Thema
Die Lehrlingskosten
Im Wirtschaftskurier vom 16. Oktober d.J. schreibt der Direktor des Industriellenverbandes unter dem Titel „Lehrlingskosten auffangen"einige Absonderlichkeiten, die so nicht stehen gelassen werden können.
In Südtirol ist das Lehrlingswesen als sekundäre Gesetzgebungsbefugnis und im Rahmen der primären Befugnis der Berufsausbildung mit Landesgesetz geordnet und reiht sich in die staatliche Regelung ein, was die sozialrechtlichen Begünstigungen und die heute geltende Ausbildungspflicht aller Jugendlichen bis zum 18. Lebensjahr betrifft. Laut Definition ist die Lehre ein Arbeitsverhältnis besonderer Art, das auf die Berufsausbildung des Jugendlichen und dessen Qualifikation ausgerichtet ist. Nur in Südtirol ist als Hilfe für die Berufsausbildung seit 1956 das sogenannte duale System mit theoretischer Ausbildung in der Berufsschule (ca. 1/5) und praktischer Lehre im dazu befähigten Lehrbetrieb (4/5) mit Landesgesetz eingeführt worden. Dem Lehrherren werden als Anerkennung für seine vertraglich übernommene Unterweisungstätigkeit mindestens drei Hilfen angeboten: die öffentliche Hand übernimmt die Kosten für die theoretische Schulung in bestausgestatteten und - beschickten Berufsschulen und für Versicherungszwecke gilt die Berufsschulzeit als volle Arbeitszeit, weiters gewährt der Staat die volle Sozialversicherung, Alters-, Invaliden-, Hinterbliebenen-, Unfallversicherung und Gesundheitsfürsorge zu fixen, minimalen Wochenbeiträgen, praktisch zum Nulltarif als Ersparnis für den Lehrherren und drittens ist mit Landeskollektivvertrag die Entlohnung in Prozentsätzen (ca. 40 – 95 Prozent) des Anfangslohnes eines Facharbeiters und steigend nach Lehrjahren gestaffelt. Im Gegenzug ist der Lehrmeister oder der von diesem eigens beauftragte, befähigte Ausbildner, verpflichtet alle berufsbezogenen Kenntnisse und Arbeitsvorgänge gemäß Ausbildungsrahmen für das Berufsfeld beizubringen. Der Ausbildungsrahmen müsste parallel im Zeitablauf und Inhalt zum Berufsschulprogramm laufen, denn zuerst muss der Lehrling theoretisch kennen, was er im Betrieb dann unter Anleitung praktisch probieren und dann ausführen kann. Selbstverständlich und folgerichtig ist der Lehrling im Betrieb nur für Bereiche einzusetzen, die er theoretisch und praktisch schon erlernt hat.
In Italien gibt es zwar das Lehrlingswesen, allerdings ohne Ordnung und nur zwecks Ersparnis bei Sozialbeiträgen, sodass der Lehrling immer noch der billigste Hilfsarbeiter ist. Nur in Südtirol ist, wie in Österreich und in Deutschland, das duale Ausbildungssystem eingeführt, sodass zumindest eine Annäherung an seriöse Ausbildung, wie im Ausland, erreicht wird.
Es ist somit unverständlich, was mit Anpassung der Lehrlingsausbildung „im theoretischen Teil an die staatlichen Erfordernisse" und was mit (finanziell) zu ersetzender „Fehlzeit" im Betrieb durch den Berufsschulbesuch und dort ersatzweise gebotene theoretische Ausbildung des Lehrlings als „Mehrbelastung" gemeint ist. Es hat doch der Industriellenverband beantragt, die Lehrzeiten auf einheitlich drei Jahre zu verlängern und wir haben dem unter der Bedingung zugestimmt, dass handwerkliche Berufsbilder in vollem Umfang für die theoretische und praktische Ausbildung der Industrielehrlinge mit Berufsschulprogramm und Ausbildungsrahmen laut Handwerk zwecks Gleichstellung übernommen werden, was dann eine Ausdehnung der Lehrzeit rechtfertigt. Bisher hatte die Industrie einen Dreher-, Fräser-, Schweisser – usw. Lehrling für 18 bis 24 Monate Lehrzeit für diese Teilbereiche des handwerklichen Schlosserberufes. In Zukunft wird sie Schlosserlehrlinge mit Einschluss aller im Berufsbild vorgesehenen Arbeitstechniken in verlängerter Lehrzeit und der Endqualifikation als „Schlosser" mit Berufsschuldiplom haben. Der Lehrbetrieb erfährt eine kostenlose Aufwertung durch umfangreichere Ausbildung und somit Leistungs- und Einsatzmöglichkeiten seiner Mitarbeiter und nicht eine Mehrbelastung. Eine Lehrlingsausbildung war noch nie eine Wohltätigkeitsveranstaltung, sondern immer schon für verständige und vorausblickende Lehrmeister eine laut Gesetz vertraglich vereinbarte Unterweisung in einen Beruf im Rahmen dieses besonderen Arbeitsverhältnisses zwecks Sicherung des Berufsnachwuchses. Dafür bietet die öffentliche Hand kostenlos die Hilfe in der theoretischen Ausbildung in den Berufsschulen und erwartet sich in zeitlicher Abstimmung parallel dazu die praktische Unterweisung im Betrieb laut Ausbildungsrahmen, um einsatzfreudige, berufsbefähigte Nachwuchskräfte in der Welt der Arbeit einzusetzen. •