Aktuell

Cannabis – Was hat es damit auf sich

Info-Nachmittag in Passeier – Der erste Cannabis-Patient in Italien – Nutz-Hanf-Anbau im Labor
„Getraut's enk - mir sein für enk do“ unter dieser Formel lädt die Gruppe Passeier der Krebshilfe jeden Mittwoch in das alte Gemeindehaus von St. Leonhard ein. Am 10. Oktober ging es um Hanf als Nutzpflanze und als Medikament bei Krebskranken und Schmerzpatienten in einem Vortrag von Stefano Baldo, der erste mit Hanf behandelte (Krebs)Patient in Italien und Markus Trojer, Produzent von Raumduft-Hanf.
Wie bei allen Treffen in Passeier galt die Einladung nicht nur für Betroffene und Mitglieder der Krebshilfe, sondern auch für Freunde und Familienangehörige. Der Nutzen von Hanf ist im Augenblick sehr in Mode gekommen, da ist es gut, sich über dieses komplexe Thema zu informieren, vor allem um Sachverhalte klarzustellen und keine falschen Hoffnungen entstehen zu lassen.
Stefano Baldo, der seit 2005 mit der Diagnose Krebs lebt und auch an Multpler Sklerose und Diabetes leidet, erzählte seine Geschichte und die Teilnehmer bewunderten seinen Mut und seinen Lebenswillen.
Markus Trojer ging das Thema von der wissenschaftlichen Seite an und erklärte den Unterschied zwischen Industriehanf, medizinischem Hanf und Hanf als Rauschmittel (s. nebenstehenden Artikel, Anm. d. Red.). Er hatte Broschüren und informative Zeitschriften zum Thema mitgebracht, außerdem eine Hanfpflanze aus seinem Anbau unter Laborbedingungen von Hanf als Raumduft sowie einige Produkte, wie Öl für Aromatherapie oder Massageöl. Dem nicht als Rauschmittel geltendem Wirkstoff CBD im Hanf werden entzündungshemmende Wirkungen zugeschrieben.
Stefano Baldo – Der erste Cannabis-Patient in Italien
Heute ist er 54 Jahre alt, krank ist er seit seinem 25. Lebensjahr. Stefano Baldo ist einer jener Patienten, die einen Krankheitsverlauf haben, der sich medizinisch nicht erklären lässt. Diabetes Typ 1, Multiple Sklerose und dann 2005 auch noch die Diagnose Lymphdrüsenkrebs. Nach Operation und Chemotherapie hatte er 2008 einen Rückfall. Er ist der erste Patient in Italien, der ein THC- und CBD-haltiges Medikament auf Basis von Cannabis verschrieben bekommen hat und nimmt seither jeden Tag Cannabis zu sich, um seine krankheitsbedingten Schmerzen und Krämpfe in Schach zu halten. Dank dieser Therapie, sagt er, kann er schlafen und hat auch seine Depression besiegt. Er hat aus seiner eigenen Lebenserfahrung eine Mission gemacht. Stefano Baldo ist Vizepräsident der ACT, einer Vereinigung, die sich für den therapeutischen Einsatz von Hanf stark macht und nicht für eine Legalisierung des Hanfanbaus, wohl aber für eine andere Reglementierung eintritt. „Damit in Italien pharmazeutischer Hanf mit den Wirkstoffen THC und CBD nicht nur im chemisch-pharmazeutischen Labor des Militärs in Florenz, sondern auch von kontrollierten privaten oder öffentlichen Einrichtungen wie etwa der Laimburg, angebaut werden darf.“ Außerdem ist er Vizepräsident des Bozner Cannabis Social Club. „Ich bin mir bewusst, dass diese Therapie nicht für alle Patienten gut geht“, betont Baldo, „und dass sie unter strenger ärztlicher Kontrolle zu stehen hat.“ Er bedauert, dass es noch keine klinischen Forschungen über die Wirkungen von Cannabis gebe. Stefano Baldo bezeichnet sich selbst trotz seiner sehr behindernden Krankheit als glücklichen und heiteren Menschen. „Ich wähle mir gut die Menschen aus, mit denen ich Zeit verbringe, ich schaue mir keine brutalen Filme an, ich male, ich meditiere, ich habe ein harmonisches Privatleben und ich bin zufrieden.“
Markus Trojer – Nutz-Hanf unter Laborbedingungen
Seine Arbeit in einer Bank hat er aufgegeben, um sich auf ein Abenteuer einzulassen. Die Produktion von Hanf unter Laborbedingungen für den Nutzen als Raumduft. Hanf oder Cannabis also, der weniger als 0,6% THC enthält, wie der psychogene Wirkstoff der Hanfpflanze heißt, der zusammen mit dem Wirkstoff CBD den Hanf nicht nur zur Nutz- und Industriepflanze, sondern auch zum Arzneimittel oder zur Droge macht.
Ursache ist Trojers Schwiegermutter, die vor acht Jahren an Multiple Sklerose erkrankte. Die traditionelle Behandlung mit Interferon sprach bei ihr nicht an, sie litt unter Schmerzen, Depression und chronischer Schlaflosigkeit. Seit sie medizinischen Hanf einnimmt, hat sich ihr Gesamtzustand verbessert, die Schmerzen nachgelassen und sie schläft wieder. Markus und seine Frau Michaela haben das zum Anlass genommen, sich mehr über Hanf zu erkundigen und haben in Meran ein Geschäft mit (Nutz)Hanfprodukten, bevorzugt aus Südtiroler Produktion eröffnet und eine Produktionsstätte für Raumduft-Hanf aufgebaut.
Die Produktion unter Laborbedingungen unterliegt strengsten Auflagen und Kontrollen. Der Nutzhanf darf nicht mehr als 0,6% des psychoaktiven Wirkstoffs THC enthalten. Von jeder Ernte muss eine Probe an ein staatliches Aufsichtslabor geschickt werden und alle sechs Monate kommt ein Agronom aus einer Forschungseinrichtung in Rovereto vorbei, der alles kontrolliert. Jede Zuchtphase muss genauestens dokumentiert werden
In der freien Natur ist Hanf eine unkomplizierte, resistente Pflanze, die nicht nur schnell wächst, sondern mit ihren tiefen Wurzeln auch noch das Erdreich reinigt. Im Labor ist es eine komplexe Angelegenheit. Es braucht diverse Maschinen, Wärmetauscher, Klimaanlagen und Solarlampen sowie vier Produktionsräume. Den Motherroom, wo die Pflanzen aus Samen gezogen werden, die aus einem Samenkatalog mit 2000 Sorten ausgesucht werden, den Wurzelraum, sowie zwei Blühraume. Die Pflanzen werden von Markus Trojer und seinem Mitarbeiter Daniel Kollmann mehrmals täglich kontrolliert und von Hand vervielfältigt und umgesetzt.
Die Reifezeit bis zur Blüte beträgt 60 Tage. In den Laborräumen, wo die Pflanzen mit künstlichem Sonnenlicht verschiedener Stärke wachsen, herrschen künstliche Tag- und Nachtbedingungen und auch die Jahreszeiten werden simuliert. Die Luftfeuchte beträgt 54%, tagsüber sind es 27 Grad C, nachts 23 Grad C. Ventilatoren bewegen kontinuierlich die Pflanzen, dadurch werden die Triebe stärker und Schädlinge können sich nicht ansetzen. Die Triebe wachsen auf Steinwollblöcken und werden mit Mineraldünger genährt. In den zweiten Blühraum kommen die Pflanzen, wenn sie drei Wochen alt sind und schon eine stattliche Höhe von fast einem halben Meter erreicht haben. Geerntet werden die Blüten und die kleinen Blätter um die Blüten herum nach sechs Wochen. Anschließend werden sie getrocknet.
Markus Trojer ist an einem Austausch und an Kooperation mit Ärzten, Onkologen und Komplementärmedizinern interessiert. Er ist überzeugt davon, dass Nutzhanf eine außerordentlich nützliche, gesunde und auch ökologische Pflanze ist. Den medizinischen Hanf sieht er als wichtige Unterstützung in der Therapie von chronischen (Schmerz)Patienten. „Aber", das ist auch ihm wichtig zu betonen, „es ist sicher kein Wundermittel."
Stefano Baldo, der erste Cannabis-Patient in Italien und Markus Trojer, Nutz-Hanf unter Laborbedingungen

Aktuell

Auf die Qualität kommt es an!

Vortrag in Meran: Fokus Ernährung - Neues zu Diagnostik und Therapie
Der gutgefüllte Saal sprach Bände: Das Thema brennt! Kann Ernährung den Krankheitsverlauf beeinflussen? Welche neuen Erkenntnisse gibt es für Diagnose und Therapie? Dr. Cristina Tomasi befasste sich mit Ernährung bei Krebs, Primar Dr. Herbert Heidegger gab einen Überblick über die jüngsten Erkenntnisse zu Diagnostik und Therapie von Brustkrebs.
Der Mensch ist was er isst... Cristina Tomasi ist Fachärztin für Innere Medizin – Angiologie, Ernährungstherapie, Osteoporose, Orthomolekularer Medizin und Antiaging Medicine, nach 20 Jahren als Schulmedizinerin hat sie vor acht Jahren eine Praxis eröffnet und geht nun auch alternative Wege. 2006 war sie selbst auch Krebspatientin. In ihrem Vortrag über Ernährung bei Krebs sprach sie verschiedene Diäten an, die im Zusammenhang mit Krebserkrankungen diskutiert werden. Klinische Studien gibt es zu den meisten allerdings noch nicht und in jedem Fall sollte ein Krebspatient sich immer mit seinem Onkologen und einem Diätologen beraten. Das Um und Auf bei der Ernährung - und nicht nur, wenn man erkrankt ist - sei in jedem Fall die Qualität der Lebensmittel. "Hirn einschalten beim Einkaufen", rief Dr. Tomasi die Anwesenden auf. Frische und natürliche Produkte ohne Lebensmittelzusätze, Konservierungsstoffe, Farbstoffe oder unnötigen Zucker aus regionaler Herstellung seien unbedingt den Produkten der multinationalen Lebensmittelhersteller vorzuziehen. Statt Fruchtjoghurt, Naturjoghurt mit frischen Früchten. Fleisch aus artgerechter Haltung sollte auf dem Speisezettel ebenso wenig fehlen wie Fisch, vornehmlich sogenannte Fettfische aus kalten Meeren wie Makrelen, Heringe oder Lachs, die aufgrund ihres Gehalts an Omega-3-Fettsäuren und Vitamin D als ernährungsphysiologisch besonders wertvoll gelten. Kaltgepresstes Olivenöl sei ein authentischer Gesundmacher. Abzuraten sei von Mais-, Samen- und Sonnenblumenöl. Leinöl, Sesamöl und Kürbisöl sollten laut Dr. Tomasi hingegen nur kalt gegessen werden und im Kühlschrank aufbewahrt werden. "Nach sechs Monaten aber bitte entsorgen!"
Die Internistin warnte vor dem Verzehr von Billigprodukten. "Unter einem gewissen Preis kann ein Lebensmittel nicht nachhaltig und natürlich hergestellt sein!" Auch sogenannte "Light-Produkte" und Frittiertes aus Großküchen sollten nicht nur Krebspatienten von ihrem Speisezettel streichen, ebenso wie genmanipulierte Lebensmittel. Tomasi riet den Patienten sich ein Diät-Tagebuch anzulegen, um sich bewusst zu werden, was man tatsächlich Tag für Tag zu sich nehme. Zu achten sei außerdem auf eine gute Darmtätigkeit. Die Internistin warnte vor dem Konsum von zuviel Kohlehydraten, die letztlich versteckte Zucker seien. Also weniger Brot, Gebäck, Cracker und Pasta und dafür mehr proteinhaltige Lebensmittel. "Für mich ist immer eine gute Regel, sich vor Augen zu halten, was unsere Großeltern gegessen haben. Sojajoghurt, Reismilch oder Tofuburger mit Sicherheit nicht!" Dafür aber Saisongemüse. Bei Obst rief sie aufgrund des Zuckergehalts zur Vorsicht auf.
Eine im Zusammenhang mit Vorbeugung und Krebs diskutierte Ernährungsweise sei die ketogene Diät. Sie sieht eine drastische Reduzierung des Zuckerkonsums und damit auch der Kohlehydrate vor und ist sehr fettreich. Dies, weil Krebszellen, wie alle Zellen, von Zucker leben. Das Deutsche Krebsforschungszentrum in Heidelberg betont in diesem Zusammenhang allerdings, dass es bisher keine wissenschaftlichen Studien gäbe, die den Zusammenhang von zuckerarmer Ernährung und Tumorwachstum belegten.
Eines der größten Probleme im Zusammenhang mit Krebs ist der Schwund von Muskelgewebe, die sogenannte Auszehr-ung. Eine ausgewogene und abwechslungsreiche, appetitanregende Ernährung kann dem entgegenwirken. Auch Schlaf sei ein wichtiger Faktor, betonte Tomasi. "Man sollte seine eigene biologische Uhr beachten. Für einen gesunden Schlaf sollten alle elektronischen Geräte, einschließlich Handy sowie Dauerlichtquellen aus dem Schlafzimmer verbannt werden, um ungestört und im Dunkeln zu schlafen. "Reichtum ist viel. Zufriedenheit ist mehr. Gesundheit ist alles", brachte die Internistin zum Abschluss ihren Vortrag auf einen Punkt.
Dr. Herbert Heidegger, Primar der Gynäkologie in Meran und Direktor des Brustkrebszentrums Brixen - Meran hatte seinen Vortrag unter den Titel, "Neue Wege - Neue Hoffnung" gestellt. Jeder zweite Mensch erkranke im Laufe seines Lebens an Krebs.. Jede achte Frau in Europa an Brustkrebs und jede 70. an Eierstockkrebs. "Aber Krebs ist eigentlich eine Alterserkrankung und die Sterblichkeit sinkt seit Jahren," betonte Heidegger. "In meiner Abteilung beträgt die Überlebensrate nach fünf Jahren 87%!" Allerdings erkrankten zunehmend junge Frauen, auch schon ab 30 oder jünger an Brustkrebs. "Deshalb müssen wir das Screening überdenken! Ab 50 ist zu spät!"
Eine frühe Diagnose sei die beste Voraussetzung, um einen Krebs zu heilen. "Aber in Südtirol ist Vorbeugung trotz aller Aufrufe immer noch unpopulär! Nur 55% der Frauen nehmen derzeit die Einladung zur Mammographie wahr. Wir brauchen heute eine individuelle und risiko-orientierte Früherkennung." Dank moderner Geräte wie Computertomographie, PET CT und Magnetresonanz können mittlerweile schon früheste Krebsstadien erkannt werden." Ein früh erkannter Krebs, der noch nicht gestreut habe, sei in den meisten Fällen heilbar. "Liegen Metastasen vor, wird Krebs zur chronischen Krankheit wie Diabetes oder Bluthochdruck."
Chemotherapie und Strahlentherapie, führte Heidegger weiter aus, werden heute zunehmend unterstützt, wenn nicht gar ersetzt von Antikörpertherapie, Hormontherapie, von Pharmaka, die die Blutzufuhr des Tumors blockieren, stellte Primar Heidegger fest. "Wir haben immer mehr Möglichkeiten, das Identikit jedes einzelnen Tumors zu erstellen und ihn entsprechend zu behandeln. Die richtige Therapie für jede einzelne Patientin." Wichtig sei es, bei der Behandlung auch auf die Kompetenz und das Bauchgefühl der Patientin zu setzen. Gesunde Ernährung, Kontrolle des Gewichts, sportliche Betätigung... es gibt vieles, was Patientinnen aktiv zu ihrem Heilungsprozess beitragen können. 70% der Krebsfälle hingen vom Lebensstil ab, rund 30% von genetischen Defekten, darunter auch BRCA1 und BRCA2. In diesem Zusammenhang gewinne das Thema der prophylaktischen Mastektomie und der Eierstockentfernung an Aktualität. Heidegger: "Wie auch immer sie ausfällt, es braucht Mut zur Entscheidung, es heißt individuell, risikoadaptierte Entscheidungen treffen." Die Zukunft der Krebstherapie liege in einem interdispziplinären Ansatz mit dem Fokus der Lebensqualität und der Lebensverlängerung.
Zum Abschluss der Veranstaltung gab es die Möglichkeit, den Referenten Fragen zu stellen.
Dr. Herbert Heidegger, Primar der Gynäkologie Meran und Direktor des Brustkrebszentums Brixen – Meran und Dr. Cristina Tomasi, niedergelassene Internistin aus Bozen