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Ich akzeptiere mich so wie ich bin…

… und es geht mir gut dabei! Nicole Demetz hat sich gegen die Rekonstruktion der Brust entschieden


„Die Brust ist kein lebenswichtiges Teil. Heute ist eine Frau nur dann schön, wenn sie groß, schlank und perfekt ist. Ich bin lieber ein Charakterwesen!“ Nicole Demetz ist ein direkter Mensch. Sie hat sich bei ihrer Erkrankung vor fünf Jahren gegen einen Wiederaufbau der Brust entschieden. „Ich akzeptiere mich so wie ich bin und fühle mich wohl!“
Ihre Erkrankung inmitten von Corona im Februar 2021 war kompliziert. Sie hatte schon seit einiger Zeit einen Knoten bemerkt, der kam und ging und hatte sich deswegen auch anschauen lassen. Ohne Ergebnis. Während Covid waren dann auch noch die Vorsorgeuntersuchungen ausgesetzt. Eines Tages ging sie entschlossen zu ihrem Hausarzt, legte sich auf die Liege und sagte: „Bevor du mir nicht einen Ultraschall machst, gehe ich nicht.“ Am Ende behielt sie recht: Ein metastasierter Brustkrebs mit Lymphknotenbefall. Sie war 42. „Während Corona gab es nur die Möglichkeit eines Silikonimplantats. Ich vertrage kein Silikon und ich wollte das auch sonst nicht.“ Die Psychologin, die Physiotherapeutin, Freundinnen, ihre Schwester und Mutter wollten sie von einer Rekonstruktion überzeugen: „Mach das, Du willst doch nicht ohne Brustwarze und Brust herumlaufen.“ Doch, wollte sie. In ihrem Bekanntenkreis waren Frauen, die Probleme mit Implantaten hatten, Entzündungen, Fremdkörpergefühl… Dieses Risiko war sie nicht bereit einzugehen, ebensowenig wie sich einem weiteren Eingriff zu unterziehen. Noch heute ist sie ihrer Ärztin, Dr. Yvonne Fauster vom Brust-Gesundheitszentrum Brixen, dankbar. „Sie hat mir zugehört, ist auf mich eingegangen, war immer für mich da und sie hat mir das Leben gerettet!“
Nicole Demetz rät allen Frauen, sich Zeit für die Entscheidung zu nehmen, sich zu informieren und alles gut zu überlegen, sich nicht überrumpeln zu lassen: „Wenn man weiß, was genau auf einen zukommt, ist es viel leichter, ein neues (Körper)Bild von sich zu akzeptieren.“ Sie steht auch bereit, um anderen Frauen, die Zweifel haben, von ihrer Erfahrung zu berichten. „Und wenn sie reell sehen möchten, wie so etwas aussieht, wie es sich anfühlt, stehe ich auch zur Verfügung.“ Nicole Demetz lacht: „Es gibt auch noch einen anderen Aspekt. Ich muss keinen BH mehr tragen und der war noch nie mein Kleidungsstück!“ Weil sie gerne ihre Erfahrung mit anderen teilen möchte, ist sie Mitglied der Südtiroler Krebshilfe geworden und von mamazone. Ihre Freizeit verbringt die Verwaltungsangestellte am liebsten in der freien Natur und mit Tieren.

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Frei zu entscheiden

„Farfalle Libere“: Mehr Aufklärung und Information für Frauen mit Mastektomie


„Während ihres Wachstums durchläuft die Raupe eine Reihe von Häutungen, tiefgreifenden Veränderungen; sie verwandelt sich in eine Puppe und schließt sich in einen harten, widerstandsfähigen Kokon ein, in dem sie weitere Transformationen durchlebt, bis sie zu einem wunderschönen Schmetterling wird. Dies ist die wunderbare Metapher für das Leben einer Frau, die die Diagnose Brustkrebs erhält und einen Weg – den der sogenannten aktiven Therapien – einschlägt: lang und schmerzhaft, tief und zugleich regenerativ, ein Weg, der sie dazu führt, neue und erstaunliche Aspekte und Ausdrucksformen ihres Lebens zu entdecken. Der freie Schmetterling ist die wiedergeborene oder verwandelte Frau, die jene vielen Potenziale erkennt, die sie schon zuvor in sich trug, die jedoch im Kokon ihres früheren Lebens verborgen waren.“
Drei Frauen mit einem ähnlichen Schicksal, ähnlichen Erfahrungen und einer Mission: „Eine oder zwei Brüste machen keine Frau“. Alle drei wurden einer oder zwei Mastektomien unterzogen und haben sich nach schlechten Rekonstruktionserfahrungen bzw. sofort für die Version Flat entschieden. Sie haben eine Facebook-Gruppe gegründet und ihr den Namen „Mastectomia semplice senza ricostruzione flat Farfalle Libere“ gegeben.
Mission, das heißt nicht, alle brustoperierten Frauen von Go-Flat zu überzeugen. Nein. Was Donatella Grasso aus Rom, Sara Vianino aus Cuneo und Paola Marchesi aus Novara fordern, ist die Freiheit für Frauen, selbst zu entscheiden, welchen Weg sie gehen möchten. Ohne Druck von Seiten der Ärzte, der Partner, der Gesellschaft. Sie wehren sich dagegen, dass das Bild der Frau oft auf die Brust reduziert wird und plädieren für mehr Information.
Sie selbst haben negative Erfahrungen im medizinischen Bereich gemacht und viele ähnliche Erlebnisberichte gesammelt. Medizinisches Personal, das im stressigen Alltag des Krankenhausbetriebs keine Zeit hat, sich auf jede Patientin einzustellen und individuell passende Lösungen vorzuschlagen. Frauen, die in einem der Brustzentren in Südtirol behandelt werden, können sich glücklich schätzen, dass dort jede Patientin im Mittelpunkt steht und entsprechend kompetent begleitet und informiert wird. Im Prinzip das, was die Farfalle libere fordern! In einer Zeit, in der Schönheitsoperationen fast schon ein „Must“ zu werden drohen - Lippen, Brust, Faltenlifting, Botox - um gewissen Standards auch mit zunehmendem Alter noch zu entsprechen, bzw. in der das Durchschnittsalter der Frauen sinkt, die sich solchen Eingriffen freiwillig unterziehen, um von der Gesellschaft vorgegebenen Schönheitsidealen zu entsprechen, erscheint eine Brustrekonstruktion nach einer Brustkrebsoperation als nicht in Frage zu stellende Norm. Aber nicht alle Frauen denken so. Nicht alle Frauen werden mit dem Gefühl eines Fremdkörpers anstelle der eigenen Brust fertig, nicht bei allen Frauen gelingt der Eingriff, es gibt Infektionen, Verkapselungen, Probleme mit den Narben. Es ist für viele keine definitive Lösung. Vor allem aber: Viele Frauen sind nicht ausreichend informiert, um die für sich beste Entscheidung zu treffen. Zu entscheiden, welche Art von Rekonstruktion sie wünschen und ob sie überhaupt eine Rekonstruktion wünschen.
Donatella hat nach einer Quadrantektomie und anschließender Mastektomie, einer Rekonstruktion mit Komplikationen, anschließender Mastektomie auch der gesunden Brust aufgrund von BRCA, die für sie befreiende Entscheidung für Flat getroffen und beschlossen gegen dieses Tabu vorzugehen. Sie hat eine Facebook-Gruppe eröffnet, nach kurzer Zeit sind Sara und Paola dazu gestoßen. Sie haben sich ein Logo gegeben, einen Marschplan festgelegt, eine Broschüre zusammengestellt und sie haben begonnen, gezielt zunächst Brustzentren in ganz Italien zu kontaktieren. Mit Erfolg. „Für uns fast schon ein kleines Wunder, etwas mehr als siebzig haben uns tatsächlich zurückgeschrieben“, berichtet Donatella. In Zukunft werden sie sich auch an Gynäkologien, Onkologien, Psychologen und plastische Chirurgen wenden.
Auf Facebook gibt es eine öffentliche Gruppe mit allgemeinen Informationen rund um das Thema sowie eine private, betroffenen Frauen vorbehaltene und mittlerweile auf mehr als 1.300 Mitglieder angewachsene Gruppe. Frauen schreiben auf der Suche nach Informationen oder nach Gleichgesinnten, manche sind froh, endlich aus der Tabuzone auszubrechen. Die Informationen gehen von Rekonstruktionstechniken bis zur Wahl des Pyjamas für den Krankenhausaufenthalt oder was man mit langen Haaren macht, wenn man den Arm nicht heben kann. Es sind regionale WhatsApp-Gruppen entstanden. Jedes Jahr Anfang Oktober nehmen die drei Gründerinnen – und wer mit ihnen kommen möchte – am Internationalen Flat-Day teil, 2024 in Paris, 2025 in Santa Cruz, Kalifornien. „Wir geben Interviews, nehmen an TV-Sendungen teil oder an Body-Painting-Aktionen, bemühen uns um Partnerschaften mit anderen Vereinigungen, die sich mit dem Thema Frauen-Gesundheit auseinandersetzen.
Le „Farfalle Libere“ stellen Frauen Fotos zur Verfügung, um ihren Chirurgen genau zu erklären, wie sie sich ihre Rekonstruktion oder ihre Version Flat vorstellen. „Sehr wichtig ist, wenn man sich für Flat entscheidet“, erkärt Donatella, „dass der Chirurg bei der Operation darauf achtet, eine glatte und flache Narbe ohne Hautlappen zu schaffen.“ Die Vorteile der Version Flat liegen laut Donatella in einer rascheren Genesungszeit, da nach der Mastektomie kein weiterer Eingriff mehr notwendig ist. Brustrekonstruktionen mit Prothesen müssen oft nach nach zehn -fünfzehn Jahren wiederholt werden. Eine Brustprothese kann die Bewegungsfreiheit einer Frau einengen, es ist darauf zu achten, keine Stöße auf die Prothese zu bekommen, ein Problem, mit dem z.B. Kindergärtnerinnen oft konfrontiert sind. Vor starken Hitzequellen muss auf genügend Abstand geachtet werden. Das Hochziehen eines Rollladens gefährdet die Prothese. „Über diese Risiken wurden viele Frauen, die mit uns Kontakt aufgenommen haben, nicht ausreichend informiert.“ Eine Rekonstruktion mit Eigengewebe garantiert ein dauerhaftes und sehr natürliches Ergebnis, aber der Eingriff ist komplex, hinterlässt weitere Narben und ist mit Risiken verbunden. Was auch zu bedenken sei, so Donatella, „bei vielen Frauen ist nach einer Rekonstruktion zudem ein Eingriff an der gesunden Brust notwendig, um die Symmetrie zu wahren.“
Wer sich für Flat entscheidet, muss deswegen nicht flach erscheinen. „Wir selbst haben uns für immer flat entschieden, aber wir informieren auch, wie man externe Prothesen korrekt einsetzt, worauf zu achten ist, damit die darunterliegende Haut keinen Schaden nimmt.“ Über Facebook organisieren die „Farfalle libere“ Diskussionen mit Chirurgen, veröffentlichen Videos. „Wir machen Kultur! Aber“, so Donatella, „wir befassen uns auch mit Dingen, die etwas „frou-frou“ sind. Beispiele für besonders schöne Tätowierungen, Bikinis oder Dessous mit besonderen Taschen für die Prothese oder geeignet für jene Frauen, die sich für Flat ohne Prothese entscheiden, besonders geschnittene oder designte Bhs…“
Donatella, Sara und Paola haben sich nicht nur mit Überzeugung für Flat entschieden, sie haben auch keine Scheu, sich zu zeigen und fürchten nicht die Blicke der Personen. „Unser Ziel ist, dass es genauso normal wird, eine Frau mit rekonstruierter Brust oder eine Frau Flat mit oder ohne Prothese, mit oder ohne Tätowierungen zu sehen, wie eine Frau mit natürlicher Brust. Unsere Narben sind Teil unserer Geschichte. Sie haben uns stärker gemacht, sind Zeichen eines Sieges, den wir errungen haben, eines Weges, den wir gegangen sind. Warum sollten wir sie verstecken?“
Kontakt
mastectomia.farfallelibere@gmail.com; facebook: Mastectomia semplice senza ricostruzione flat Farfalle Libere;
Instagram: @farfallelibere24.
Aus der Broschüre der „Farfalle Libere“


Ich bin flat, …

60 Jahre alt, Körbchengröße 2: …,
weil ich alles hasse, was künstlich ist.

62 Jahre alt, Körbchengröße 3: …,
weil ich als Ärztin zu viel Leid und
Schreckliches bei Frauen gesehen habe,
die eine Rekonstruktion gemacht haben.

37 Jahre alt, Körbchengröße 4: …,
weil ich mein Leben sofort wieder
in die Hand nehmen wollte –
mit weniger Problemen und
weniger Leiden.