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Mit der Einkaufsgemeinschaft Energie in die Stromzukunft

Interview mit dem Geschäftsführer der Verbraucherzentrale Südtirol, Walther Andreaus

Walther AndreausWalther Andreaus

Die Energiepreise sind für die Südtiroler Haushalte eine zunehmend große Belastung.(Wir haben bereits in der letzten AKTIV-Ausgabe darüber berichtet). So geben Haushaltskunden im geschützten Markt (in dem sich die überwiegende Mehrzahl der Haushaltskunden befindet) bei einem mittleren Stromverbrauch von 3.000 kWh jährlich 616 Euro, bei einem mittleren Gasverbrauch von 1500 sm3 insgesamt 1.304 Euro aus.

AKTIV: Wir leben in einem Land das europaweit Spitzenreiter bei der Stromproduktion aus der günstigen Wasserkraft ist und zahlen gleichzeitig sehr hohe Strompreise. Was kann hier getan werden?

Walther Andreaus: Die Bürger erwarten sich schon seit Jahren niedrigere Strompreise. Das „weiße Gold“ sollte auch ihnen zu Gute kommen. Leider sind hier die Weichen nicht gut gestellt worden. Die Grundversorgung mit Strom und auch die Erhöhung der Anschlussleistung von 3 auf 4,5 KW sollte einfach sozialer - sprich viel günstiger gestaltet werden. Die Bürger sind auch vom freien Markt für Strom und Gas aufgrund der sehr aggressiven Marketingmethoden sehr verunsichert. Deshalb haben uns Stromkunden aufgefordert, hier aktiv zu werden, zur Selbsthilfe zu greifen und eine Einkaufsgemeinschaft zu bilden.

AKTIV: Um wie viel können die Strom- und Gaspreise gesenkt werden?

Walther Andreaus: Der einzelne Kunde ist am Energiemarkt ein David. Mit der Bündelung von Tausenden von Konsumenten könnte die Einkaufsgemeinschaft als Großkunde auftreten und bei den Preisen einiges„herausholen“. Deshalb ist es wichtig, dass viele Stromkunden mitmachen, je mehr desto besser sind unsere Chancen auf einen Preisnachlass. Diesen zu beziffern ist schwierig, wir können uns aber gut vorstellen, dass vor allem die lokalen Stromverkäufer es nicht zulassen können und werden, dassmassiv Kunden abwandern.

AKTIV: Die Versprechungen über niedrigere Strompreise mit dem Nachtstrom haben sich in Luft aufgelöst. Warum?

Walther Andreaus: Von der Einführung des digitalen Stromzählers haben sich viele eine Reduzierung der Stromrechnungen erhofft, leider ist das Gegenteil eingetreten. Die neuen Zähler sind genauer und wird die Leistung überschritten dann trennen sie gnadenlos die Stromzufuhr. Da die Südtiroler Haushalte gut mit Haushaltsgeräten ausgestattet sind und viel mit Strom gekocht wird, haben viele damit Probleme. Das Problem wurde oft mit einer Erhöhung der Anschlussleistung von 3 auf 4,5 KW gelöst. Dies bedeutet für die Kunden, dass die gleiche Menge Strom um über 50 Prozent mehr kostet. Eine zusätzliche versteckte Strompreiserhöhung.

AKTIV: Sollte die Einkaufsgemeinschaft Energie erfolgreich sein, ist es nicht schwierig seinen Stromlieferanten zu wechseln.

Walther Andreaus: Der freie Energiemarkt bringt es mit sich, dass Stromverbraucher und Erdgaskunden inzwischen ihren Verkäufer leicht wechseln können. Sie brauchen nur mit einem Verkäufer einen Vertrag abschließen und dieser erledigt ohne Unterbrechung der Versorgung die Übergabe. Auch der Zähler wird nicht angetastet. Viele haben jedoch Angst hier einen wenig vorteilhaften Vertrag abzuschließen. Dies kann mit der Einkaufsgemeinschaft vermiedenwerden, denn durch unsere Erfahrung als Verbraucherzentrale werden wir auch auf die Vertragsgestaltung, die Zweisprachigkeit und grünen Strom achten.

AKTIV: Wie können die Stromabnehmer an der Einkaufsgemeinschaft teilnehmen?

Walther Andreaus: Die Teilnahme ist sehr einfach. Zunächst gilt es die Interessierten zusammenzubringen. Um dies zu bewältigen haben wir auf unserer Homepage www.verbraucherzentrale.it esso eingerichtet, dass jede/r sich mit seiner Email und dem Jahresverbrauch an Strom und/oder Gas bis 31.12. anmelden kann. Die Teilnahme ist unverbindlich. Dann wird von den verschiedenen Haushaltskunden gemeldeten Strom- und Gasverbrauch gebündelt und allen Anbietern am Markt zugestellt. Somit können diese ihre Angebote unterbreiten, es wird eine richtige Versteigerung durchführt. Mit dem günstigsten Anbieter handeln wir einen Rahmenvertrag aus. Im Frühjahr werden die teilnehmenden Interessierten von der Verbraucherzentrale über ihre Email-Adresse vom Angebotspaket informiert. Anschließend kann man sich in Ruhe überlegen, ob man das Angebot annehmen will. Durch aktive Kunden und Verbraucher kommt Bewegung in den Strommarkt, denn die Anbieter von Strom und Gas werden sich auf diese neue Art des Wettbewerbes einstellen müssen. Die Verhandlungsposition der gebündelten Masse verspricht besser zu sein, als jene sehr begrenzte eines Einzelhaushalts. Erstmals könnte dadurch private Haushaltskunden als Großabnehmer auftreten.

AKTIV: Wo gibt es Informationen? Können auch Selbständige und Kondominien teilnehmen?

Walther Andreaus: Auf der Homepage www.verbraucherzentrale.it findet man alles Wissenswerte. Selbständige können nur eventuell für Haushaltstrom und -gas teilnehmen, Kondominien hingegen sehr wohl, da sie den Konsumenten gleichgestellt sind.

Verbrauchertelegramm

Bahnunternehmen müssen auch bei Verspätungen durch höhere Gewalt zahlen

Der Europäische Gerichtshof in Luxemburg hat in einem Urteil entschieden, dass ein Eisenbahnunternehmen seinen Fahrgästen auch dann bei erheblicher Verspätung einen Teil des Fahrpreises erstatten muss, wenn die Verspätung auf „höhere Gewalt“ beruht. Die Verbraucherzentrale Südtirol ist über diesesUrteil sehr erfreut. Reisende haben laut EU-Verordnung bei Verspätungen von ein bis zwei Stunden ein Recht auf Erstattung von mindestens 25 Prozent des Preises der Fahrkarte. Ab zwei Stunden muss das Bahnunternehmen mindestens 50 Prozent erstatten. Das Urteil betrifft europaweit alle Bahnunternehmen. Klauseln in ihren Transportbedingungen, die Entschädigungen bei höherer Gewalt ausschließen, sind demnach ungültig. Damit muss umgehend beispielsweise auch Trenitalia seine allgemeinen Transportbedingungen anpassen. Die Regeln gelten auch für den Nahverkehr. Allerdings kommen Nahverkehrskunden selten in den Genuss einer Rückzahlung. Zum einen sind dort Verspätungen von mehr als einer Stunde selten. Zum anderen gilt eine Bagatellgrenze: Beträge von weniger als vier Euro werden nicht ausgezahlt.