Thema

Wo die Fäden zusammenlaufen

Die Breastcarenurses: Koordination, Unterstützung und einfach immer da
Die drei BCN der Breast-Unit Bozen (v. li.) Antonella Lazzarini, Elisabetta Parella und Andrea Unterkofler. 2. v. li: Datamanagerin Alessandra Rubbo. – Foto: Othmar Seehauser
Vor ihrem Zimmer im Brust-Ambulatorium stehen bequeme Sessel und kleine Sofas. Auf einem Tischchen liegen Zeitschriften. Ein Lichterbaum hängt voller kleiner Zettelchen, Herzen, Blumen: „Danke" steht auf den meisten. Kleine Nachrichten vom Herzen kommend. Der Warteraum ist zwar in einer Art Gang, aber hell und mitten im Leben. Bei ihnen laufen die Fäden zusammen. Die Patientinnen nennen sie Engel. Stellvertretend für die drei Breastcarenurses in Bozen haben wir mit Andrea Unterkofler gesprochen. Mit ihr zusammen im Brustambulatorium arbeiten Elisabetta (Betty) Parrella und Antonella Lazzarini.
Sie als Breastcarenurses sind sozusagen das Zentrum der Breast-Unit. Von ihnen hängt die besondere Atmosphäre dieses Ambulatoriums ab. Kann man das so sagen?
Andrea Unterkofler: Sagen wir es so: Wir sind für die Frauen der Ansprechpartner Nummer eins. Wenn sie ins Ambulatorium kommen, sind wir die Ersten, mit denen sie Kontakt aufnehmen. Wir begleiten die Frauen vom ersten Tag an.
Sie sind auch bei der Diagnosestellung dabei?
Andrea Unterkofler: Ja, wir sind wirklich vom ersten Moment an der Seite der Patientinnen. Und das ist auch gut so, weil wir dann danach bestimmte Dinge in Ruhe noch einmal erklären können, die in der Aufregung und unter dem Diagnoseschock nicht richtig verstanden worden sind. Und es ist auch notwendig, weil wir die Patientin kennenlernen müssen und sie uns. Vertrauen ist unerlässlich für den Weg, den wir gemeinsam zurücklegen werden.
Sie sind dann verantwortlich für den gesamten Parcours, den die Patientinnen zurücklegen? Koordinieren alle Termine?
Andrea Unterkofler: Ja, bei uns laufen die Fäden zusammen. Wir koordinieren alles, auch mit der Onkologie. Wir weisen den Patientinnen den Chirurgen zu, vereinbaren den Termin mit der Psychologin, mit der Physiotherapie.
Apropos Chirurgen. Abgesehen vom Zeitplan, gibt es bei der Zuweisung auch andere Kriterien?
Andrea Unterkofler: Wir weisen den Patientinnen gerne den Chirurgen zu, der unserer Ansicht nach vom Charakter her passt. Es gibt Patientinnen, die sich vielleicht mit einem eher väterlichen Typ, einem Chirurgen mit langjähriger Erfahrung sicherer fühlen. Andere, die einen jüngeren bevorzugen, dessen Ausbildung noch nicht so lange zurückliegt. Unsere Chirurgen sind alle auf dem neuesten Stand, jeder ist kompetent, aber manchmal kann so ein kleines Detail den Unterschied machen.
Sie sind jedenfalls Ansprechpartnerinnen für alles?
Andrea Unterkofler: Ja, das kann man schon sagen. Es kommt natürlich auf die Frau an. Jede ist anders. Es ist immer eine Frage von Nähe und Distanz. Manche nehmen ein Minimum in Anspruch, machen alles eher mit sich selbst aus, andere suchen eine Hand, eine Schulter, brauchen Nähe.
Es entstehen sehr intensive Beziehungen.
Andrea Unterkofler: Das stimmt. Aber meist sind sie auf diesen besonderen Raum, auf das Ambulatorium und auf den konkreten Zeitraum der akuten Erkrankung beschränkt. Es kann passieren, dass ich manchmal Frauen nicht erkenne, wenn ich sie in einem völlig anderen Kontext treffe. Es kann auch sein, dass Frauen außerhalb des Krankenhauses nicht reagieren, wenn sie eine von uns sehen. Vielleicht, weil sie uns eben in diesem Kontext nicht erkennen, aber es ist auch möglich und verständlich, dass sie ,außerhalb des Krankenhauses, wenn sie zusammen mit anderen Menschen sind, sich nicht „outen“ wollen. Andere wiederum fallen uns um den Hals. Jede Frau ist eine andere Geschichte.
Sie haben mehr als 200 Neuerkrankungen im Jahr. Brustkrebs ist heute sehr gut heilbar, aber immer noch eine Erkrankung, die tief in Körper und Seele der Patientinnen eingreift. Wie werden sie persönlich mit dieser Belastung fertig?
Andrea Unterkofler: Wir sind sehr eng im Team, besprechen viele Dinge in der Gruppe. Das hilft. Außerdem steht die Psychologin Martina Pircher auch uns zur Verfügung. Ich glaube der große Unterschied von unserem Ambulatorium – und es ist der Unterschied, der vor allem den Patientinnen zu Gute kommt, aber eben auch uns – ist, dass wir eines haben, was es auf Station nicht gibt: Zeit.

Thema

Mit den Augen der PatientInnen

Wie es sich anfühlt, in einer Breast-Unit behandelt zu werden
Wie in einer Familie. Ich habe mich wohl gefühlt. Die Breastcare-Nurse ist mein Schutzengel. Sätze, die sich in allen Interviews wiederholt haben. Und der beste Beweis, dass das Konzept der Breast-Unit voll greift. An Brustkrebs erkrankte Frauen haben vom Augenblick der Diagnose an einen Ansprechpartner. Im Brustgesundheitszentrum laufen alle Fäden zusammen. Im Mittelpunkt stehen die Breastcare-Nurses, die alles koordinieren und die sich der Patientinnen rundum annehmen. Vier Frauen und ein Mann, PatientInnen, der Breast-Unit Bozen erzählen.
Rosanna Valcanover
Sie lebt in Trient, aber als sie im November 2022 einen Knoten ertastete, war in Trient kein Termin für eine Mammographie zu finden. Der CUP vermittelte ihr umgehend einen Platz für die Mammographie in Bozen, gleich im Anschluss hatte sie einen Ultraschall und die Biopsie. Am nächsten Tag erhielt sie nicht nur die Diagnose, sondern lernte auch ihre BCN (Breastcarenurse) Andrea Unterkofler kennen. „Sie war mein Engel in diesem Alptraum.“ Was Rosanna besonders geschätzt hat: „Es gab keine Tabus, ich konnte immer und alles fragen, nicht nur Andrea. Auch mein Chirurg, Dr. Polato, hat mir geduldig alles ganz genau erklärt, präzise, klar und transparent! Voll Anteilnahme.“ Rosanna musste 20 Chemotherapie-Zyklen machen und hatte nur einen relativ kleinen Eingriff ohne Rekonstruktion. „Meine Narbe ist für mich eine Medaille. Sie erinnert mich an den gewonnenen Kampf, an eine von Vertrauen und Menschlichkeit geprägte Zeit .“ Was sie nie vergessen wird: „Bei der ersten Chemo sagte Andrea, sehe die Chemo nicht als Gift, stell dir vor, es ist pures Gold, das dich von innen erleuchtet. Dieses Bild hat mir geholfen. Jedes Mal.“ Ihren Knoten hat Rosanna übrigens entdeckt, nachdem sie im Fernsehen einen Bericht über den Rosa Oktober gesehen hat. „Es ist lange her, dass ich mich abgetastet habe, dachte ich und dann war da tatsächlich etwas!“
Franziska Seebacher
Eine Schockdiagnose. Das haben andere nicht ich, hatte sie immer gedacht. Und dann saß sie mit Arzt und BCN in einem Zimmer. Das war Mitte November 2024. „Ich habe mich vom ersten Augenblick an getragen, mit Achtsamkeit behandelt gefühlt, von ganzen Team der Breast-Unit, das ich nicht nur als kompetent, gut vernetzt, sondern auch als präsent und einfühlsam, mit viel Herz erlebt habe, ich habe alle Angebote genutzt. Die Psychologin sehe ich noch heute regelmäßig.“ Sie fühlte sich in der Schwebe, ohne Kraft, war voll Angst, hatte aber gleichzeitig das Gefühl, sich fallen lassen zu können. Als Komplikationen auftraten, fühlte sie sich ernst genommen, auch vom Chirurgen, den sie als ebenso objektiv und geerdet wie klar und anteilnehmend empfunden hat. „Ich bin mir vorgekommen, wie in einer Privatklinik. Alle waren da für mich.“ Die Geschäftsfrau und Mutter von drei Kindern, hat die Krankheit zum Anlass genommen, ihr Leben neu zu organisieren, auf sich zu schauen. „Auf das, was mir gut tut, das gilt auch für die Menschen!“ Sie geht jeden Tag spazieren, hat sich ein Jahr Auszeit von der Arbeit genommen. „In diesem Sinn war die Diagnose ein Geschenk, für das was mit mir als Mensch passiert ist. Eine Chance, kein Zufall!“ Und die Erkenntnis, in einem Land zu leben, wo all das in einem öffentlichen Krankenhaus geboten wird, hat ihr oft geholfen. „Hat mich dankbar und demütig gemacht.“
Robert Pfeifer
„Ich sitze immer als einziger Mann zwischen den Frauen, aber das macht mir nichts aus.“ Er ist das, was man eine Frohnatur nennt, auch wenn das Leben ihn oft auf harte Proben gestellt hat. Die Brustkrebserkrankung war nur die letzte davon. Beim Duschen entdeckte er zufällig einen Knoten unter der Brustwarze. Die Diagnose Brustkrebs ließ ihn als Mann überraschend ruhig. Er hat auch kein Problem, seine Narben zu zeigen oder Fragen zu beantworten, warum er keine Brustwarze hat. Operiert wurde Robert in Brixen, die Weiterbehandlung erfolgt in der Breast-Unit Bozen. „Das erste Mal im Brustgesundheitszentrum war ich etwas eingeschüchtert, aber die BCN Andrea Unterkofler hat sich meiner gleich angenommen, sie wusste gleich, wie mit mir sprechen.“ Da er keine Chemotherapie machen musste, sondern eine Therapie mit Tamophyxin erhält, ist sein Kontakt mit der Breast-Unit allerdings nur sporadisch, wenn er zur Kontrolle muss. Aber selbst, wenn das Ambiente dort eindeutig auf Frauen eingestellt ist, fühlt sich Robert dort auch als Mann aufgehoben und schätzt die besondere Atmosphäre. Fühlt sich verstanden und ernst genommen.
Alessandra Zambarda
Ein Befund mit Verzögerung. Nach der Mammographie im Juli 2023 wurde bei Alessandra Zambardo aufgrund einer Unklarheit noch ein Ultraschall vorgenommen. Alles Ok hieß es dann. Sie können in die Ferien starten. Als sie mit dem Camper, Mann und vier Kindern in der Toskana angekommen war, kam ein Anruf. Der Radiologe Dr. Alessandro Ruiu war in der Nacht mit einem Zweifel aufgewacht und hatte den Befund am nächsten Tag noch einmal zur Hand genommen: Alessandra wurde zurückgerufen. Diagnose: Eine infiltrierende, äußerst aggressive Form von Brustkrebs. „Meine BCN Elisabetta sagte mir: Fahr noch eine Woche zu deiner Familie, tank´ Energie und dann fangen wir an.“ Am 4. August bekam sie die erste von insgesamt 16 Chemotherapien, lebte dann über Monate immer den gleichen Rhythmus: Montag Blutuntersuchungen, Dienstag Chemo, Mittwoch bis Samstag den halben Tag im Geschäft, Samstagnachmittag und Sonntag im Bett. Ins Krankenhaus ging sie immer zu Fuß, nach der Strahlentherapie wurde sie im Januar einer Quadrantektomie unterzogen. „Das normale Leben fortsetzen hat mich gestärkt. In der Breast-Unit machten sie mir Mut und mit meiner BCN Betty hat sich eine sehr spezielle Beziehung entwickelt. „Nach jeder Chemo schrieb sie mir: Wie geht’s? Ich hatte immer das Gefühl – und das gilt für alle, die in der Breast-Unit arbeiten – das ist für sie nicht einfach „nur" Arbeit. Das ist eine Familie.“
Petra Hofer
Seit sie 18 ist, machte Petra jedes Jahr eine Mammographie. Ihre Mutter ist an Brustkrebs gestorben als sie zwei Jahre alt war. „Ich hatte immer Angst.“ Ende November 23 trat ihr nach einer Mammographie in Trient, bei der die Brust extrem gequetscht wurde, Flüssigkeit aus der Brustwarze. Die erste Visite in der Breast-Unit ergab nichts. Eine am 22. Dezember durchgeführte Magnetresonanz zeigte dann einen Tumor an. Petra ist alleinstehend und fand in der Breast-Unit nicht nur Kompetenz, sondern auch etwas anderes, was in dieser Situation so wichtig ist: Wärme und Trost. Auch als sie sich nach einer ersten Quadrantektomie noch einer Mas-tektomie unterziehen musste. „Es ging mir sehr schlecht, ich fühlte mich so einsam, mein Partner hat mich nach Diagnose verlassen. Umso mehr habe ich geschätzt, dass die Menschen in der Breast-Unit immer für mich da waren, immer Verständnis gezeigt haben. Mir immer alles erklärt haben. Ich konnte die beiden BCN Andrea und Betty jederzeit anrufen, ihnen schreiben, und dasselbe gilt auch für die Chirurgen Dr. Romano Polato und Dr. Pasquale Auricchio. Manchmal schrieb ich sogar nachts.“ Sie hat begonnen ein Buch zu schreiben über ihr Leben, ist noch anspruchsvoller geworden, was menschliche Beziehungen betrifft. Heute arbeitet die Lehrerin wieder. Wenn sie sich müde fühlt, Ängste und Einsamkeit ihr zusetzen, denkt sie gerne an die Breast-Unit: „Mein Anker.“