Aktuell

Der Autonomiekonvent
und die Ladiner

Interview mit Professor Paul Videsott
Professor Paul Videsott
Aktiv: Prof. Videsott, was erwarten sich die Ladiner vom Autonomiekonvent?
Ich kann nicht für die Ladiner, aber als Ladiner sprechen. Als Ladiner erhoffe ich mir, dass alle im derzeitigen Autonomiestatut bestehenden Ungleichbehandlungen der ladinischen Volksgruppe beseitigt werden und dass darüber hinaus ein konkreter Schritt in Richtung nachhaltiger Ausbau der Autonomie auch für die Ladiner, gemacht werden kann.
Aktiv: Was meinen Sie mit „bestehenden Ungleichbehandlungen“?
Es gibt im derzeitigen Autonomiestatut eine Reihe von Bestimmungen, welche die Ladiner von gewissen (politischen) Ämtern, Positionen und Kommissionen ausdrücklich ausschließen, und zwar unabhängig vom Proporz. So darf z.B. derzeit ein Ladiner in ganz Italien Richter am TAR werden, nicht aber in Bozen. Dies nicht wegen des fehlenden Proporzes, sondern weil diese Richterstellen explizit der deutschen und italienischen Sprachgruppe vorbehalten sind. Solche Bestimmungen gehören geändert.
Aktiv: Inwiefern kann die Autonomie für die Ladiner spezifisch ausgebaut werden?
Dazu muss ich etwas weiter ausholen. Das Erreichen des zweiten Autonomiestatuts war ein gemeinsames Anliegen der deutschen und ladinischen Volksgruppe, die ja beide von Italien majorisiert wurden. Das Ziel war ein gemeinsames und deswegen wurden die Bedürfnisse der Ladiner vielfach „mitgedacht“, ohne sie in der gleich expliziten Form zu erwähnen, wie es für die deutsche Volksgruppe gemacht wurde.
In der Umsetzung der Bestimmungen hat sich aber gezeigt, dass zwischen deutscher und ladinischer Volksgruppe doch auch beträchtliche Unterschiede bestehen. Zum einen die unterschiedliche Größe, was sich auf den Proporz auswirkt und dann die Tatsache, dass die deutsche Volksgruppe als ganze in Südtirol lebt, während drei von fünf historischen ladinischen Tälern außerhalb davon sind. Es gibt außer den Art. 6 der italienischen Verfassung kein einziges Gesetz im sprachlich-kulturellen Bereich, das für die gesamte ladinische Volksgruppe gilt. Für den Fortbestand der Ladiner ist diese Trennung nicht gerade ideal. Und nicht zuletzt: die deutsche Volksgruppe hat eine gemeinsame Schriftsprache zur Verfügung. Wenn aber in den Bestimmungen von „Ladinisch“ die Rede ist, wird dies konkret mit Gadertalisch und Grödnerisch interpretiert: einerseits zu wenig (es gibt fünf ladinische Idiome), andererseits zu viel des Guten: denn viel sinnvoller wäre auch für die Ladiner eine einzige Standardsprache, das Ladin Dolomitan. Über das Ladin Dolomitan wird kontrovers diskutiert. Von meiner Warte aus kann ich nur sagen, dass es alle Ladiner der fünf Täler verstehen, so wie die deutschen Südtiroler, welche die Dialekte der verschieden Täler Südtirols sprechen, alle das Standarddeutsch verstehen. Das Schreiben muss aber in beiden Fällen erlernt werden.
Aktiv: Wie kann man diesen grundsätzlichen Problemen abhelfen?
Indem man Grundsatzentscheidungen trifft. Falls das Statut eine Präambel bekommt, dann sollte sie nicht nur auf die Europaregion Tirol, sondern auf das gesamte Alttiroler ladinische Gebiet Bezug nehmen, also unter Einschluss von Buchenstein und Ampezzo. In der Zwischenzeit sollte Südtirol seine historische Verantwortung für dieses Gebiet wahrnehmen, wie es ja auch Österreich in Bezug auf Südtirol getan hat. Und wie Österreich schon lange vor seinem EU-Beitritt die deutsch- und ladinischsprachigen Südtiroler den eigenen Staatsbürgern gleichgestellt hat, sollte dies Südtirol in Bezug auf die 5.000 Ladiner in Buchenstein und Ampezzo tun. Und auch wenn das Referendum von 2007, mit dem die drei Gemeinden Cortina, Colle und Buchenstein für die Rückgliederung an Südtirol gestimmt haben, derzeit im Parlament versandet, sollte eine eventuell Angliederung dann ohne Änderung des Autonomiestatuts möglich sein. Vor allem ist aufzupassen, dass für die Ladiner in Zukunft Regional- und Provinzgrenzen nicht eine größere Hürde für eine Zusammenarbeit darstellen als Staatsgrenzen.
Der zweite zentrale Punkt ist die gemeinsame (Schrift)Sprache: Ideal wäre es, wenn für jene Fälle, wo das Statut von „Ladinisch“ spricht, in Zukunft die bereits existierende Schriftsprache Ladin Dolomitan zugelassen werden würde. Derzeit ist sie nämlich in Südtirol offiziell sogar verboten.
Aktiv: Was wären konkrete Anliegen in Bezug auf die Reform des Statuts?
Da gibt es eine ganze Reihe. Sie betreffen wie gesagt den Zugang der Ladiner zu allen Ämtern und Positionen; die Vertretung der Ladiner im Landtag und in der Landesregierung (mit nur einem Abgeordneten sind sie proportional deutlich unterrepräsentiert) und in allen für sie relevanten Kommissionen. Wichtig wäre auch eine Öffnung des Proporzes vor allem bei den höheren Stellen, damit die Ladiner nicht gezwungen sind, sich für diese Stellen anders zu erklären (derzeit sind auf Landesebene 14 Stellen der gleichen Kategorie notwendig, damit es laut Proporz automatisch auch eine für einen Ladiner trifft; die höheren Stellen sind fast alle außerhalb des ladinischen Gebietes angesiedelt). Deutsche und Italiener können ihre Muttersprache in Ladinien in der Schule lernen, dieses Recht sollte umgekehrt auch den immer zahlreicher werdenden Ladinern außerhalb der Täler nicht vorenthalten werden (in Städten wie Bozen, Brixen oder Bruneck leben teilweise mehr Ladiner als in einigen ladinischen Ortschaften), usw. In dieser Hinsicht haben Verbände und Privatpersonen ja bereits einige Vorschläge vorgebracht.
Wichtig erscheint mir, dass diese Gelegenheit, auch für die ladinische Volksgruppe spezifische Rechte einzufordern, nicht aus falscher Bescheidenheit ungenutzt verstreicht.
Univ. Prof. Dr. Paul Videsott, aus Al Plan/St. Vigil in Enneberg, ist Professor für Romanische Philologie/Ladinistik an der Freien Universität Bozen (www.unibz.it) und wissenschaftlicher Leiter des Südtiroler Volksgruppen-Instituts (http://svi-bz.org). Seine wissenschaftliche Laufbahn führte ihn von Innsbruck über Salzburg und Paris, wo er Schrödinger-Stipendiat an der École nationale des chartes war, an die Fakultät für Bildungswissenschaften nach Brixen, wo er die ladinische Abteilung leitet. Seine Arbeitsschwerpunkte sind das Altfranzösische, das Altitalienische und das Ladinische. Mit Ruth Bernardi ist er Autor der dreibändigen „Geschichte der ladinischen Literatur“ (2013), mit Christoph Pan und Beate Sybille Pfeil der Neuauflage des „Handbuch der europäischen Volksgruppen Bd. 1“ (2016). Aktuell leitet er u.a. das Grundlagenprojekt „Wörterbuch des literarischen Ladinischen“ (http://vll.smallcodes.com).

Aktuell

Unverständlicher Alleingang beim Bausparen

Das Bausparmodell soll jungen Menschen die Realisierung des Eigenheims und eine damit zusammenhängende finanzielle Absicherung im Alter ermöglichen. Dies ist aus gewerkschaftlicher Sicht zu begrüßen und zu unterstützen. Zu verurteilen ist allerdings, dass Landesrat Christian Tommasini, wohlgemerkt ohne Vorabinformationen, erneut Hand am Bausparen anlegen und zwei Dämpfer einbauen will, die den Anreiz einen Bausparvertrag abzuschließen deutlich reduzieren dürften.
Aktuell können Personen, die mindestens 15.000 Euro in einem konventionierten Zusatzrentenfonds angehäuft haben und seit mindestens acht Jahren eingeschrieben sind, das Bausparen in Anspruch nehmen.
Aktuell können Personen, die mindestens 15.000 Euro in einem konventionierten Zusatzrentenfonds angehäuft haben und seit mindestens acht Jahren eingeschrieben sind, das Bausparen in Anspruch nehmen. Höchstens die doppelte Summe des angesparten Kapitals kann man dann – bei positivem Bankgutachten - als Bauspardarlehen beantragen, welche man zu einem Fixzinssatz von 1,5 Prozent innerhalb maximal 20 Jahren zurückzahlen muss.
Das Südtiroler Bausparmodell ermöglicht zwei verschiedene Rückzahlmodelle für die man optieren kann:
1. Das französische Modell, wonach bis zum Ende der Laufzeit Kapital und Zinsen parallel zurückgezahlt werden.
2. Das Bullett-Modell, wonach zunächst nur die Zinsen zurückgezahlt werden müssen. Nach Ende der Darlehenslaufzeit wird per Einmalzahlung die Kapitalschuld getilgt. Das Kapital für die Einmalzahlung kann man dann aus dem Zusatzrentenfonds nehmen - eine immense Entlastung für den Darlehensnehmer.
Der Landesrat Christian Tommasini hat nun ohne Bekanntmachung vor, das Bullett-Modell abzuschaffen. Eine Tatsache, die die Attraktivität des Bausparens deutlich schmälert und deren Sinn nicht nachvollziehbar ist, da ein Viertel aller Darlehensnehmer dieses Modell in Anspruch genommen hat. Eine weitere nicht nachvollziehbare Handlung von Landesrat Tommasini ist die Senkung der Höchstbeträge für Einzelpersonen bzw. Paare. Während der Höchstbetrag für Einzelpersonen künftig um 50.000 Euro auf 150.000 Euro herabgesetzt wird, können Paare höchstens ein um 100.000 Euro reduziertes Darlehen von 200.000 Euro in Anspruch nehmen.
Der ASGB hat kein Verständnis für die Umsetzung von Tommasinis Plan, da dadurch ein gut funktionierendes und innovatives öffentliches Projekt mit einem Mehrwert für Südtirol in mehrfacher Hinsicht, wieder abgeschwächt wird. Deshalb wurde von Seiten des ASGB auch ein Schreiben an alle Landesregierungsmitglieder gesandt, um die negativen Auswirkungen dieses Vorhabens zu verhindern.