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Georg Pardeller:

„Wir sind eine Kraft"

Georg Pardeller begann mit einem historischen Rückblick auf die vierzig Jahre, die seit der Gründung des ASGB vergangen sind, und schilderte das Ringen unserer Gewerkschaft um Eigenständigkeit und vor allem um die Rechte der Arbeiterschaft im Sinne echter sozialer Gerechtigkeit. Er führte aus:
„Heute sind wir eine Kraft, die einen der Reichtümer unseres Landes darstellt. Wir sind die soziale Kraft Südtirols, wir sind die Komponente unseres Volkes, die soziale Gerechtigkeit einfordert. Ohne soziale Gerechtigkeit kann die demokratische Gesellschaft nicht auskommen. Deshalb stellen wir auch eine große demokratische Kraft dar.
Der ASGB suchte in einer nicht einfachen, sondern im Gegenteil recht komplizierten Lage seinen Weg: Eine Gewerkschaft zu sein, die den Arbeitern zu ihren Rechten verhilft, die soziale Gerechtigkeit anstrebt und bereit ist, dafür auch zu kämpfen. Es war alles eher als einfach. Zwar gab es die offizielle Unterstützung der regierenden Sammelpartei, und im Besonderen des damaligen Landeshauptmannes Silvius Magnago, seines Stellvertreters Alfons Benedikter und weiterer Politiker, aber nicht alle dachten so wie sie. Ein Teil der Bevölkerung war von allem Anfang an gegen die Gewerkschaften. Es war für sie nicht einfach, einzusehen zu beginnen, dass der Arbeiter kein Knecht im überlieferten Sinne ist, sondern ein Mensch mit Pflichten, Rechten, Ansprüchen, Hoffnungen und Erwartungen.
Gleichgestellt
Heute ist der ASGB den nationalen Gewerkschaften gleichgestellt. Er ist ein Gewerkschaftsbund mit fast 30.000 Mitgliedern. Wir sind ein Bund aus sechzehn Fachgewerkschaften, die in alle Bereiche des öffentlichen und privaten Wirtschaftslebens hineinreichen. Wir verfügen über rund fünfzig fest angestellte Mitarbeiter, über Hunderte von Betriebsräten und Gewerkschaftsvertretern vor Ort und über freie Mitarbeiter, die dem ASGB ein Fachwissen geben, das der Arbeiterschaft immer und überall zur Verfügung steht. Wir haben moderne Einrichtungen, in denen wir unsere Arbeit leisten, und wir gehen als ein kollegial geführtes soziales Unternehmen unseren Weg. Wir haben in Bozen ein eigenes Gewerkschaftshaus. Es gehört der Südtiroler Arbeiterschaft und wir sind alle stolz darauf. Wir haben Büros in allen Bezirken. Wir sind überall vertreten, wo es um die Interessen der Arbeiterschaft und ganz allgemein um die soziale Gerechtigkeit geht. Wir reden mit und wir entscheiden mit.
Gegenwart und Zukunft
Es gibt in Südtirol mehr als 20.000 Familien, die am Rande des Wohlstands, oder, um es drastischer zu sagen, am Rande der Armut, leben, deren Einkommen nicht mehr für ein würdiges und sicheres Auskommen reicht. Es gibt viele Tausende von Rentnern, die durch die bereits erfolgten und die noch anstehenden Pensionsreformen in wirtschaftliche Bedrängnis gekommen sind und in Zukunft noch kommen werden.
Es gibt Unternehmer, die erklären, die Arbeiter seien zu teuer. Das stimmt nicht. Es hat in den letzten Jahren wohl laufend Preissteigerungen gegeben, aber kaum Lohn- und Gehaltserhöhungen. Die Schere klafft immer weiter auseinander. Das ist die Wahrheit. Es gibt neue Formen der Arbeit, die ich, offen gesagt, zum Teil als neue Formen der Verunsicherung bezeichne, weil sie die Sicherheit des Arbeitsplatzes untergraben und dazu beitragen, dass Arbeitgeber sich mehr und mehr aus der Verantwortung für ein festes soziales Gefüge herausschälen können. Das nennt man dann Flexibilität.
Es gibt eine öffentliche Hand, die unter dem Druck starker wirtschaftlicher Interessengruppen manches Mal darauf vergisst, dass öffentliche Investitionen und öffentliche Beiträge zur Wirtschaftsförderung eine klare soziale Verpflichtung und Dimension beinhalten müssen.
Es gibt unzählige Familien, die nach Hilfe rufen, aber nicht gehört werden, weil die Politik mit ihren familienorientierten Vorsätzen zu langsam vorwärts kommt.
Es gibt junge Familien, die ein eigenes Heim haben möchten, es sich aber nicht leisten können, weil die Preise, gemessen am Einkommen, zu hoch sind und die öffentliche Hand, trotz großzügiger Förderungsmaßnahmen, auch nicht Schritt halten kann mit einer Welle der Teuerungen, die jeder Kontrolle zu entgleiten droht. Es gibt alte Menschen, Menschen mit Behinderung, Ausgegrenzte, die stärker am allgemeinen Wohlstand beteiligt werden möchten und zwar viele offene Türen, aber auch manche noch geschlossene vorfinden, weil unsere Gesellschaft dabei ist, im generellen Rennen nach immer mehr Wohlstand und Reichtum ihr soziales Herz zu vergessen.
Strategie
Der ASGB hat mit Blickrichtung auf diesen 11. Bundeskongress ein Strategiepapier ausgearbeitet, das in der Jubiläumsbroschüre enthalten ist. Darin behandeln wir alle aktuellen Themen. Zum Beispiel den Wert der Arbeit. Die Arbeit bildet die Voraussetzung für die Selbstverwirklichung des Menschen. Arbeit hat ihren Preis, so wie die Würde des Menschen, zu der das Recht auf Arbeit gehört, ihren Preis hat. Diesen Preis muss unsere Gesellschaft zu zahlen bereit sein. In der Arbeit ist alles enthalten, was das Leben der Menschen lebenswert macht: Das Auskommen, die Wohnung, die Gesundheit, die Bildung, die Freizeit, die Pflege der Familie und der Kinder, die Altersvorsorge.
Rolle der Familie
Das Leben der Familie hat sich sehr verändert, die Rolle der Frau in der Gesellschaft hat sich gewandelt, und die Politik muss darauf eingehen. Die Mündigkeit der Frau ist von unserer Gewerkschaft beständig vertreten und eingefordert worden. Trotzdem bestehen noch immer Diskriminierungen, die wir nicht hinnehmen. Wir sind eine aufgeschlossene Gesellschaft, die nach vorne strebt, und wir wollen, dass die Frauen mitgehen. Wir fordern mit ihnen den vollen Respekt der Gesellschaft.
Die Arbeitsplätze müssen familien- und frauenfreundlicher gestaltet werden, Kindererziehung und Altersabsicherung verlangen neue Maßnahmen. Der gute Nährboden für die Familie ist ein in jeder Hinsicht gesichertes Umfeld. Dazu gehören Wohnung, Anerkennung der Erziehungsarbeit, soziale Dienste, flexible Arbeitsmöglichkeiten, Betreuungseinrichtungen, wirtschaftliche Sicherheit, Sicherheit des Arbeitsplatzes, des Einkommens, der gesundheitlichen Versorgung, eine freundlich gestaltete Umwelt. Wo die Familie in Unsicherheit, unter Stress lebt, ist die heile Welt in Gefahr. Diese Gefahr können wir uns nicht länger leisten.
Einkommen
Breite Streuung des Einkommens belebt die Wirtschaft. Es ist der Volkswirtschaft nicht zuträglich, wenn nur ein Teil der Bevölkerung Geld hat, der andere Teil nicht. Wir sagen es immer: Arbeit muss sich lohnen. Was die Arbeiterschaft für die Volkswirtschaft leistet, ist den Preis sehr wohl wert. Es ist eine alte Weisheit: Geht es dem Arbeiter gut, geht es der Volkswirtschaft auch gut. Und umgekehrt. Wir sind damit einverstanden, dass die Wirtschaft aus unseren Steuermitteln Fördergelder erhält und investieren kann, denn wir leben alle von der Wirtschaft. Aber diese Gelder beinhalten auch eine soziale Verantwortung. Darunter verstehen wir auch, dass die so genannten neuen Formen der Arbeit sozial verträglich eingesetzt und nicht missbraucht werden, um billigere Arbeitskräfte einzustellen, soziale Perspektiven und Altersabsicherung zu minimieren, dafür aber die Gewinne zu maximieren. Ebenso bedauern wir, wenn Betriebe, die mit unseren Steuermitteln aufgebaut worden sind, ihre Produktion aus Südtirol weg verlegen, weil anderswo die Arbeit billiger ist. Einkommen sichern, soziale Standards halten ist das Mittel, um neue Armut zu verhindern.
Verantwortung in der Politik
Politik steht für Gemeinwohl. Der ASGB ist durch meine Person – mit großem Wahlerfolg – in die Politik eingetreten. Es war ein einstimmiger Beschluss unserer Führungsgremien. Wir sind davon ausgegangen, dass eine so große und starke Arbeitervertretung wie der ASGB politisch nicht abseits stehen darf und alle Möglichkeiten ausschöpfen muss, um die größtmögliche Plattform für den Einsatz im Interesse der Arbeiterschaft zu haben. Wir sind grundsätzlich der Auffassung, dass sich in allen vitalen Problemen unseres Landes Mehrheit und Opposition immer der offenen Diskussion stellen und das Brauchbare für unser Land und unser Volk durchsetzen sollen.
Soziale Fragen
Ich habe bereits kurz angeführt, dass es im sozialen Bereich heute Probleme gibt. Die Wohnungspolitik muss einkommensgerechter gestaltet werden, die Gesundheitspolitik muss dem Recht auf Gesundheit aller in wirtschaftlich verträglicher Weise gestaltet werden. Also keine neuen Belastungen für die Steuerzahler, dafür aber gezielte Haushaltsumlagen des Landes, und Beibehaltung aller erreichten Standards. Die Zusatzrentenbildung muss von der öffentlichen Hand noch gezielter als bisher unterstützt werden, um die Gefahr der Altersarmut von Generationen rechtzeitig zu bekämpfen. Hier muss die Wirtschaft noch einiges aufholen. Es ist eine Frage der Solidarität und der Vernunft, dass die Gesellschaft von heute für die Zeit von morgen vorsorgt, damit die Gesellschaft von morgen nicht ärmer wird und damit unweigerlich neue soziale Belastungen produziert.
Das gilt auch für die Pflegevorsorge. Sie ist unerlässlich für alle und sie muss von der gesamten Gesellschaft getragen werden, das heißt mit den Steuereinnahmen. Alle sollen sich nach ihrem Einkommen an dieser sozialen Entscheidung beteiligen, die wir heute unseren schwer geprüften Mitbürgerinnen und Mitbürgern, und morgen möglicherweise – oder sicher - uns selbst garantieren müssen. Das ist ein Gebot menschlicher Solidarität. Es ist eine Frage der Würde, des Respekts und der ethischen Wertehaltung, dass eine reiche Gesellschaft die Bereitschaft findet, für die globale Begleitung des Menschen in Not von der Wiege bis zum Grabe einzustehen.
Sozialpartnerschaft
Der ASGB hat in den vierzig Jahren seines Bestehens ein tragbares Verhältnis zur Wirtschaft hergestellt. Wir waren in Südtirol die Mitbegründer des sozialpartnerschaftlichen Dialogs. Das entspricht unserer Auffassung vom dynamischen Verhältnis zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern. Ich habe den Wirtschaftsverbänden vor einiger Zeit eine umfassende Denkschrift überreicht, in der alle wichtigen wirtschaftlichen und sozialen Fragen der Gegenwart Südtirols angeführt werden. Und wir erwarten und verlangen, dass wir auf dieser Grundlage in den nächsten Monaten intensiv beraten und verhandeln, um Missverständnisse abzubauen und gemeinsam neue Wege zu finden. Wir wollen der Politik neue Vorschläge machen und sie herausfordern. Das ist nur dann tragfähig und erfolgreich, wenn wir gemeinsam planen und gemeinsam vorgehen. Das betrifft auch die laufende Teuerung, die Preisgestaltung, die immer größer werdende Schere zwischen Einkommen und Auskommen.
Unsere Ziele sind, um es noch einmal deutlich zu unterstreichen, soziale Gerechtigkeit, sicheres Einkommen, umweltverträglicher Wohlstand, gute Bildungschancen, Gesundheits- und Altersvorsorge, Wohnung, familiengerechtes Umfeld, gesunde Umwelt, Erhaltung der angestammten Sprache und Kultur, eine gute öffentliche Verwaltung, die dem Bürger nahe steht und nicht Selbstzweck ist, Erhaltung des sozialen Friedens, Solidarität, Mündigkeit, Mitbestimmung.
Dank an alle
Mein Dank geht in erster Linie an alle Mitglieder des ASGB, die sich unermüdlich für die Südtiroler Arbeiterschaft einsetzen; an die Aktivisten und Mitarbeiter, an alle, die draußen, in den Städten und in der Peripherie, tagtäglich ihre Frau/ihren Mann stellen und sich nie von unserem Weg abbringen lassen; an unsere sechzehn Fachgewerkschaften, die einen großen Reichtum an Erfahrung mit ebensolch großem Einsatz verbinden.
Ich danke auch den konföderierten Gewerkschaften, den Wirtschaftsverbänden, welche die Sozialpartnerschaft ernst nehmen. Ich danke auch der Politik, die sich um soziale Offenheit und Ausgewogenheit bemüht. Ich danke den Medien, ohne deren Hilfe unsere Anliegen nicht genügend in die breite Öffentlichkeit kommen könnten, und ersuche sie, auch in Zukunft den sozialen Fragen Aufmerksamkeit und, wenn möglich, noch mehr Gewicht zu geben. Glück auf!"

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Die Festansprache von Harald Ettl

Dr. Harald Ettl, SPÖ-Abgeordneter zum Europäischen Parlament, seit vielen Jahren an höchster Stelle des ÖGB tätig, ein Kenner der europäischen Gewerkschaftsszene und mit dem ASGB seit vielen Jahren in enger Freundschaft verbunden, hat in seiner Rede das europäische Gewerkschaftswesen, seine Aufgaben, seine Zukunftsverpflichtungen und die Rolle der Sozialpolitik ganz allgemein behandelt. Er sagte unter anderem folgendes:
„Ich darf die Glückwünsche des Österreichischen Gewerkschaftsbundes an die Südtiroler Gewerkschaft, an den ASGB überbringen und das mit besonderer Herzlichkeit tun. Das insbesondere deshalb, weil unsere beiden Organisationen viel miteinander verbindet. Wir arbeiten auf vielen Ebenen gut zusammen und werden das auch in Zukunft tun, bei den vielen Herausforderungen, die uns noch bevorstehen.
Das Ringen um soziale Gerechtigkeit schließt die tägliche Arbeit mit der sozialen Gerechtigkeit ein. Es bedeutet einen permanenten Kampf um Ausgleich und um Balance, nach wie vor zwischen Arm und Reich. Es geht nach wie vor um Verteilungskämpfe. Wer kriegt mehr, wer sind die Menschen am unteren Ende der Lohn- und der Sozialskala. Es geht in diesem Kampf um mehr soziale Ausgewogenheit, um mehr soziale Gerechtigkeit, auch um einen Kampf mit uns selbst. Warum? Weil wir an unserer Sensibilität, an unserer Empfindsamkeit für sozial Schwache und alte Menschen permanent zu arbeiten haben und permanent arbeiten müssen. Beim Ringen um soziale Gerechtigkeit geht es auch darum, dass diese eng verbunden ist mit einem lebenslangen Lernen an der eigenen Toleranzfähigkeit, mit dem Ausbau der eigenen Toleranz gegenüber anderen, gegenüber Neuem, gegenüber die in uns tief sitzenden Egoismen. Das ist eine Herausforderung, der wir uns in vermehrtem Ausmaß zu stellen haben. Je besser die Wohlstandssituation ist, umso mehr geht es darum, eigene Egoismen zu überwinden. Das alles schließt den Umgang mit dem Ringen um die soziale Frage mit ein. Es geht um Balance, es geht um Ausgewogenheit und es geht um Empfindsamkeit, es geht um Sozialarbeit der Gewerkschafter.
Wenn wir über Sozialpartnerschaft reden, vergessen wir nur zu oft als Gewerkschafter zu sagen, dass wir Teil der Wirtschafts- und Sozialpartnerschaft sind. Das ist ganz elementar und wichtig für uns, weil wir uns nicht nur auf die soziale Frage reduzieren lassen sollen. Wir sind Teil der Wirtschaftspolitik, und das Zusammenspiel von sozial und wirtschaftlich ist unumgänglich und genau das kann die Ausgewogenheit bringen. Überall dort, wo die drei Partner: Regierung, Arbeitgebervertreter und Gewerkschaften im Stande sind, miteinander und nicht gegeneinander zu arbeiten, dort funktioniert auch die Sozialpartnerschaft, unabhängig von der politischen Färbung der jeweiligen Regierungen.
Die eine oder andere Arbeitnehmerorganisation hat Orientierungsschwierigkeiten, kann sich aus vielerlei Gründen nicht bewegen. Aber auch für die Gewerkschaften heißt es, sich der Zeit anzupassen, beweglicher zu werden. Auch wenn viele sagen, die Gewerkschaften sollen in ihren Verträgen immer flexibler werden. Wenn die Flexibilität, die Beweglichkeit, einseitig ausgelegt wird und der Arbeitnehmer den Kürzeren zieht, dann ist das keine Ausgewogenheit. Aber weil Ausgewogenheit da sein muss, geschaffen werden muss, brauchen wir die Wirtschafts- und Sozialpartnerschaft und haben wir in der EU die Vorkehrungen dafür.
Das Bewusstsein unter GewerkschafterInnen baut auf Tradition. 40 Jahre und vieles mehr bilden unseren wichtigsten Schatz, den wir in der Gewerkschaftsgeschichte haben. Das ist unsere Tradition, es ist die Arbeitergeschichte, die Gewerkschaftsgeschichte, und genau aus der können wir am meisten lernen. Sie soll uns Auftrag und Hilfe sein, Neues zu bewältigen und größte Schwierigkeiten und Probleme lösen zu können. Wir haben genug neue Aufgaben. Sorgen und Ängste begleiten uns auf allen Ebenen. Betriebsauslagerungen wurden heute angesprochen, auf neudeutsch heißt es so schön „outsourcing". Ganze Unternehmen werden von Konzernen ausgelagert. Dorthin, wo es am billigsten ist, Dienstleistungen werden ausgelagert, irgendwo bleibt irgendwer auf der Strecke, in der Regel sind es die Arbeitnehmer. Das heißt dann Globalisierung. Darüber gibt es genug Bücher und Analysen, aber eines steht fest: Die Globalisierung, immer mehr, immer raschere Veränderung, hat an Dynamik zugelegt und wird noch weiter an Dynamik zulegen. Wir müssen uns als Gewerkschaften sehr wohl gute Strategien zurecht legen, wie wir dem begegnen können. Die Herausforderungen für die Gewerkschaften haben wir europaweit, haben wir aber auch weltweit.
Vor welchen Herausforderungen stehen wir in der EU? Gestern waren wir 15, heute sind wir 25, wir wissen noch nicht, wie wir die zehn neuen Mitgliedsstaaten intern bewältigen. Da können die zehn Neuen nichts dafür, wenn sich die 15 Regierungen Europas vorher nicht richtig auf den Prozess der Erweiterung eingestellt haben. Die Schwierigkeiten, die uns in den nächsten fünf Jahren innerhalb der EU bevor stehen, greifen tief in die Arbeitnehmerpolitik ein. Da geht es darum, dass es innerhalb der EU zu keinem Lohndumping kommt, dass Arbeitnehmer in Österreich oder in Südtirol in nächster Zukunft bei stärkerer Arbeitgeberfreiheit nicht vom Kollektivvertrag her, sondern durch neue Arbeitsverhältnisse besonderer Art unterfahren werden können. Da geht es darum, dass wir die internen Schutzmechanismen der Kollektivvertragsräume ausbauen müssen zum Schutz derer, die dort leben, aber auch zum Schutz derer, die von außen kommen und bei uns arbeiten, damit sie nicht ausgebeutet werden.
Es geht natürlich in erster Linie darum, wie wir Arbeitsplätze in Europa halten, wie wir Arbeitsplätze schaffen können, wie die Politik das Zusammenspiel Wirtschaft und Soziales gestaltet. In allen Mitgliedsländern haben wir immer mehr die Tendenz, dass wir in Wirklichkeit mit 40 bereits uralt sind, ab 50 sowieso keinen Job mehr bekommen, und ab 60 da wollen wir gar nicht mehr darüber reden. Das ist die Situation, mit der wir konfrontiert sind und die wir vernünftig angehen und lösen müssen. Es geht um Arbeitsplätze, um soziale Sicherung für die Zukunft.
Meine letzte Botschaft an euch ist: Verstecken wir uns nicht nur hinter den Tagesproblemen, die wir zu Hause, im Betrieb haben. Das sind immer die größten. Der Betriebsrat hat es sicher sehr schwer, weil er tagtäglich mit den Sorgen und Problemen der Kolleginnen und Kollegen konfrontiert wird. Meine Botschaft an euch ist, dass wir einen verschärften Blick auf die Europapolitik werfen müssen und uns dort ungleich stärker einbringen. Wir müssen unseren Mitgliedern Europa mit all den Chancen und Risken und Problemen näher bringen. Das macht Europa für uns besser und das wollen wir. Glück auf!"