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Von Hand zu Hand

Grippe: Impfung ist der beste Schutz, besonders bei geschwächtem Immunsystem
Fieber, Glieder- und Kopfschmerzen, Schwäche – das sind die typischen Beschwerden der Virusgrippe. Betroffen sind jedes Jahr und weltweit etwa 7% der Bevölkerung. Der häufig harmlos verlaufende virale Infekt kann bei Auftreten von Komplikationen zum Tod führen. Ärzte empfehlen deshalb Personen ab 65 Jahren und Menschen mit geschwächtem Immunsystem unbedingt die Grippeimpfung. Ein Gespräch mit Primar Dr. Kühebacher, Innichen.
Chance: Sie haben für die Südtiroler Krebshilfe einen Informationsabend zum Thema Grippeimpfung abgehalten…
Dr. Gottfried Kühebacher: Jedes Jahr von Januar bis März ist Hochsaison für die echte Virusgrippe, auch Influenza genannt, die von anderen Virusinfekten, den sogenannten grippalen Infekten, unterschieden werden muss. Und jedes Jahr ändert das Grippevirus sein Gesicht. Wir empfehlen allen Menschen über 65 und Menschen mit geschwächtem Immunsystem, zu denen auch Patienten mit Krebserkrankungen gehören, sich impfen zu lassen. Wer sich regelmäßig, also jedes Jahr impft, ist erfahrungsgemäß noch besser geschützt.
Chance: Ist das wirklich notwendig? Ein bisschen Fieber und Schmerzen und in einer Woche ist alles vorbei, denken viele.
Dr. Gottfried Kühebacher: Bei gesunden Menschen verläuft die Influenzainfektion in der Regel harmlos. Bei Menschen mit geschwächtem Immunsystem führt das Grippevirus oft zu schweren Verläufen, die mit Komplikationen verbunden sind, die fatal sein können. Jedes Jahr gibt es zahlreiche Todesfälle, und das nicht nur bei Pandemien wie z. B. der Chinesischen Grippe nach dem Ersten Weltkrieg, die viele Millionen von Opfern gefordert hat. Die saisonale Virusgrippe oder Influenza ist sehr ansteckend. Deshalb sollten Tumorpatienten sich unbedingt impfen lassen.
Chance: Und nicht nur…
Dr. Gottfried Kühebacher: Nein, auch den Familienangehörigen, mit denen die Tumorpatienten in engem Kontakt stehen, den Betreuungspersonen, dem ärztlichen und Pflegepersonal wird die Grippeimpfung empfohlen und kostenlos verabreicht. Selbstverständlich lasse auch ich mich jedes Jahr impfen.
Chance: Wann ist der beste Zeitpunkt für die Impfung?
Dr. Gottfried Kühebacher: So früh wie möglich, also ab Ende Oktober bis Anfang Dezember. Auch zu einem späteren Zeitpunkt ist die Impfung noch sinnvoll, allerdings läuft man ab Ende Dezember Gefahr, keinen Impfstoff mehr zu erhalten. Außerdem gilt es zu bedenken, dass der Impfschutz erst 14 Tage nach der Impfung zur vollen Geltung kommt.
Chance: Schützt die Impfung zuverlässig?
Dr. Gottfried Kühebacher: Sie schützt zwar nicht hundertprozentig, ist aber die Maßnahme, die den besten Schutz vor der Infektion bietet. Bei einer Infektion trotz Impfung verläuft die Erkrankung in der Regel wesentlich leichter.
Chance: Es gibt heute viele Impfgegner, die vor den Nebenwirkungen von Impfungen warnen.
Dr. Gottfried Kühebacher: Es gibt Nebenwirkungen, das stimmt, es gibt aber auch viele Falschmeldungen und viele Fehlinformationen. Und vor allen Dingen: Die Nebenwirkungen stehen in keinem Verhältnis zu den Schäden und Komplikationen der Infektionskrankheiten selbst. Impfungen sind ein Riesenerfolg. Es gibt Krankheiten wie z. B. die Kinderlähmung oder Polio, die durch Impfung praktisch ausgerottet werden konnten. Nur durch eine hohe Impfbeteiligung konnten und können verschiedene gefährliche Infektionskrankheiten zum Verschwinden gebracht werden. Somit dient die Impfung nicht nur dem Selbstschutz, sondern auch dem Schutz der Mitmenschen, stellt also einen Akt der Solidarität dar. Impfverweigerer profitieren vom solidarischen Verhalten der Menschen, die sich haben impfen lassen.
Chance: …und diese Krankheiten könnten wiederkommen?
Dr. Gottfried Kühebacher: Genau, das haben wir ja z. B. bei Masern gesehen. Durch den Rückgang der Impfungen kommt es in den vergangenen Jahren vermehrt zu Ausbrüchen dieser Kinderkrankheit, die oft schwere Verläufe zeigt und mit schweren Komplikationen, auch bleibenden Schäden verbunden sein kann.
Chance: Gibt es neben der Impfung noch andere Maßnahmen, um sich vor der Virusgrippe zu schützen?
Dr. Gottfried Kühebacher: Regelmäßiges Händewaschen und zwar mit Seife: Jedes Mal, wenn ich von draußen nachhause komme, wenn ich Hände geschüttelt habe, öffentliche Verkehrsmittel benutzt oder mich in großen Menschenansammlungen aufgehalten habe. Nicht in die Hände husten oder niesen, sondern in Papiertaschentücher oder in die Ellbeuge. Nach Kontakt mit möglicherweise infizierten Menschen nicht mit den Händen ins Gesicht fahren. Das Grippevirus wird über Tröpfcheninfektion übertragen. Und von Hand zu Hand! Ja, und ist man von der Grippe befallen, sollte man wirklich das Bett hüten und nicht zur Arbeit gehen oder in die Schule, um niemanden anzustecken. Die Virusgrippe kann im Wesentlichen nur symptomatisch behandelt werden, mit fiebersenkenden Mitteln oder Schmerzmitteln. Erst wenn es zu Komplikationen einer zusätzlichen bakteriellen Infektion kommt, z. B. einer Lungenentzündung, ist eine Behandlung mit Antibiotika erforderlich.
Chance: Bis vor wenigen Jahren hieß es, Krebspatienten dürfen sich nicht impfen lassen, weil das Immunsystem auf Dauer geschwächt ist und die Impfung die Krebszellen anregen könnte.
Dr. Gottfried Kühebacher: Das stimmt so nicht. Der Grippeimpfstoff ist ein Totimpfstoff. Und Totimpfstoffe können auch bei immungeschwächten Tumorpatienten problemlos verabreicht werden. Ebenso die Pneumokokkenimpfung, die als Einmalimpfung mit der Grippeimpfung kombiniert werden kann und soll. Vorsicht ist hingegen bei Lebendimpfstoffen geboten.
Chance: Was ist, wenn ein Krebspatient in chemotherapeutischer Behandlung steht?
Dr. Gottfried Kühebacher: Der beste Zeitpunkt für die Impfung wäre vier Wochen vor Beginn der Therapie. Aber das ist ja nicht immer absehbar. Ansonsten in der Pause zwischen zwei Behandlungszyklen. Das ist immer noch besser als keine Impfung.
Chance: Wenn ich mich bei Kälte und Feuchtigkeit bei geschlossenem Fenster zuhause einschließe, ist das aber auch kein Schutz, oder?
Dr. Gottfried Kühebacher: Das stimmt. Frische Luft, Bewegung, ausreichende Flüssigkeitszufuhr, gesunde, vitaminreiche Ernährung können auch vorbeugen. Aber trotzdem kann es auch den Allerstärksten erwischen. Nur dass dieser es in der Regel besser wegsteckt! Sich impfen, ist jedenfalls der beste Schutz für Menschen, die Risikogruppen angehören. Sich impfen, wenn man mit gefährdeten Menschen regelmäßig in Kontakt kommt, z. B. in Gesundheitsberufen oder in Lehrberufen, ist in meinen Augen eine soziale Verantwortung!

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Von wegen letzte Anlaufstelle!

Der Primar der Palliativbetreuung zu Gast in Neumarkt – Schmerzen und Lebensende
„Wir sind nicht die letzte Station vor dem Tod, Palliative Care ist ein aktiver therapeutischer Ansatz. Unser Ziel ist eine Verbesserung der Lebensqualität!” Der Primar des einzigen Dienstes für Hospiz und Palliativbetreuung in Südtirol, Dr. Massimo Bernardo, räumte gleich zu Beginn seines Vortrags mit falschen Vorstellungen auf. Dieser Dienst ist nicht nur terminalen Patienten in der letzten Lebensphase vorbehalten. Im Gegenteil: je eher man sich der Palliativbetreuung anvertraut, desto besser.
Ein Informationsabend am 4. Oktober anlässlich des Welt Hospiz- und Palliative Care-Tags, organisiert vom BezirkÜberetsch Unterland. Seit dem Jahr 2000 gibt es die Palliativbetreuung in Bozen für Schmerzpatienten und (auch, aber eben nicht nur) für terminale Patienten, Dr. Massimo Bernardo hat diesen Dienst aufgebaut. Er hat eine sanfte und beruhigende Stimme, ist empathisch und strahlt Vertrauen aus und es fällt nicht schwer, ihn sich an der Seite eines Patienten vorzustellen, dessen Schmerzen und psychologisches Leiden er lindern kann.
Gleich zu Beginn zitierte Dr. Bernardo einige Zahlen. Tumorerkrankungen sind nicht die erste Todesursache, 41% der Todesfälle sind auf Herz-Kreislauferkrankungen zurückzuführen. Krebs ist mit etwa 30% die zweithäufigste Todesursache, gefolgt von Erkrankungen der Atemwege und Demenz. Krebs entwickelt sich immer mehr zu einer chronischen Langzeiterkrankung. Der Dienst für Palliativbetreuung kümmert sich nicht nur um terminale Tumorpatienten, wie oft fälschlicherweise angenommen wird, sondern ganz allgemein um Schmerzpatienten, Patienten, die aufgrund von chronischen Erkrankungen wie Rheuma, Arthrose, Rückenschmerzen oder Neuropathien einer Schmerzbehandlung bedürfen. Um zu erklären, was genau die Funktion des Palliativdienstes ist, griff Bernardo auf Hippokrates zurück: „Die wichtigsten Ziele der Medizin sind den Schmerz betäuben und das Leiden des Kranken lindern. Schmerzmittel sind tatsächlich die ältesten Medikamente der Menschheit.“ Das Wort palliativ stammt von pallium ab, Lateinisch für Mantel. Bernardo: “Jeder von uns greift immer wieder ohne sich dessen bewusst zu sein, auf Palliativmittel zurück, nämlich jedes Mal wenn wir eine Tablette gegen Kopfschmerzen, Menstruationsbeschwerden oder Zahnschmerzen nehmen…”
Das Gesetz 38/2010, eine der wenigen, einstimmig verabschiedeten Gesetzesbestimmungen, sieht vor, dass in Italien jeder Bürger kostenlos Zugang zur Palliativbetreuung hat. Primar Bernardo: „Siebzig Prozent der Bevölkerung weiß nicht, dass das Recht auf palliative Behandlung zu den Menschenrechten zählt.“ In Südtirol, ist das entsprechende Gesetz 2015 in Kraft getreten. Palliativ Care ist Teil der Wesentlichen Betreuungsstandards (WBS /LEA).
Zum Dienst für Palliativbetreuung in Bozen gehört auch das Hospiz mit zehn Betten. Dies ist nun tatsächlich ein Rückzugsort für Menschen im terminalen Stadium. Im Jahr 2018 wurden 255 Patienten in der Abteilung im Krankenhaus behandelt, 450 weitere Patienten wurden hingegen zuhause behandelt. Der Dienst für Palliativbetreuung sieht auch Hausbesuche vor. “Unser Ziel ist vor allen Dingen eine Verbesserung der Lebensqualität“, betont Dr. Massimo Bernardo. Und dazu gehört, dass die Patienten so lange wie möglich in ihrer gewohnten Umgebung bleiben können. Eine Palliativbetreuung sieht zudem nicht nur die Verabreichung von Schmerzmitteln vor, sondern auch die soziale und psychologische Unterstützung der Patienten und ihrer Angehörigen. Eine umfassende Hilfe, um würdevoll schwierige Situationen zu durchleben.
Wenn für einen Patienten tatsächlich keine Heilung mehr zu erreichen ist, so Dr. Bernardo, darf sich der Arzt nicht besiegt fühlen. „Der Tod ist das Ende eines Weges, ein natürliches Ereignis, keine Niederlage.“ Dr. Bernardo mag den Begriff “terminal” nicht. “Wir sind doch alle auf dem Weg zum Tod, und das vom Tag unserer Geburt an. Jeder muss irgendwann sterben. Wichtig ist, diesen Tag so gut wie möglich zu erreichen.”
Das Ziel unseres Teams, so Bernardo, ist, dass die Patienten so aktiv wie möglich bleiben.“ In den 60 Jahren als die Palliative Care in England auf Betreiben von Cicely Saunders, zunächst Krankenschwester und Sozialassistentin und später Ärztin, entstanden sind, waren sie tatsächlich nur auf die sterbenden Patienten zugeschnitten. „Der Schmerz beginnt aber viel früher“, so Dr. Massimo Bernardo in Neumarkt, „Der Schmerz beginnt im Augenblick der Diagnosestellung.“ Deshalb sollten alle Abteilungen im Krankenhaus eng mit der Palliativbetreuung zusammenarbeiten, bzw. einen Palliativmediziner im Team haben. Die Wirklichkeit ist davon noch weit entfernt. In Südtirol gibt es bislang nur in Bozen den Dienst für Palliativbetreuung. Fünf Mediziner und sieben Krankenpfleger sind dort beschäftigt. Das Hospiz in Bozen verfügt über zehn Betten, das in Meran über neun. Zum Vergleich: In Trient gibt es drei Hospize mit 15 Ärzten.
Ein weiteres Problem: Die Palliativbetreuung ist noch nicht Teil der Ärzteausbildung, angehende Hausärzte verbringen allerdings einen Monat auf der Abteilung. „Sie sind später unsere wichtigsten Mitarbeiter auf dem Territorium”, unterstrich Dr. Bernardo. Die Palliativbetreuung ist nicht in den Vormerkdienst des Südtiroler Sanitätsbetriebs integriert. Dr. Bernardo: “Bei uns antworten die Ärzte direkt am Telefon, wir müssen sofort verstehen, ob die betreffende Person uns heute braucht, morgen oder bis nächste Woche warten kann.“
Das Thema Palliative-Care stößt auf großes Interesse