Aktuell
„Nachhaltigkeitspakt für unser Land”

Der gemeinsame Beitrag der Sozialpartner zur Wohnraumpolitik

Der ASGB und die drei gesamstaatlichen Gewerkschaften haben kürzlich gemeinsam mit dem Unternehmerverband zum Thema Wohnraumpolitik ein Papier erarbeitet, welches wir nachstehend veröffentlichen.
„Die Sozialpartner unterstützen die Bestrebungen der Landesregierung, gemeinsam einen „Nachhaltigkeitspakt“ zu erarbeiten.
Im Rahmen eines Dialogverfahrens haben wir einige gemeinsame Ziele festgelegt, die wir für strategisch wichtig erachten. Dazu wurden werden auch in den kommenden Monaten konkrete Vorschläge ausgearbeitet, die der Landesregierung unterbreitet werden.
Wir halten es für entscheidend, auf das verarbeitende Gewerbe als wichtigsten Entwicklungsmotor der heimischen Wirtschaft zu setzen. Bereits heute ist es der bedeutendste Sektor im Hinblick auf den Beitrag zum BIP, zur qualifizierten Beschäftigung, bei der Internationalisierung und Innovation.
Einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren der verarbeitenden Unternehmen ist die hohe Produktivität ihrer MitarbeiterInnen. Die heimischen Betriebe sind allerdings mit einem immer größeren Fachkräftemangel konfrontiert. Wir stimmen darüber überein, dass eine der dringendsten Maßnahmen, um heimische Talente in Südtirol zu halten, von außerhalb wieder zurückzubringen bzw. von anderswoher anzuziehen, die Schaffung leistbaren Wohnraums ist, insbesondere, was den Mietmarkt anbelangt.
Aus diesem Grund unterbreiten wir der Landesregierung die folgenden Vorschläge, zu denen wir uns gerne gemeinsam mit den anderen Sozialpartnern austauschen:
1. Sorgfältige Planung bei der Ausweisung von neuem Baugrund: Im Mittelpunkt der Wohnbaupolitik muss der tatsächliche Wohnungsbedarf stehen. Besondere Aufmerksamkeit muss der Aufwertung/Wiederverwendung bereits bestehender Areale (z.B. Militär- und Eisenbahngelände) geschenkt werden.
2. Es muss für alle eine Gleichbehandlung garantiert werden, indem der Zugang zum Baugrund für den geförderten Wohnbau künftig allen Ansässigen für den Bau der Erstwohnung und den Bau von Wohnungen, die für 20 Jahre an Ansässige zum Landesmietzins vermietet werden, ermöglicht wird. Die eventuelle Landesförderung muss der Familie für die Wohnung, nicht für den Baugrund oder die Erschließungskosten, gewährt werden.
3. Mietmarkt: Südtirol braucht einen effizienten und funktionierenden Mietmarkt, der insbesondere den veränderten Bedürfnissen unserer Jugendlichen entgegenkommt. Übermäßige Einschränkungen sind nicht zielführend. Der Landesmietzins muss die unterschiedlichen Bedingungen in den Gemeinden widerspiegeln.
4. Der Bedarf an Sozialwohnungen soll auch in Zukunft vom Institut für den sozialen Wohnbau gedeckt werden.
5. Arbeiterwohnheime: Es braucht außerordentliche Investitionen, um neue Arbeiterwohnheime zu errichten, damit auch all jene MitarbeiterInnen, die zur wirtschaftlichen Entwicklung unseres Landes beitragen und nur vorübergehende Unterkünfte benötigen, eine Wohnmöglichkeit bekommen.
6. Studentenwohnheime: Die Freie Universität Bozen leistet einen entscheidenden Beitrag bei der Ausbildung unserer Jugend und zieht begabte Menschen von außerhalb der Landesgrenzen an. Es müssen umgehend Flächen für Studentenwohnheime, sowohl für öffentliche als auch private Initiativen, zur Verfügung gestellt werden.“
Konkrete Beispiele der zu erzielenden Einsparungen
a) durch die Öffnung des Zugangs zum Baugrund für den geförderten Wohnbau wird Wohnen für alle Südtiroler leistbarer werden. Einsparungen für Grundkosten pro qm Wohnfläche von bis zu 1.000 Euro könnten erzielt werden ( somit könnte für eine 70 m² Wohnung eine Einsparung von bis zu 70.000 Euro erzielt werden);
b) hierfür wären keine zusätzlichen öffentlichen Beiträge nötig;
c) die derzeit gewährten öffentlichen Beiträge für den geförderten Wohnbau werden nicht in Frage gestellt. Sie können weiter ausbezahlt werden, wenn auch kumuliert und transparent ( nicht getrennt für Grund und Wohnung) für den Kauf, oder Bau einer Wohnung;
d) diese Maßnahme würde auch für die Realisierung von Mietwohnungen und die Vermietung zum Landesmietzins ermöglichen und somit den Mietmarkt anregen.

Aktuell

Mister Verbraucherschutz geht in den „Unruhestand“

Walther Andreaus, ehemaliger Sekretär im ASGB, verlässt nach 25 Jahren die Verbraucherzentrale Südtirol. „25 Jahre hat Walther Andreaus die Geschicke der Verbraucherzentrale Südtirol geleitet. Er hat maßgeblichen Anteil daran, dass die Verbraucherzentrale in Südtirol gegründet, aufgebaut und inhaltlich profiliert wurde und steht mit seinem Namen stellvertretend für den italien- und europaweit guten Ruf der Verbraucherzentrale Südtirol“, sagte VZS-Vorsitzende Priska Auer im Rahmen der Verabschiedung. Die Redaktion des Aktiv hat mit Walther Andreaus das folgende Gespräch geführt.
Aktiv: Walther was waren deine größten Herausforderungen im Bereich Verbraucherschutz in diesem Vierteljahrhundert?
Walther Andreaus: An Herausforderungen hat es nicht gemangelt. Wir haben ja praktisch bei null angefangen. Die bundesdeutschen KollegInnen waren beispielsweise schon damals seit 35 Jahren im Einsatz. Am Anfang war mir vor allem wichtig, den VerbraucherInnen ein schlagkräftiges Instrument in die Hand zu geben, damit sie ihre Interessen besser durchsetzen können. Dies ist uns zweifelsfrei gelungen. Wir haben 1995 mit drei Mitarbeitern begonnen. Damals hab ich noch beim ASGB gearbeitet und nebenbei konnte ich mich um den Aufbau der Verbraucherzentrale Südtirol (VZS) kümmern. Die Unterstützung des ASGB hat über all die Jahre nicht nachgelassen und maßgeblich dazu beigetragen, dass die VZS zu einem anerkannten Sprachrohr für die VerbraucherInnen Südtirols geworden ist. Wir haben zuletzt jährlich mit den fast 40 MitarbeiterInnen über 40.000 Ratsuchende betreut und für sie über zwei Millionen Euro rückerstritten. Die öffentlichen Beiträge haben sich also für die Bevölkerung auch in barer Münze ausbezahlt. Abgesehen davon, dass viele allein durch das Nennen unseres Namens oft Probleme mit ihren Anbietern oder Verkäufern gelöst haben.
Es ist mir auch gelungen den Verbraucherschutz sichtbarer zu machen. Heute kann man sich unsere Einrichtung eigentlich nicht mehr wegdenken. Die Verbraucherzentrale genießt ein hohes Vertrauen bei den Menschen und kann den SüdtirolerInnen in den unterschiedlichen Themen Telekommunikation,­ Energie, Finanzdienstleistungen, Ernährung, Bauen und Wohnen, Kondominium, Versicherung, Handel, Handwerk und Verbraucherrecht Unterstützung geben.
Aktiv: Über welche Erfolge im Bereich Verbraucherschutz freust du dich am meisten?
Walther Andreaus: Wir haben sehr gute Resonanzen auf unsere verschiedenen Initiativen. Besonders gelohnt hat sich der Einsatz für den Strom- und Pendlerbonus, das Europäische Verbraucherzentrum in Bozen, das Verbrauchermobil in den Gemeinden, die Verbraucherberatungsstelle in Trient, die Gleichstellung der Verbraucherzentrale Südtirol auf nationaler Ebene, die Onlineschlichtung, die Qualitätschartas, der Einsatz bei den Finanzdienstleistungen und das Verbrauchertelegramm als Informationsmedium. Große Freude hat mir die durch uns mitbewirkte Verhaltensänderung von Apple, was die Gewährleistung betrifft, bereitet. Die zuständige Europäische Verbraucherschutzkommissarin hat in einem Schreiben an die Verbraucherschutzminister Europas geschrieben, sie sollten sich doch ein Beispiel an Italien nehmen. Das passiert nicht oft. Auch die Abschaffung der zehn-Jahres-Verträge bei den italienischen Versicherungen geht auf unser Konto.
Aktiv: wie war die politische Unterstützung in all den Jahren?
Walther Andreaus: Was ich sicher gelernt habe ist, dass es, wie in vielen Lebenslagen, Ausdauer und Geduld braucht. Mit Beharrlichkeit geht vieles weiter. Doch ich sehe eine gefährliche Entwicklung. Zunehmend wird eine Politik über die Köpfe der Menschen hinweg betrieben. Anstatt an einem gemeinsamen Weiterkommen zu arbeiten, werden die Interessen gegeneinander ausgespielt. Die Wirtschaft wird gehört, die Leidtragenden sind jene ohne Sprachrohr. Leider muss ich die Vergangenheit loben, obwohl vieles nicht rosig war: Es hat mehr Beteiligung und Austausch gegeben. Heute werden wir an Beamte verwiesen, die eh nichts bewegen können. Dies alles führt zu verstärkter Selbsterosion der Demokratie und zu erheblichen Entfremdungsprozessen innerhalb der Bevölkerung.
Aktiv: Was überwiegt: Freude oder Wehmut über den bevorstehenden angekündigten Unruhestand?
Walther Andreaus: Rückblickend überwiegt zu 80 Prozent die Freude, denn ich hatte eine sehr interessante Aufgabe, zunächst als Aufbauarbeit, dann zu Errichtung von effizienten Verbraucherberatungstellen. Die Tätigkeit im sozialen Bereich und für das Gemeinwohl verleiht ein Maß an Unabhängigkeit und Freiheit, das man in der Arbeitswelt nicht leicht findet. Etwas gegen die öffentliche Verführung zu Gier und Egoismus beigetragen zu haben erfüllt mich mit Stolz. 20 Prozent Wehmut ist auch dabei, denn ich trenne mich von einem gut arbeitenden Team und einer fähigen Nachfolgerin.
Aktiv: Wenn jetzt nach dem Resturlaub der Unruhestand anfängt, was machst du dann?
Walther Andreaus: Ich habe über 40 Jahre im sozialen Bereich gearbeitet, ich lasse dies jetzt mal auf mich einwirken und bin nicht auf der Suche nach neuer Arbeit. Doch einige sinnstiftende Aufgaben, die mir gefallen, könnte ich, nach einer Pause, sicher übernehmen. Ich werde mich, wie viele Rentner, mit den Schwierigkeiten auseinandersetzen das neue Leben zu gestalten – einerseits aktiv zu bleiben und andererseits dem Umstand gerecht zu werden, dass die Kräfte nachlassen. Ich möchte jedoch nicht, dass der Terminkalender in Zukunft voller denn je ist.
Wir bedanken uns für das Gespräch lieber Walther und wünschen dir alles, alles Gute für die Zukunft.