Öffentlicher Dienst
Interview-Ecke

Thema: ‘Traut’s enk, es seids net alloan’

Interview mit Frau Frieda Thomaseth, seit dem Jahr 2000 ASGB Mitglied, seit 2006 Vorstandsmitglied im ASGB Landesbedienstete. Berufsprofil ex Schulwartin, heute Amtswartin.

ASGB: Zuallererst vielen Dank liebe Frieda, für deine Bereitschaft dich interviewen zu lassen.


Thomaseth Frieda: Es ist mir ein Vergnügen und Ehre.
ASGB: Wie und wann hat deine Erfahrung mir der Gewerkschaft begonnen?

Thomaseth Frieda: Ich arbeitete seit fünf Jahren als Schulwartin. Es war im Jahr 2000. Auf der damaligen Arbeitsstelle war es so, dass die zuletzt Angekommenen die schweren Arbeiten erhielten, damit die Älteren weniger arbeiten mussten. Dies wurde vom Arbeitgeber so beschlossen. Am Anfang empfand ich dies, auch wenn ungerecht, als ganz normal, da ich es von der Privatwirtschaft gewohnt war all das zu machen, was tagtäglich anfiel. Damals war ich sehr jung und noch sehr fit. Die fixe Arbeitsstelle war mir sehr wichtig! Nie hätte ich mir gedacht, dass eine öffentliche Stelle so viel schlimmer hätte sein können, als in der Privatwirtschaft. Ich erlebte tagtäglich die Ungerechtigkeiten, aber ich traute mich einfach nichts dagegen zu sagen oder zu unternehmen. Die Ungerechtigkeit lag darin, dass ich viel mehr reinigen musste als vorgesehen war. Die Überlegung der Führungskraft war, dass sie es bevorzugte die Arbeiten denjenigen zu geben, die wirklich gut putzten und unter denen war ich leider auch. Dies ging so weiter für fast vier lange Jahre. Es waren die schlimmsten Jahre meines Lebens: Horror pur! Dazu kam auch, dass wir untereinander nicht reden durften. Die Arbeitszeiten waren so aufgeteilt, dass wir praktisch keine Zeit dafür gehabt hätten. Und wenn, dann haben wir uns auch nicht getraut denn wir hatten Angst eventuell noch mehr Arbeit zu bekommen. Alles wurde nach meinen ersten Bandscheibenvorfall noch schlimmer. Meiner einziger Gedanke war: Weg von hier!
Es kam dann so, dass ich in diesem Leidensweg fast ‘zufällig’ (wenn es den Zufall gibt!) eine Gewerkschaftsfunktionärin vom ASGB kennenlernte. Sie kam auf mich zu, weil ihr jemand von mir erzählt hatte. Über mehrere Gespräche, ohne das ich Mitglied war, ermutigte sie mich ihr mein Leid zu erzählen, und die Arbeitsstelle nicht zu verlassen.
Diese Gespräche waren für mich ausschlaggebend und sehr wichtig. Endlich hatte ich jemanden gefunden der mir zuhörte, der mir das Gefühl der Vertraulichkeit vermittelte. Ich fühlte mich zum ersten Mal verstanden und aufgehoben. Sie war bereit mir zu helfen und sie hat sich für mich eingesetzt. Ab diesem Moment entschloss ich mich für die Mitgliedschaft beim ASGB, ich hatte keine Zweifel, dass war MEINE Gewerkschaft! Klar war mir auch, ich musste etwas tun, ich musste kämpfen, und nicht einfach gehen und eine sichere Arbeitsstelle aufgeben. So war es dann auch. Der ASGB hat es dann geschafft mittels Gespräche mit verschiedenen Entscheidungsträgern der Personalverwaltung eine für mich positive Lösung zu finden. Mein Leben veränderte sich schlagartig, ich konnte endlich wieder mit Zuversicht in die Zukunft schauen, endlich wieder leben!
ASGB: Was dachte man damals von den Gewerkschaften?

Thomaseth Frieda: Zu meiner Zeit war das Wort Gewerkschaft ein Schreckenswort. Man hat sich einfach nicht getraut zur Gewerkschaft zu gehen, weil uns eingeflößt wurde, dass wenn man zur Gewerkschaft geht, dies dann negative Auswirkungen auf dem Arbeitsplatz gehabt hätte. Denn eigentlich war das Arbeitsverhältnis mit Dankbarkeit zu sehen, und durfte grundsätzlich nicht in Frage gestellt werden. Man hatte Angst den Arbeitsplatz zu verlieren oder von den anderen aus diesem Grund ausgegrenzt zu werden.
ASGB: Wie ist es heute für dich? Was hat sich geändert?

Thomaseth Frieda: Nach dieser Grenzerfahrung, war ich gestärkt. Heute ist es so, dass mich meine Mitgliedschaft beim ASGB schützt. Ich bin mittlerweile auch im Vorstand des ASGB Landesbedienstete, weil ich auch anderen helfen will. Es ist noch heute so für mich, dass ich weiß, dass ich alleine kämpfen muss, aber ich bin nicht alleine. Dass macht einen großen Unterschied und ist sehr wichtig für mich!
ASGB: Was möchtest du unseren Mitgliedern ans Herz legen?

Thomaseth Frieda: Wichtig ist meiner Ansicht nach, nicht zu warten bis man die eigenen Grenzen überschreitet, sondern unter dem Motto: ‘TRAUT’S ENK und mochts den Schritt zur Gewerkschaft, es isch olles anonym’, zu reagieren. Damals war meine größte Angst, gesehen zu werden dass ich zur Gewerkschaft gehe: Wer wert ins segn, wer kennt dej, wos passiert wenn des ans Togesliacht kimp, wos passiert donn mit mir, verlier i di Orbeit, oder werd mein Orbeitsplotz nou schlimmer?
Dies um nur einige der Ängste zu nennen. Ich kann euch versichern, wenn man zum ASGB geht, wird dies immer sehr vertraulich behandelt.
Viele Kolleginnen und Kollegen fragen mich immer noch: „Hobm mir Bodenpersonal eigentlich lei Pflichten oder a Rechte?“ die Antwort lautet, wir haben Rechte wie alle anderen. Nur gehören wir der Berufskategorie der “‘Vergessenen“ an. Damit wir nicht vergessen werden, hat dieses Jahr der ASGB in Zusammenarbeit mit anderen Gewerkschaften eine Umfrage unter dem Hilfspersonal gestartet. Ich bin wirklich froh, dass 1/3 der Landesangestellten des Hilfspersonal an der Umfrage teilgenommen haben. Endlich haben wir Daten um aufzuzeigen, wieviel Probleme es in den Schulen immer noch gibt.
ASGB: Danke Frieda für deine Ehrlichkeit und deinen Einsatz. Wir wünschen dir weiterhin gute Arbeit und gutes Gelingen.

Thomaseth Frieda: Ich danke euch! Ich hoffe, dass dieses Interview andere Kolleginnen und Kollegen motiviert sich bei Ungerechtigkeiten zu wehren. Aus diesem Grund habe ich dieses Interview gerne geführt.

SSG

Die „Gute Schule“ kommt nach Südtirol

Die Schule kommt nicht zur Ruhe. Am 13. Juli ist in Rom ein stark umstrittenes Bildungsgesetz unter den allgemeinen Protesten der in der Schule Wirkenden verabschiedet worden. Mit diesem Gesetz erhebt die Regierung den Anspruch, eine italienische Schule, die im internationalen Vergleich stark abgeschlagen und somit nicht konkurrenzfähig ist, zu einer guten Schule umzustrukturieren. Aus diesem Grund hat Ministerpräsident Renzi dieses x-te Bildungsgesetz als „Buona Scuola“ massiv in den Medien präsentiert und als den großen Wandlungsprozess der italienischen Bildungswelt verkauft. Offensichtlich ist hier der Versuch gestartet worden, mit Nachdruck das Niveau der führenden europäischen Bildungsländer zu erreichen und sich den europäischen Normen und Standards anzupassen.

Daraus ist, wie so oft, ein Gesetz entstanden, das auf sehr wenig Konsens stößt. Dies liegt vor allem daran, dass die Hauptakteure, also die Schüler und die Lehrpersonen, gar nicht oder nur sehr marginal zu Wort gekommen sind. Ihre Bedürfnisse und Vorstellungen einer funktionierenden Schule sind nicht berücksichtigt worden und es sind ihnen Bestimmungen übergestülpt worden, die in der Theorie gut klingen, jedoch in der Praxis mehr schlecht als recht und mit einem erneuten, sehr großen bürokratischen Aufwand, umzusetzen sind.
Es liegt auch die Befürchtung nahe, dass man die öffentliche Einrichtung Schule z.T. den Prinzipien der freien Marktwirtschaft öffnen will.
So soll der Kompetenzbereich der Schulführungskräfte stark ausgebaut werden, die Mitentscheidung der Lehrpersonen wird beschnitten, die Schule der Wirtschaft geöffnet. Was die Schule in Südtirol betrifft, so sieht das Gesetz in eigenen Artikeln vor, dass unsere Provinz, im Rahmen ihrer Autonomie, in einigen wesentlichen Punkten einen eigenen Weg einschlagen kann und nicht die staatlichen Bestimmungen zur Gänze übernehmen muss. Allerdings ist die Rezeption des staatlichen Gesetzes bzw. die Umgestaltung einiger Bereiche in einem ziemlich engen zeitlichen Rahmen zu verwirklichen. Innerhalb des nächsten Frühlings müssen wir auf Landesebene unser eigenes Bildungsgesetz stehen haben, in dem die für uns greifenden Bestimmungen feststehen sollen. Aus diesem Grund werden wir uns in den nächsten Wochen mit den zuständigen Politikern und mit den Verantwortlichen der drei Schulämter zu verschiedenen technischen Tischen treffen und uns bemühen, unsere Ansichten klar vorzubringen, in der Hoffnung, dass diese aufgenommen werden. Es ist uns wichtig die verschiedenen Ebenen in einen demokratischen Dialog zu bringen und eine hierarchische Struktur, welche den Schulführungskräften große Entscheidungsfreiheit einräumt, zu vermeiden.
Die vorgesehene Planung im einem Dreijahreszeitraum, welche national mit einer Stärkung der Personalressourcen einhergeht, kann unserer Ansicht nach zu einer interessanten Herausforderung werden, die auch viel Potenzial birgt; dies jedoch unter der Voraussetzung, dass auch mehr Ressourcen zur Verfügung stehen. Bezüglich der geplanten Bewertung der Leistung der Lehrpersonen durch Eltern und Schüler, die sich in Lohnelementen ausschlägt, haben wir große Bedenken. Wir würden eine Evaluation auf allen Ebenen zur Verbesserung der Schule begrüßen, jedoch nicht eine Mitsprache in der Bewertung der didaktischen Tätigkeit befürworten.
Es kommt keine Ruhe in die Schule, die diese so dringend notwendig hätte um die Arbeit mit den Kindern und Jugendlichen zu verrichten, die nach wie vor unser zentrales Augenmerk verdient haben.