteil. Die Strahlentherapie kann schon heute auf Hochleistungsgeräte zurückgreifen, welche gezielte Therapien ermöglichen, gesundes Gewebe schützen und akute und Spät-Nebenwirkungen reduzieren. Eine Therapie, die sich ständig weiterentwickelt und bereits in naher Zukunft weitere wichtige Innovationen vorsieht. Die Tagung am 5. Oktober in Bozen, eine gelungene Mischung aus Rundem Tisch und Ausblick auf die Innovationen der Zukunft, war eine Gelegenheit zum Austausch und zu einer Bestandsaufnahme, was Tirol, Südtirol und Trentino im nächsten Jahrzehnt in Bereich der Krebstherapie erwartet, insbesondere in Bezug auf die Strahlentherapie.
Mit Sicherheit wird es Bestrebungen geben, die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Strahlentherapie- Abteilungen der Euregio zu verbessern, auch mit der Protonentherapie in Trient. Ein Austausch von Fachärzten und Ärzten in Ausbildung, würde nicht zuletzt auch den Standort Bozen attraktiver für die Anwerbung von Ärzten machen. Nach den aktuellen Daten und der voraussichtlichen Entwicklung der Krebserkrankungen, ist es unerlässlich, in einen weiteren Ausbau der Strahlentherapie Bozen zu investieren, um den Bedarf auch in Zukunft zu decken.
Experten aus dem In- und Ausland haben Innovationen im Bereich der Forschung und der onkologischen Strahlentherapie mit Photonen und Protonen sowie die Synergien zwischen Radiotherapie und der Behandlung mit neuen onkologischen Arzneimitteln vorgestellt. Die Tagung war nicht nur an ein fachspezifisches Publikum gerichtet, sondern gab auch interessierten Bürgern die Möglichkeit, einen einen Blick in die Zukunft der Krebstherapien werfen.“
Die Teilnehmer der Tagung:
Prof. Dr. Peter Lukas, Prof. Dr. Stefano Maria Magrini (Präsident Airo), Dr. Luigi Tomio (ehm. Direktor Radioonkologie Trient), Prof. Dr. Ute Ganswindt, Direktorin Universitätsklinik für Strahlentherapie-Radioonkologie Innsbruck, Dr. med. Valentina Vanoni, Direktorin Radioonkologie Trient, Dr. med. Martin Maffei, Primar Dienst für onkologische Strahlentherapie des Sanitätsbetriebs Bozen, Dr. med. Maurizio Amichetti, Direktor des Protonentherapie Zentrums in Trient, Dr. Alexander De Vries, Direktor Radioonkologie und Strahlentherapie – LKH Feldkirch, Dr. Markus Haller - Direktor (geschäftsf.) Dienst für medizinische Strahlenphysik - Sanitätsbetrieb Südtirol, - Prof. Dr. Mischa Hoogeman, Leiter der Medizinischen Physik und Informatik - Holland PTC Delft / Erasmus MC Rotterdam, - Prof. Dr. Daniel Zips, Direktor Universitätsklinik für Radioonkologie - Tübingen, Prof. Dr. Frank Lohr, Direktor Radioonkologie - Poliklinik Modena, Dr. Ira-Ida Skvortsova, Universitätsklinik für Strahlentherapie-Radioonkologie Innsbruck, Dr. Marco Schwarz, medizinische Strahlenphysik des Protonentherapie Zentrums in Trient

Aktuell

Keine Angst vor Strahlen

Strahlentherapie ist die Therapie der Zukunft – Effizienz und Lebensqualität
In der EURAC in Bozen fand Anfang Oktober eine Tagung zum Thema Strahlentherapie statt. Experten aus Italien, Österreich und Deutschland stellten die neuesten Entwicklungen in ihrem Sektor vor. Dr. Martin Maffei, in der Zwischenzeit zum Primar der Abteilung Strahlentherapie ernannt, hat die Tagung mit vorbreitet und geleitet. Die Abteilung Strahlentherapie befindet sich in Bozen in der Bonvicini-Klinik und verfügt über drei moderne Linearbeschleuniger.
Chance: Dr. Maffei, der Strahlentherapie wird in den nächsten Jahren eine immer wichtigere Rolle in der Krebstherapie zukommen. In den letzten Jahren wurden auf diesem Gebiet noch vor wenigen Jahren unvorstellbare Fortschritte erzielt. Wie steht Südtirol da?

Dr. Martin Maffei: Die Krebsinzidenz wird in den nächsten Jahren steigen, parallel zur Alterspyramide. Wir rechnen mit 25% bis 30% Mehrerkrankungen. Wir werden in Kürze unser letztes altes Bestrahlungsgerät, das 15 Jahre alt ist ersetzen und in nicht allzu ferner Zukunft einen vierten Linearbeschleuniger in Betrieb nehmen.
Chance: Was ist genau ein Linearbeschleuniger?
Dr. Martin Maffei: Einfach erklärt, handelt es sich um ein Gerät das Elektronen beschleunigt. Diese werden dann abgebremst und daraus entstehen hochenergetische Photonen (Elektromagnetische Strahlung). Am Kopf des Bestrahlungsgerätes gibt es dann eine Reihe von Vorrichtungen um diese Strahlung zu modulieren und einen modernen Bestrahlungsplan zu erstellen.
Chance: Wie viele Menschen können Sie damit behandeln?
Dr. Martin Maffei: Mit vier Linearbeschleunigern kommen wir auf 1.200 Patienten im Jahr. Der Vorteil von diesen modernen Geräten ist nicht nur die höhere Effizienz, sondern auch das Mehr an Zeit, das wir in unsere Patienten investieren können. Keiner von uns ist glücklich mit „flott flott“. Wenn die Abläufe nicht mehr so eng gesetzt sind, weil die neuen Linearbeschleuniger effizienter und schneller arbeiten, werden wir mehr freie Termine haben.
Chance: Wir setzen Sie das Mehr an Zeit ein?
Dr. Martin Maffei: Das Mehr an Zeit setzen wir für die Patienten ein. Dies gibt uns mehr Zeit für Gespräche und für die Supportivtherapie, also die Behandlung von Nebenwirkungen unserer onkologischen Therapien. Unsere Tätigkeit ist ausgesprochen technisch, es handelt sich um den Einsatz von großen Geräten und genau aus diesem Grund ist es wichtig, menschliche Nähe zu schaffen und Zeit in den Patienten zu investieren, um auf seine Ängste und Sorgen eingehen zu können, für die Beantwortung seiner Fragen, für den Aufbau einer Beziehung. Wir sind sehr bemüht, um den direkten Kontakt zu unseren Patienten. Auch sind wir froh um Aktivitäten wie z. B. Drachenboot, bzw. wir organisieren, zusammen mit der Südtiroler Krebshilfe, Malkurse und Bewegungstherapien. Wir versuchen, den Umständen entsprechend, eine möglichst entspannte Atmosphäre zu schaffen.
Chance: Wie viele Patienten haben sie 2019 behandelt?
Dr. Martin Maffei: Nach unseren Hochrechnungen kommen wir ungefähr auf 1.100 im Jahr. Die Patienten aus Südtirol, die sich einer Brachytherapie unterziehen müssen, gehen nach wie vor nach Trient. Das sind allerdings nicht viele. Wir können in Bozen Patienten mit Brustkrebs, HNO-Tumoren, Lymphomen, Lungentumoren, Prostatakrebs und Gehirntumoren behandeln. Die Zusammenarbeit mit unseren Zuweisern, also den Abteilungen und Ärzten, aus den Krankenhäusern, die uns die Patienten zur strahlentherapeutischen Behandlung schicken, funktioniert wunderbar.
Chance: Radiotherapie wird immer mehr auch zur Radiochirurgie?
Dr. Martin Maffei: Genau, wir können zum Beispiel dank der einmaligen oder fraktionierten Radiochirurgie gewisse Gehirntumore oder Metastasen in einer bis fünf Sitzungen behandeln. Die stereotaktische Bestrahlung kann auch vereinzelt die Immuntherapie verstärken und kommt immer mehr zur Anwendung bei Patienten mit bis zu fünf Metastasen. Die stereotaktische Strahlentherapie wird in Zukunft eine immer größere Bedeutung in der Krebsbehandlung – und nicht nur – einnehmen und ist zudem eine Methode, die es ermöglicht, die Patienten schonend zu behandeln. Die fraktionierte stereotaktische Strahlentherapie mittels Linearbeschleuniger ermöglicht es uns, malignes Gewebe im Körper des Patienten mit einer Lagerungsgenauigkeit von nur wenigen Millimetern bis im sub-millimetrischen Bereich zu bestrahlen. Dank der millimetergenauen Präzision und einer Reihe von weiteren veränderbaren Variablen am Linearbeschleuniger können kleine Tumore oder Metastasen mit einer viel höheren Dosis bestrahlt und dabei das umliegende gesunde Gewebe besser geschont werden. Dadurch reduziert sich nicht zuletzt auch die Dauer der Strahlentherapie, im günstigsten Fall von einem Monat auf nur wenige Tage, und dies wiederum bedeutet für den Patienten nicht nur weniger Nebenwirkungen, sondern auch einen Gewinn an Lebensqualität!