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Landeshauptmann Dr. Arno Kompatscher im Interview

Dr. Arno KompatscherDr. Arno Kompatscher

Aktiv: Herr Landeshauptmann, seit einigen Jahren ist auch der Südtiroler Arbeitsmarkt keine Insel der Seligen mehr. Die Arbeitslosenquote hat die Schwelle von vier Prozent überschritten und große Unternehmen entlassen Personal im Dutzend. Ist sich die Landesregierung dieser ernsten Lage bewusst?

Arno Kompatscher: Sie können sich sicher sein, dass die Landesregierung die Lage richtig einschätzt. Nicht von ungefähr haben wir in dieser Legislaturperiode das Thema Beschäftigung erstmals seit langer Zeit wieder in den Mittelpunkt gestellt. Fakt ist, dass nach Jahren der Vollbeschäftigung die Erhaltung bestehender und die Schaffung neuer Arbeitsmöglichkeiten oberste Priorität haben muss.

Aktiv: Wie viele Arbeitsplätze und in welchen Bereichen will die Landesregierung Arbeitsplätze schaffen?

Arno Kompatscher: Es geht mir nicht um die nackten Zahlen. Arbeitsplatz ist nicht gleich Arbeitsplatz und deshalb soll die Regierung nichtdaran gemessen werden, wie viele selbständige und unselbständige Arbeitsplätze sie schafft, sondern an deren Qualität. Nur wenn wir imstande sind, hochqualifizierte Arbeitsplätze zu schaffen, können wir Südtirols Jugend wieder neue Perspektiven geben.

Aktiv: Apropos Jugend. In Italien ist die Jugendarbeitslosigkeit mittlerweile über 40 Prozent geklettert, in Südtirol liegt sie bei etwa elf Prozent. Im Verhältnis zur Gesamtarbeitslosigkeit von vier Prozent ist das auch nicht wenig. Welche Strategie verfolgt die Landesregierung bei der Jugend?

Arno Kompatscher: Die Situationam Arbeitsmarkt ist für die Jugendlichen zwar ernst, aber nicht dramatisch. Wohl aber müssen wir die Jugendlichen bei ihrer Berufsorientierung unterstützen, indem wir die Voraussetzungen schaffen, um Angebot und Nachfrage am Arbeitsmarkt auszugleichen. Um den Eintritt in den Arbeitsmarkt für junge Menschen auch in Zukunft so durchlässig wie möglich zu halten, wird das Land weiter auf seine breite Ausbildungspalette und auf die Weiterentwicklung des dualen Ausbildungssystems setzen. Hier sind wir bereits Vorreiter für ganz Italien und glauben, dass die Verbindung von Ausbildung und Praxis zielführend ist.

Aktiv: Nicht nur junge Menschen tun sich beim Eintritt in den Arbeitsmarkt zunehmend schwer, auch für Mütter und ältere Menschen ist es nach einer Auszeit schwierig, in der Arbeitswelt wieder Fuß zu fassen. Wie wollen Sie Frauen und ältere Arbeitslose beim Wiedereintritt in die Arbeitswelt unterstützen?

Arno Kompatscher: Zur Unterstützung von Frauen bei der Rückkehr in die Arbeitswelt werden seit Jahren konkrete Schritte gesetzt, wie etwa die Förderung des weiblichen Unternehmertums oder die Unterstützung von Kindertagesstätten in den Betrieben, um nurzwei Maßnahmen zu nennen. Doch damit ist es nicht getan. Es wird darum gehen, eine Entwicklung der Arbeitswelt zu fördern, die sich auf das Mehr an älteren und das Weniger an jüngeren Arbeitnehmern einstellt. Die Arbeitswelt muss sich auf eine stetige Weiterbildung und Beratung einlassen und stützen können, um flexibel zu sein und zu bleiben.

Aktiv: Bereits wenige Tage nach Ihrem Amtsantritt waren sie mit den Hiobsbotschaften der Hoppe-, Würth- und MEMC-Entlassungen konfrontiert. In allen Fällen haben die Unternehmen die Politik quasi vor vollendete Tatsachen gestellt. Fühlt mansich in Situationen wie diesen machtlos?

Arno Kompatscher: Man fühlt eher Ohnmacht als Machtlosigkeit, steht vor einem Scherbenhaufen und muss versuchen, die Trümmer zu verräumen und für die Betroffenen neue Wege frei zu machen. Die Nachricht von der Schließung eines Teils des MEMC-Werks war beispielsweise eine denkbar schlechte, besonders weil das Land in den vergangenen Jahren alles unternommen hat, um den Konzern darin zu unterstützen, das Werk zur Gänze weiterzuführen. Wir haben uns aber sofort den betroffenen Mitarbeitern zugewandt und diese auf breiter Front unterstützt.

Aktiv: Wie haben die Sofortmaßnahmen des Landes bei den großen Betriebsschließungen ausgesehen?

Arno Kompatscher: Unser Ziel war es, den Entlassenen so schnell wie möglich neue berufliche Perspektiven aufzeigen zu können. Unmittelbar und unbürokratisch haben sich Arbeitsservice, Berufsbildung und Berufsberatung der Betroffenen angenommen. Im Fall der Firma „Hoppe“ im Passeier etwa hat dies sehr gut funktioniert: Unsere Abteilungen und Ämter haben analysiert, welchen Bedarf es gibt und Umschulungs- bzw. Weiterbildungsangebote darauf abgestimmt. Beispielsweise haben wir EDV- und Sprachkurse, Lehrgänge für Schweißer, Baggerfahrer, Kranführer oder Serviceangestellte in der Hotellerie angeboten. Schon im März hatten von den 120 in die Mobilität überstellten Hoppe-Mitarbeitern 17 einen neuen Job gefunden und 27 eine Jobzusage. Außerdem setzen wir auf ein verstärktes Zusammenspiel mit den Sozialpartnern.

Aktiv: Die Sozialpartnerschaft war in der Vergangenheit in einem Dornröschenschlaf versunken. Sie haben angekündigt, Gewerkschaften und Wirtschaft verstärkt in die Entscheidungsprozesse einzubinden. Wie hat sich die Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern in den ersten Monaten ihrer Amtszeit gestaltet?

Arno Kompatscher: Die Zusammenarbeit war sehr gut und schon jetzt können alle Beteiligten sagen, dass der Dialog der richtige Weg ist. Das hat sich bereits bei der ersten großen Herausforderung für meine Regierung, die Erstellung desHaushalts, gezeigt. Auf der einen Seite haben wir steuerliche Entlastungen von insgesamt 93 Millionen Euro, auf der anderen Seite wird die Wirtschaftsförderung auf neue Beine gestellt: Darlehen statt Beiträge, Schwerpunkte statt Gießkanne. Ausnahmen vom Sparkurs gibt es nur für Wohlfahrt, Arbeitsplätze und Bildung. Diese neue Politik ist von den Sozialpartnern überraschend gut aufgenommen worden, weil sie auch in die Erarbeitung eingebunden worden sind.

Aktiv: Wer profitiert von den 93 Millionen Euro an Entlastungen?

Arno Kompatscher: Wir wollten nicht eine spezielle Zielgruppe entlasten, sondern haben mit einer No-Tax-Area bis 20.000 Euro beim IRPEF-Zuschlag, einer weiteren Reduzierung der Wertschöpfungssteuer IRAP, einem Freibetrag bei den Hauptwohnungen von der Immobiliensteuer sowie einer Reduzierung dieser Steuer auf Gewerbeimmobilien eine breite Entlastung von Bürgern, Familien und Betrieben vorgesehen. Damit streben wir die Stärkung von Kaufkraft und Konkurrenzfähigkeit des Standorts Südtirols an. Das kommt der gesamten Südtiroler Gesellschaft zugute.

Herr Landeshauptmann, wir
bedanken uns für das Gespräch.

Aktuell

Missstände beim WOBI sofort beheben

Das Wohnbauinstitut ist eines der großen Sorgenkinder der öffentlichen Verwaltung in Südtirol. Es ist kein Konzept erkennbar, es fehlt an Personal, ein erheblicher Teil der Sozialwohnungen ist unbesetzt und die Beschwerden der Mieter häufen sich.

„Es ist offensichtlich, dass das Wohnbauinstitut in dieser Form seiner institutionellen Aufgabe nicht in ausreichendem Maße nachkommen kann“, erklärt der Vorsitzende des ASGB, Tony Tschenett.
Bis heute hat das WOBI keine eigene zentrale Struktur, sondern ist in Bozen auf drei Standorte aufgeteilt. Das größte Problem ist aber der akute Personalmangel, verbunden mit der Zunahme an Arbeit, so Tschenett weiter.
„Mit den Mieten, die dem WOBI derzeit bei über 500 leerstehenden und nicht sanierten Institutswohnungen entgehen, könnte man zahlreiche dringend benötigte neue Mitarbeitereinstellen. Gleichzeitig würde das WOBI mit ihren Außenstellen in Meran, Brixen, Bruneck, Neunmarkt und Schlanders damit zahlreichen Arbeitnehmern eine neue Jobchance bieten, die geradeaufgrund der Krise ihren Arbeitsplatz in der Privatwirtschaft verloren haben“, betont Tschenett.
„Wir wehren uns dagegen, dass die Mitarbeiter des WOBI sich täglich von Mietern etwa wegen ausständiger Instandhaltungsarbeiten in den Kondominien oder wegen anderer gerechtfertigter Beschwerden beschimpfen lassen müssen“, kritisiert Tschenett die Verantwortlichen desWOBI. „Daher fordern wir die Landesregierung und insbesondere den zuständigen Landesrat Christian Tommasini auf, den Dialog mit den Gewerkschaften zu suchen und den Personalstopp von 2011 zu beenden, um das WOBI wieder handlungsfähig zu machen und das öffentliche Eigentum besser zu verwalten.Schon mehrmals haben wir die Landespolitik aufgefordert, die baldige Sanierung der leerstehenden Sozialwohnungen voranzutreiben, um einerseits durch Aufträge an lokale Handwerksbetriebe Arbeitsplätze zu sichern und andererseits für die Südtiroler Bevölkerung Wohnungen bereitzustellen“, so Tschenett abschließend.