Kommentar

„Mitreden lohnt sich“

… das ist das Motto unserer 1. Mai-Feier und auch des 13. ordentlichen Bundeskongresses, der am 13. September 2014 im Waltherhaus in Bozen stattfindet.

Tony TschenettTony Tschenett

„Mitreden“, das praktiziert der ASGB schon seit 50 Jahren. Es war und ist oft mühsam, die Forderungen und Verbesserungsvorschläge zum Wohle der Arbeiterschaft vorzubringen, aber „steter Tropfen höhlt den Stein“ und so hat unsere Hartnäckigkeit und Ausdauer auch viele Früchte getragen. Besonders in der schwierigen wirtschaftlichen Lage, in der sich auch Südtirol befindet, brauchen die ArbeiternehmerInnen ein starkes Sprachrohr, damit die errungenen Rechte erhalten bleiben und ausgebaut werden können.
Wir haben unsere Stimme erhoben, als die Politik Steuergelder für horrendePensionsvorauszahlungen hergenommen hat, die jeder Berechtigung entbehren; dies in Zeiten, in denen viele ArbeitnehmerInnen ihren Arbeitsplatz verloren haben, junge Menschen gar keine Arbeitsmöglichkeiten finden, Familien mit ihrem kargen Einkommen kein Auskommen haben und Pensionisten mit ihrenMindestrenten oft nicht wissen, wie sie über die Runden kommen sollen.
Wir reden auch mit, wenn es um die Aufrechterhaltung unseres öffentlichen Gesundheitssystems geht und bringen unsere Forderungen und Vorschläge ein, damit eine Zweiklassenmedizin vermieden werden kann.
Wir reden auch mit,wenn es um Themen wie Autonomie, Familie, Bildung, Wohnbau, Energieversorgung, Sozialleistungen und um unsere Jugend geht.
Gerade die ASGB-Jugend hat in den letzten Jahren viel Aufbauarbeit geleistet und ist für den ASGB nicht mehr wegzudenken.
Anlässlich der 1.Mai-Feier werde ich auf all dieses Thema näher eingehen und lade euch alle ein, den Tag der Arbeit mit uns gemeinsam zu feiern.

Euer
Tony Tschenett
Vorsitzender des ASGB

Aktuell

50 Jahre ASGB

Am 14. September dieses Jahres wird der ASGB 50 Jahre alt. Zu diesem Anlass werden wir in den AKTIV-Ausgaben 2014 Interviews mit den ehemaligen Landesobmännern führen. In der vorhergehenden Ausgabe hat Hans Egger den Anfang gemacht, in dieser Ausgabe führen wir ein Interview mit Hans Widmann, der den ASGB von 1977 bis 1992 leitete.

Hans WidmannHans Widmann

Aktiv: Wann und wie bist Du zum ASGB gekommen?

Hans Widmann: Ich habe am 20. Mai 1970, dem Geburtstag des Arbeiterstatutes, im ASGB-Büro in Brixen meine Arbeit aufgenommen. Ich war immer schon politisch interessiert und kannte den ASGB von meinem Vater, der zu dessen ersten Mitgliedern zählte. Für mich war es der Einstieg in die gesellschaftspolitische Entwicklung unseres Landes. Der Kampf um die gerechte Verteilung der Nutzungsrechte – Holz aus den Fraktionswäldern auch für die Arbeitnehmer - war eine der ersten Aktionen und Auseinandersetzungen mit der Landesregierung und mit dem Bauernbund.

Aktiv: Welches waren deine ersten Erfahrungen als Gewerkschafter?

Hans Widmann: Die Gewerkschaftsarbeit stellte sich gleich als Knochenarbeit heraus. Viele Arbeitnehmer konnten sich zwar recht gut vorstellen, dass sie eine Vertretung brauchen, aber für viele war es eine schwierige Entscheidung, sich zur Gewerkschaft zu bekennen. Das Arbeiterstatut war gerade in Kraft getreten und die darin enthaltenen weitreichenden Gewerkschaftsrechte mussten erst schrittweise bekanntgemacht und angewandt werden. Vor allem in den kleinen und mittleren Betrieben trauten sich die Arbeitnehmer anfangs nicht zur Gewerkschaftsversammlung während der Arbeitszeit zu gehen und sich als Mitglieder einzuschreiben, was zwecks Abzug des Gewerkschaftsbeitrages der Betriebsleitung ja mitgeteilt werden musste. Dafür brauchte es sehr viel Überzeugungsarbeit. Zudem war es in jenen Jahren keineswegs selbstverständlich, dass den Arbeitnehmernz.B. die Überstunden, besonders im Gastgewerbe, oder die Abfertigung gemäß Kollektivverträgen ausbezahlt wurden. Daraus ergaben sich sehr viele Streitfälle und nicht wenige Arbeitnehmer zögerten, ob sie ihren Anspruch überhaupt geltend machen sollten, weil sie Angst vor der schlechten Nachrede in ihrem Dorf hatten. Die Gewerkschaften galten in weiten Kreisen allesamt als Kommunisten und wer sich an sie wandte, wurde oft ebenso als solche abgestempelt und verleumdet.

Aktiv: Worin bestand der wesentliche Unterschied zwischen der Ausrichtung des ASGB und den Gesamtstaatlichen Gewerkschaften?

Hans Widmann: Der ASGB war von ehemaligen CISL-Gewerkschaftern gegründet worden, weil die Interessen der deutschen und ladinischen Arbeitnehmer in der CISL systematisch zu kurz gekommen sind. Somit bestand die Hauptaufgabe des ASGB in der starken Vertretung der Rechte und Anliegen dieser Arbeitnehmer, was damals zu einer vehementen Ausgrenzung und Diskriminierung des ASGB geführt hat, Auswüchse und Nachwehen, die noch immer nicht überwunden sind.
Ein zweiter wesentlicher Unterschied bestand darin, dass sich der ASGB an den Erfahrungen der österreichischen und deutschen Gewerkschaftsbewegung orientiert hat. Wir hielten den dauerhaften Zustand des Klassenkampfes für nicht zielführend, sondern wir suchten mit den hiesigen Unternehmerverbänden und mit der Politik ein sozialpartnerschaftliches Auskommen und wollten und konnten auf diesem Wege Verbesserungen für alle Lebensbereiche der Arbeitnehmer erreichen. Diese unsere konstruktive Haltung machte die Gewerkschaftsbewegung in unserem Lande schrittweise hoffähig und sie wurde als wichtige gesellschaftspolitische Kraft anerkannt.

Aktiv: Pflegte der ASGB schon damals eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit?

Hans Widmann: Wir wussten von der hundertjährigen, leidvollen, aber auch sehr erfolgreichen Erfahrung der österreichischen und deutschen Gewerkschaften. Wir wollten nichts Neues erfinden, sondern wir richteten uns, vor allem auch wegen unserer kulturpolitischen Verwandtschaft mit ihnen, nach ihren Erfahrungen aus, was natürlich die Kontaktaufnahme und Kontaktpflege erforderte, die im Laufe der Zeit auch viele Freundschaften entstehen ließ. Besonders gute Beziehungen entwickelten sich mit dem ÖGB in Wien, in Tirol und in Kärnten, mit Arbeiterkammerfunktionären in ganz Österreichsowie mit der IG-Metall in Frankfurt und mit anderen Gewerkschaften in der Schweiz, in Luxemburg und in Russland. Gegenseitige Besuche festigten diese internationale Solidarität.
Unser Versuch, Mitglied des Europäischen Gewerkschaftsbundes zu werden, scheiterte allerdings am krampfhaften Widerstand der gesamtstaatlichen Gewerkschaften Italiens.

Aktiv: Welchen Einfluss haben die Gewerkschaften laut deiner Meinung heute?

Hans Widmann: Nicht den, den sie gerade in Krisenzeiten bräuchten, auch weil immer noch viele Arbeitnehmer abseits stehen. Die Gewerkschaften waren zuerst mit denAuswirkungen der Globalisierung und der Welle des Neoliberalismus überfordert. Sie wussten keine Antwort darauf. Sie waren in ihrer Ideologie gefangen und erstarrt und waren zu einer entsprechenden Reaktion nicht fähig. Wenn sich die ganze Welt verändert, kann man selbst nicht stehen bleiben, sondern man muss neue Strategien entwickeln, wie man mit neuen Herausforderungen zurechtkommt. Das wurde versäumt. Man muss den Gewerkschaften zugutehalten, dass sie von der Politik sträflichst im Stich gelassen wurden. Konservative und gleichermaßen sozial­demokratische Parteien sind den Sirenendes Neoliberalismus verfallen, anstatt ihn aufzuhalten und auf das Allgemeinwohl zu pochen. Erschwerend wirkt in Italien die Zersplitterung der Gewerkschaftsbewegung. Solange man sich nicht auf einheitliche Anliegen der Arbeitnehmer verständigen kann, werden gemeinsame Reformen schwierig sein und es die Unternehmerverbände und die Politik immer leicht haben, die Gewerkschaften auszuspielen oder zu ignorieren. So hat es Berlusconi gemacht und nicht minder tut es auch der sogenannte Sozialdemokrat Renzi heute.
Auch in Südtirol ist die Politik in Krise und ist ohnmächtig. In dieser Zeit sollten die Gewerkschaften eine Führungsrolle übernehmen. Das Land bräuchte dringend die Befreiung aus dem Reformstau der letzten Jahre, es braucht richtungsweisende Maßnahmen im wirtschaftlichen, sozialen und institutionellen Bereich.Darauf müssen die Gewerkschaften gemeinsam drängen und die Arbeitnehmer sollten sich endlich entscheiden, sich in den Gewerkschaften zu solidarisieren und so die Politik entschiedener mitzugestalten.