ASGB-Bildungs- und Kulturfahrten

Septemberfahrt nach Innsbruck

Am Donnerstag, den 2. September 2004
Viele Mitglieder sind dem ASGB dankbar, dass er seit kurzem einige Fahrten nach Innsbruck veranstaltet. Mitte September beginnt die Schule. Die Kinder brauchen Allerlei, und deshalb haben wir für Euch eine Fahrt ins Einkaufszentrum „Dez" auf das Programm gesetzt.

Thema

Arme Jugend

Wir erinnern uns: Zehn Millionen ArbeitnehmerInnen traten Ende Oktober des letzten Jahres in einen Generalstreik gegen den Abbau der Rente, mehr als eine Million demonstrierte auf den Plätzen aller Städte. Nach den Plänen der Regierung Berlusconi sollen die ArbeitnehmerInnen von 2008 an später in Rente gehen und mehr Beitragsjahre für die Rentenversicherungen nachweisen. Derzeit brauchen sie 35 Beitragsjahre und können dann schon mit 57 in Rente gehen. Ab 2008 müssen die ArbeitnehmerInnen dann 40 Jahre in die Rentenversicherung eingezahlt haben oder mindestens 60 Jahre alt sein und 35 Beitragsjahre vorweisen, um ihre volle Rente zu bekommen.
Die Folgen sind schwerwiegend, und daran ändert auch die Tatsache nichts, dass das für die Reform relevante Stichjahr 2008 erst in die nächste Legislaturperiode fällt und so kein unmittelbarer Leistungsabbau droht. Wie Deutschland und Frankreich steht auch Italien vor dem Problem, dass die Kosten für das Rentensystem - die derzeit 15 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ausmachen - wegen der niedrigen Geburtenrate und einer höheren Lebenserwartung immer weiter steigen. Die gesetzliche Rente beruht noch immer auf den seit 30 Jahren überholten Prämissen einer Vollbeschäftigungsgesellschaft, die jedem Erwerbsarbeit versprach und auskömmliche Altersrenten an eine männlich geprägte Lohnarbeitsbiografie knüpfte. Zugleich setzt unser umlagefinanziertes Rentensystem einen – längst gekündigten - Generationenvertrag voraus: Die erwerbsfähige Generation erwirtschaftet Rentenbeiträge für Ältere und erwirbt dadurch Ansprüche. Aber eines wird dabei oft übersehen: Pflicht der nachwachsenden Generation ist es, sich in Schule und Ausbildung auf das Erwerbsleben vorzubereiten. Daran gekoppelt ist das Recht auf Chancen, diese Ansprüche auch erfüllen zu können. Solche Chancengerechtigkeit sucht man aber vielfach vergebens. Ursachen liegen in einem in Italien seit Jahren unterfinanzierten Bildungs- und Betreuungssystem. Zugleich fehlt es vielfach an Hilfen, die es ärmeren Familien ermöglichen, aus eigener Kraft ihre Kinder angemessen zu versorgen. Während man in Frankreich die Rentenreform mit einer neuen Familienförderung begleitet, sind wir in Italien noch weit davon entfernt. Der demografische Wandel gilt als Tatsache, die Notwendigkeit für mehr Familienförderung im Rentensystem wird aber ignoriert. Stattdessen wird auf eine längere Lebensarbeitszeit gesetzt und die Rückkehr zur Vollbeschäftigung der "Wirtschaftwunder"-Ära gepredigt. Eine zahlenmäßig geschrumpfte, aber hochproduktive Nachwuchsgeneration könne demnach durch längeres Arbeiten die Rentenlast schultern. Plausibel ist dies nach Meinung von Experten aber nicht. Denn die ohnehin vergleichsweise kleine Nachwuchsgeneration wird durch eine hohe Armutsquote unter Kindern und Jugendlichen mitsamt deren Folgeproblemen geschwächt: Gesundheitliche Beeinträchtigungen, Entwicklungsdefizite und eine fehlende Förderung schon im Kindesalter münden in Kombination mit einer massiven Bildungs- und Ausbildungsbenachteiligung künftig bei vielen in dauerhaft geringen Arbeitsplatzchancen. Einen großen Einfluss hat auch die gesundheitliche Situation: Ein Drittel aller Rentenneuzugänge kommt bereits jetzt allein in Deutschland aufgrund einer Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit zustande. Welchen Sinn macht das Plädoyer für eine längere Lebensarbeitszeit, wenn Politik sich gleichzeitig damit abfindet, dass aufgrund unbefriedigender Lebensverhältnisse immer mehr Kinder an Übergewicht, motorischen Störungen und chronischen Erkrankungen leiden? In einer derartigen Arbeitsgesellschaft ohne Vollbeschäftigung schützen in Zukunft auch gute Sprachkenntnisse und Bildungs- und Ausbildungsabschlüsse nicht immer vor Arbeitslosigkeit und biografischen Abstürzen. Aber sie stärken die Fähigkeiten, mit Unsicherheiten umzugehen, nach biografischen Brüchen neu zu beginnen und auch im letzten Lebensdrittel aktiv zu sein. Dazu sind heute massive Investitionen bei Bildung und Familienförderung erforderlich. Dies macht eine Umkehrung des Generationenvertrages unumgänglich: Damit die heute Jungen künftig länger arbeiten können, um ihrer Verantwortung für die dann Älteren gerecht zu werden, ist jetzt in der Familien- und Bildungspolitik eine stärkere Unterstützung von Kindern und Jugendlichen nötig. Und was Rom nicht machen will, können und sollen wir in Südtirol tun!