Aktuell

Der tiefe Blick ins Innere

Dr. Mohsen Farsad ist seit Juli Primar der Abteilung für Nuklearmedizin
Er ist ein Stratege, ein Problemlöser und ausgesprochen höflich. Das Wichtigste für ihn ist die menschliche Nähe zum Patienten und zu den Mitarbeitern. Dr. Mohsen Farsad ist seit Juli Primar der Abteilung für Nuklearmedizin am Krankenhaus Bozen. Zuvor hat er die Abteilung allerdings schon seit fünf Jahren als geschäftsführender Primar geleitet und seither wesentliche Neuerungen vorgenommen.
Mohsen Farsad spricht perfekt Deutsch, Italienisch und Englisch, auf Französisch kann er kommunizieren, seine Muttersprache ist Farsi. 1984 ist er im Alter von 14 Jahren von seiner Heimat Iran nach Deutschland ausgewandert. Nach der Hochschulreife in Deutschland nahm er sein Medizinstudium in Ancona und Bologna auf. Die Entscheidung für Medizin fiel nach einem freiwilligen sozialen Jahr, während dessen er mit Behinderten und Obdachlosen gearbeitet hatte. Seine Motivation ist einerseits wissenschaftlich, in einem Feld, das nahezu Tag für Tag mit neuen Erkenntnissen aufwartet, andererseits humanitär. „Die Nuklearmedizin und ihre Möglichkeiten sind einfach spannend. Was für mich aber noch viel wichtiger ist, ich komme jeden Tag hierher und mache etwas Konkretes für andere Menschen, kann ihnen helfen, ihr Problem zu lösen.“
Die Abteilung für Nuklearmedizin ist klein. Fünf Ärzte, sieben Techniker, zwei Physiker, zwei Apotheker und zwei Krankenschwestern. Sie liegt versteckt in einem Seitentrakt und steht nicht im Rampenlicht der öffentlichen Aufmerksamkeit, obwohl hier Medizin der Zukunft betrieben wird. Modernste Geräte, PET-CT und SPECT-CT erstellen nach Verabreichung leicht radioaktiv markierter Pharmaka Aufnahmen, die bösartige und gutartige Veränderungen aufzeigen, wie sie auch das effektive Funktionieren der Organe und die Früherkennung von Erkrankungen ermöglichen. Dieses Verfahren, erklärt Primar Farsad, ist nicht nur von größter Bedeutung bei der Erkennung und Bestimmung von vielen Tumorerkrankungen (z.B. Schilddrüse, Prostata, Gehirntumor, Lymphome, Lungenkrebs, Brustkrebs), sondern auch für die Diagnose von Demenz bzw. Alzheimer oder neurologischen Erkrankungen (z. B. Parkinson und Parkinsonsyndrome). „Die PET CT beruht auf einer einfachen Idee, die aber wunderbar funktioniert. Nicht nur für die erste Diagnose. Im Verlauf der Behandlung lässt sich dank dieser Technik erkennen, wie der Patient auf die Therapie anspricht und ob und wie sich die Tumormasse verringert.“
Mittels der Szintigraphie, einem weiteren nuklearmedizinischen Funktions- und Lokalisationsverfahren, wo Patienten nach Verabreichung von Radiopharmaka mit einer Gammakamera untersucht werden, können Funktions-Störungen von Organen wie Nieren oder Herz bzw. Entzündungsherde und Metastasen, zum Beispiel im Skelett, nachgewiesen werden.
Die Abteilung für Nuklearmedizin in Bozen ist in Italien führend in der Erfassung und Beurteilung von dementiellen Erkrankungen und steht in engem Kontakt mit den Kollegen der Memory-Klinik. Dank der frühen Diagnose und der genauen Bestimmung der betroffenen Zonen im Gehirn, kann dem degenerativen Prozess entgegengesteuert werden.
In den letzten Jahren ist die Nuklearmedizin auch in der Therapie von immer größerer Bedeutung, vor allem von Patienten mit Schilddrüsenkarzinom oder gutartigen Veränderungen wie Schilddrüsenüberfunktion. Seit 2016 ist die Abteilung Therapiestation für Schilddrüsentumor-Patienten, die sich einer Radio-Jod-Therapie unterziehen und bis zu diesem Datum dafür nach Innsbruck oder in norditalienische Kliniken ausweichen mussten. „Was für die Patienten nicht nur ein enormer Zeitaufwand und Stressfaktor, sondern auch mit erheblichen Kosten verbunden war“, betont Dr. Mohsen Farsad. „Alle Patienten mit Schilddrüsentumor können jetzt komplett in Bozen behandelt und auch nachbehandelt werden.“
Schilddrüsentumore sind bei Früherkennung sehr gut heilbar und als Todesursache selten. Nach fünf Jahren sind über 90% der Patienten noch am Leben. Ebenfalls 2016 wurde das monatliche Tumorboard zusammen mit Endokrinologen, Chirurgen, Pathologen und HNO-Ärzten eingeführt. Auch neoendokrine Tumore (Tumore, die sich aus hormonproduzierenden Zellen entwickeln) sprechen auf eine nuklearmedizinische Behandlung gut an. Prostata-Patienten dürfen im Gegensatz zu Deutschland und Österreich in Italien zurzeit noch nicht mit Radiopharmaka behandelt werden. Schon in naher Zukunft, so Primar Farsad, wird die nuklearmedizinische Behandlung aber zunehmend die systemische (Chemo)Therapie ergänzen, wenn nicht ersetzen. „Es ist nicht nur eine außerordentlich effiziente Therapie, die individuell auf jeden einzelnen Patienten abgestimmt ist, sie hat auch nur sehr geringe Nebenwirkungen und ist kaum invasiv.“
Die Abteilung für Nuklearmedizin steht nicht in direktem Kontakt mit dem Patienten. Termine werden ausschließlich über Anfrage von Ärzten und nicht an Private vergeben. Dr. Mohsen Farsad: „Eine PET CT ist auf jeden Fall immer eine zweite Untersuchung, nach der radiologischen Abklärung. Wir haben ganz detaillierte Zuweisungsformulare eingeführt, damit wirklich nur jene Patienten, die dieses Verfahren tatsächlich benötigen, zu uns kommen. Es kommt durchaus auch vor, dass wir Zuweisungen ablehnen, weil wir sie nicht für notwendig erachten.“
Primar Mohsen Farsad ist es auch ein Anliegen, Aufklärung zu betreiben. „Wir bieten z. B. Fortbildungen für Haus- und Fachärzte an und bemühen uns darum, Kollegen anderer Fachgebiete mit der Nuklearmedizin und ihren Möglichkeiten vertraut zu machen.“ Die Befunde werden generell gemeinsam und innerhalb von 24 Stunden beurteilt. „Unsere Devise ist, stets freundlich und disponibel zu sein und dem Patienten unnötige Wartezeiten zu ersparen,“ unterstreicht Dr. Farsad. Für Brustkrebspatientinnen, die eine Knochenszintigraphie oder Wächterlymphknoten-Scintigraphie durchführen müssen, gibt es eine extra Warte-Schiene.
Farsad hat in den letzten Jahren die gesamte Abteilung nach den Bedürfnissen von Patienten und Mitarbeitern umgestaltet. Das ehemalige Arbeitszimmer des Primars ist heute eine Bibliothek, es gibt einen Versammlungsraum und eine kleine Teeküche. Der Raum für die Auswertung der Bilder wurde erweitert, um mehreren Kollegen gleichzeitig Platz zu geben, ebenso der Raum, indem die Radiopharmaka vorbereitet werden. Das Arbeitsklima ist entsprechend gut. „Bei uns geht keiner weg und wir haben extrem wenig Krankmeldungen, jeder Mitarbeiter ist hochmotiviert“, betont Farsad.
Auch die Warteräume der Patienten bezeugen das besondere Augenmerk auf Atmosphäre. Die Behandlung mit Radiopharmaka bringt eine längere Verweildauer mit sich, deshalb sind die beiden getrennten Warteräume (für Tagespatienten und für Patienten, die zwei Tage isoliert auf der Abteilung verbleiben) entsprechend eingerichtet: mit Pflanzen und gut gefüllten Bücherregalen, die Abteilung ist an mehrere Zeitschriften und Zeitungen abonniert und immer wieder werden die Räume für Fotoausstellungen genutzt.
Dr. Mohsen Farsad mit Mitarbeitern an der Gamma Kamera, wo die Szintigraphie - Untersuchung durchgeführt wird

Aktuell

Selten aber tückisch

Hirntumor erfasst das Zentrale Nervensystem – Häufiger in Form von Metastasen
Als Primärtumor ist der Hirntumor selten, er erfasst mit dem Zentralen Nervensystem das zentrale Steuersystem und das Zentrum, das das ganze Sein eines Menschen bestimmt. Das Gehirn. Wesentlich häufiger treten hingegen Gehirnmetastasen als Folge einer Reihe von primären Tumorerkrankungen auf. Dr. Andrea La Licata ist in der Abteilung für Neurologie für die Tumorpatienten zuständig, die er gemeinsam mit der Onkologin, Dr. Cristina Dealis betreut.
Die Abteilung für Neurologie befasst sich mit der Diagnostik und der Therapie der wichtigsten Erkrankungen des Zentralen Nervensystems wie z. B. Epilepsie, Parkinson, Meningitis, Demenz, Tumor, neuro-muskulären Krankheiten, Multiple Sklerose u. a. m. In der Stroke Unit, einem multidisziplinären Exzellenzzentrum, werden Schlaganfall-Patienten behandelt. Dr. Francesco Teatini ist seit November Primar der Abteilung. Zuständig für die Behandlung von Patienten mit Gehirntumor ist Dr. Andrea La Licata.
Gehirntumore werden nach den Zellen, aus denen sie entstehen, eingeteilt. Etwa 40% der Gehirmtumore sind sogenannte Gliome. Tumore, die sich aus den Gliazellen entwickeln, dem Stütz- und Nährgewebe der Nervenzellen. Sie treten meist im Gehirn auf, können aber auch die Hirnhäute, das Rückenmark oder das Kleinhirn betreffen. „Unter den Gliomen ist wiederum das Glioblastom die häufigste Form”, erklärt Dr. La Licata. „Etwa 5 von 100.000 Personen sind davon betroffen.” Es handelt sich hierbei um die aggressivste Form von Gehirntumor, die Lebenserwartung liegt bei 12 – 15 Monaten. Die Prognose bei den anderen Formen des Glioms ist etwas besser. “Es hängt von der Differenzierung, also der Entwicklung der Zellen ab sowie von der Lage und der Ausdehnung. Menschen erkranken vorwiegend im Kindesalter oder aber in einem Alter von über 60 Jahren an Hirntumoren. Da es sich um eine sehr seltene Tumorform mit sehr unterschiedlichen Symptomen handelt, ist eine Früherkennung praktisch unmöglich.
Die Onkologin Dr. Cristina Dealis und der Neurologe Dr. Andrea La Licata behandeln die Hirntumor-Patienten im Team
Welche Symptome können auf einen Gehirntumor hinweisen? „Das ist ganz unterschiedlich”, erklärt Dr. La Licata. „Häufige Kopfschmerzen, die nicht auf Schmerztabletten ansprechen, Schwindel, Sehstörungen oder Störungen der Koordination, Sprechstörungen oder Störungen der Sensibilität, epileptische Anfälle… Das hängt von der Stelle im Gehirn ab, wo sich der Tumor entwickelt.“ Ein Tumor, der sich im Hinterhauptlappen des Gehirns entwickelt, kann z. B. Sehstörungen hervorrufen. In der Großhirnrinde hingegen führt er zu motorischen Störungen. Je nach Lage, kann ein Tumor auch Ursache von psychiatrischen Phänomen sein, Veränderungen der Persönlichkeit, Apathie oder Depression verursachen.
Die Ursachen und Risikofaktoren der Hirntumor sind noch weitgehend unbekannt. „Ob elektromagnetische Wellen, wie sie z. B. Handys ausstrahlen bei der Entwicklung eines Hirntumors eine Rolle spielen, wird von den Forschern und Wissenschaftlern diskutiert, ”, erklärt Dr. Cristina Dealis, die sich unter dem onkologischen Aspekt um die Gehirntumor-Patienten kümmert. „Aber es scheint, dass bis heute ein direkter Zusammenhang nicht nachgewiesen werden konnte.”
Die wichtigsten Untersuchungen zur Diagnose eines Gehirntumors sind die Magnet-resonanz, die Computer Tomographie, CT oder die Positronen-Emissions-Tomografie, PET CT. Zur Sicherstellung der Diagnose wird im Rahmen der operativen Entfernung des Tumors durch den Neurochirurgen eine Gewebsprobe für eine genaue Zellanalyse durch den Pathologen entnommen. „Je besser wir den Tumor und seine Zellstruktur bestimmen können“, unterstreichen der Neurologe Dr. Andrea La Licata und die Onkologin Dr. Cristina Dealis, „desto besser können wir die Therapie auf den einzelnen Patienten abstimmen.“
Je nach Ergebnis von Operation Biopsie wird der Patient einer unterzogen. Ein Problem der Behandlung von Hirntumoren sei die Blut-Hirn Schranke. “Sie soll das Gehirn vor Krankheitserregern und Giftstoffen schützen, aber sie ist auch eine Barriere gegen die in den Medikamenten enthaltenen Substanzen.”
Nach der chirurgischen Entfernung können die meisten Patienten in den Krankenhäusern von Meran, von Brixen oder Bruneck weiterbehandelt werden.
Jeweils am Montag tritt das neurologische Tumorboard zusammen, an dem neben dem Neurologen La Licata und der Onkologin Dealis auch ein Neurochrirug, ein Radiologe, ein Neuropsychiater, ein Pathologe, ein Facharzt für Strahlentherapie sowie ein Facharzt für Nuklearmedizin teilnehmen. Im Anschluss findet die neuro-onkologische Sprechstunde statt, wo den Patienten das Ergebnis der multidisziplinären Sitzung mitgeteilt und die Therapie erklärt wird.
„Absoluten Vorrang hat bei uns der Patient mit seinen spezifischen Bedürfnissen”, betonen Dr. Dealis und Dr. La Licata. „Für jeden wird die für ihn bestmögliche Therapie individuell zusammengestellt.“ Auch oder gerade weil die Prognose bei bösartigen Hirntumoren nicht sehr positiv sei, ziele die Therapie vor allem auf eine Verbesserung der Lebensqualität ab.
Die Therapie von Hirnmetastasen, die die häufigste Form von Hirntumoren darstellten, erklärt Dr. La Licata, hänge in erster Linie vom Primärtumor ab, z. B. Lungenkrebs, Brustkrebs, Krebsformen des Magen-Darm-Trakts oder das Melanom. Je nach Diagnose werden Metastasen neurochirurgisch, mit Strahlentherapie oder Strahlenchirurgie bzw. Chemotherapie behandelt.
Dr. Andrea La Licata und Dr. Dealis: „Die Bildung von Metastasen im Gehirn bedingt im Allgemeinen eine Revision der ursprünglichen Therapie für den Ursprungstumor." Bei der Entscheidung für die Therapie von Metastasen im Bereich des Zentralen Nervensystems wägt das Behandlungssteam unterschiedliche Faktoren ab, wie Alter des Patienten, Art des Tumors, Lage und Zahl der Metastasen, bzw. Präsenz von Metastasen an anderen Stellen sowie den Allgemeinzustand des Patienten. Die Therapie von Metastasen im Gehirn ist vor allem auch palliativ, d. h. sie zielt auf eine Linderung der Symptome ab. Nicht alle Hirntumore sind bösartiger Natur. So sind z. B. die Meningeome, die etwa 15% aller Hirntumore ausmachen, meist gutartig und dementsprechend verbessert sich die Diagnose.
Auch bei gutartigen Tumoren hängt die Therapie aber von der Lage und Größe des Tumors, sowie von den durch den Tumor verursachten neurologischen Symptomen ab. In den meisten Fällen ist eine operative Entfernung des Tumors oder eine radiochirurgische Behandlung (z. B. gamma knife) ausreichend und führt zur Heilung.
Die genaue Lage eines Hirntumors bzw. von Hirnmetastasen wird durch eine nuklearmedizinische Untersuchung abgeklärtDie genaue Lage eines Hirntumors bzw. von Hirnmetastasen wird durch eine nuklearmedizinische Untersuchung abgeklärt