Kommentar
Tony Tschenett

Der ASGB kämpft für eure Rechte

Tony TschenettTony Tschenett

Die Abschaffung von sozialen Errungenschaften wird regelmäßig von bestimmter Seite gefordert. Und genau so regelmäßig erklären wir vom ASGB, dass es zu unseren Zielsetzungen gehört, den gerechten Anteil der arbeitenden Bevölkerung am Sozialprodukt einzufordern. Jeder Beschäftigte hat das Recht auf seinen Anteil, an dem was er mit erwirtschaftet.Heute ist es oft so, dass der Gehalt nicht ausreicht, mit der Familie ein angemessenes Leben zu führen.
Wir Gewerkschaften sind mehr denn je gefordert, unserer Rolle als soziale Gegenmacht und Gestaltungskraft Nachdruck zu verleihen. Der ASGB setzt sich für all jene ein, die Arbeit suchen, fürjene, deren Arbeitsplatz in Gefahr ist und für jene, die Arbeit haben. Deshalb unterstützen wir alle Bestrebungen in Wirtschaft und Politik, neue Beschäftigungsfelder zu erschließen, vor allem im Umweltbereich, bei der Entwicklung neuer Technologien, im Industrie- und Dienstleistungssektor.
Wir als ASGB fordern eine Weiterentwicklung des Sozialstaates, der ein menschenwürdiges Leben und Wohnen für alle Arbeitnehmer ermöglicht. Dazu zählt auch die Sicherung der Pensionen und einer Erhöhung der Mindestpensionen.
Unsere Betriebsräte und Aktivisten sind gefordert, gewerkschaftlicheArbeit zu leisten, in welcher Funktion und auf welcher Ebene dies auch immer geschieht. Ihnen möchte ich heute für ihren Einsatz zum Wohle ihrer Mitarbeiter besonders danken.
In diesem Sinne wünsche ich euch und euren Familien einen schönen Sommer, erholsame Tage am Meer, in den Bergen oder auch zu Hause. Energie tanken und Abschalten ist sehr wichtig, damit wir dann wieder voll Energie die neuen Herausforderungen annehmen können.

Eurer
Tony Tschenett
Vorsitzender des ASGB

aktuell
1. Mai-Feier 2013

„Steigende Armut im
Wohlstandsland Südtirol“

so lautete das Motto der diesjährigen 1. Mai-Feier unserer Gewerkschaft. Trotz des regnerischen Wetters am Morgen sind wieder viele Mitglieder und ihre Familien zu unserem Fest nach Völs gekommen.

Ehrengästen


Priska Auer konnte eine Reihe von Ehrengäste begrüßen, den Landeshauptmann Luis Durnwalder, den Bürgermeister von Völs und Präsidenten des Verbandes der Gemeinden, Arno Kompatscher, die Landesrätin Sabina Kasslatter-Mur, Landesrat Elmar Pichler-Rolle, die Landtagsabgeordneten Veronika Stirner (SVP), Ulli Mair, Pius Leitner, SigmarStocker und Roland Tinkhauser (Freiheitliche), Eva Klotz (Südtiroler Freiheit), den ehemaligen K.Abg. und ASGB-Vorsitzenden Hans Widmann, den Geschäftsführer der Verbraucherzentrale, Walther Andreaus, den ehemaligen Senator Karl Ferrari, Christoph Gufler von den Arbeitnehmern in der SVP, den Vizedirektor des LVH, Thomas Hager, den Herausgeber der Tageszeitung, Arnold Tribus, den Direktor des AFI, Stefan Perini u.a.m.

Der Bürgermeister von Völs und mögliche zukünftige Landeshauptmann stellt in seiner Begrüßungsansprache fest, dass ihn das Thema steigende Armut auch bei seiner Tourdurch Südtirol beschäftigt hat, die Schere zwischen Arm und Reich geht in Südtirol immer weiter auseinander.

Der Landeshauptmann bedankte sich beim ASGB für seine wichtige Arbeit zum Wohle der Südtiroler Arbeiterschaft. Er stellt fest, dass wir in einer sehr unsicheren und bewegten Zeit leben. Die Arbeitslosigkeit in Südtirol beträgt zwar nur 4,1 Prozent, aber das ist kein Trost für jemanden, der betroffen ist.

Tony Tschenett, Vorsitzender desASGB ging in seinem Referat näher auf das Tagungsmotto ein.

„In einem Land wie Südtirol, mit primärer Kompetenz für die Sozialpolitik, muss die Bekämpfung der Armut zu den wichtigsten Aufgaben überhaupt zählen. In einem Land, das jährlich über 10.000 Euro pro Kopf aus dem Landeshaushalt ausgeben kann, ist eigentlich allein schon die Existenz von Armut ein Armutszeugnis.
Und trotzdem, auch wenn Südtirol oft als Wohlfahrtsparadies dargestellt wird, sind viele Bürger durch die drohende Armut, die Sorge um den Arbeitsplatz sowie durch Zukunfts- und Existenzängste verunsichert. Viele befürchten, dass sie durch Arbeitslosigkeit und Einkommensverlust im Alter in die Armut abrutschen könnten.

Wir erleben seit Jahren, dass Arbeit entwertet wird. Aus sicheren Arbeitsplätzen werden unsichere Jobs. Aus unbefristeten Arbeitsverträgen prekäre Arbeitsverhältnisse. 36.000 von 200.000 Haushalten verfügen über ein mittleres Jahreseinkommen, das unter 10.250 Euro netto liegt. Laut ASTAT-Studie sind dies 17,9 Prozent der Südtiroler Haushalte. Ohne Sozialleistungen wären sogar 25,3 Prozent der Familien, also 50.000 von 200.000 Haushalten armutsgefährdet. Immer mehr Beschäftigte leiden unterschlechten Arbeitsbedingungen und Stress. Und immer mehr Menschen droht die Altersarmut. Besonders ältere Arbeitslose, die durch eine Entlassung aus ihrer geordneten Lebensbahn gerissen wurden, haben trotz Umschulungen große Schwierigkeiten, einen neuen Arbeitsplatz zu finden.

Die Schere zwischen Arm und Reich klafft immer weiter auseinander und es gibt immer mehr Menschen, deren Einkommen nicht mehr bis ans Ende des Monats reicht. Hier appelliere ich vor allem an die Wirtschaft, jenen, die Arbeit haben, einen Lohn auszuzahlen, mit dem sie für sich und ihren Familien ein gutes Auskommen haben, so dass sie nicht auf öffentliche Zuschüsse angewiesen sind.

Aber Armut ist mehr als niedriges Einkommen, es ist die mangelnde Möglichkeit am Gesellschaftsleben aktiv teilzunehmen. Merkmale dafür sind beispielsweise akute Zahlungsrückstände, Leben in einer nicht unserem Standard entsprechenden Wohnung, Verzicht auf grundlegende Bedürfnisse und Konsumgüter, die in unserer Gesellschaft als Normal anerkannt sind, zum Beispiel die Wohnung ausreichend zu heizen oder ein Mal pro Jahr einen Urlaub zu machen.

Armut wirkt sich auf viele Bereiche des täglichen Lebens aus.Bildung, Gesundheit und soziale Teilhabe stehen in engem wechselseitigen Zusammenhang. Wer aus einer armen Familie kommt, hat schlechtere Bildungs- und damit Aufstiegschancen als Menschen mit ausreichendem Einkommen. Soziale Gerechtigkeit mit gleichen Aufstiegs-Chancen ist aber ein zentraler Bestandteil unserer Gesellschaftsordnung. Armutsbekämpfung muss deshalb weit mehr als nur Fürsorge sein. Sie erfolgt letztlich im Interesse aller. Denn nur eine sozial gerechte Gesellschaft ist eine stabile Gesellschaft, an der die Bürger/innen teilhaben und für die sie sich demokratisch einsetzen.
Gerade in Zeiten der stark steigenden Arbeitslosenzahlen unter Jugendlichen und Arbeitnehmern 50+, in Zeiten des zunehmenden Kaufkraftverlustes vieler Menschen und niedriger Renten ist es dringend erforderlich, rechtzeitig darauf zu reagieren.

Der ASGB hat in den letzten Jahren vermehrt darauf hingewiesen, dass wir vor allem unter den Jugendlichen immer mehr prekäre Arbeitsverhältnisse in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst haben, und dass die Kaufkraft der Lohnabhängigen und Rentner im Sinken ist. Außerdem ist, durch die im vergangenen Jahr von der italienischen Regierung vorgenommenen Sparpakete, die Armut in unserem Land noch weiter gestiegen. Hier besteht sozialpolitischer Handlungsbedarf; wir müssen entgegensteuern.

Es ist zwar positiv, dass Südtirol ein dichtes soziales Netz geknüpft hat, denn die Sozialleistungen, wie etwa die finanzielle Sozialhilfe, das Pflege-, Familien- und Wohngeld usw., werden für immer mehr Südtiroler Familien deshalb überlebenswichtig. Trotzdem gilt es dieses Netz aufrechtzuerhalten, weiter auszubauen und neue Maßnahmen gegen die Armut zu treffen.

Ein wichtiger Schritt in diese Richtung könnte die erst Anfang April 2013 veröffentlichte Durchführungsbestimmung sein, mit welcher es möglich ist, die sozialen Abfederungsmaßnahmen (Lohnausgleich, Mobilität) auf die lokalen Bedürfnisse abzustimmen.Zusätzlich zu den sozialen Abfederungsmaßnahmen braucht es eine aktive Arbeitsmarktpolitik, vor allem um der drohenden Jugendarbeitslosigkeit entgegenzuwirken. Gezielte berufliche Bildungsmaßnahmen sind der Schlüssel zum Erfolg.

Damit die Arbeitslosigkeit in unserem Lande nicht weiter steigt bzw. eingedämmt werden kann, braucht es viele Ideen und Anstrengungen. Die heutige junge Generation wird bis zu einem Alter von rund 70 Jahren berufstätig bleiben. Um die Arbeit im Alter zu erleichtern, haben wir als ASGB kürzlich allen Abgeordneten zum Südtiroler Landtag und allen Wirtschaftsverbänden einen Vorschlag unterbreitet, der sich „Generationenbrücke“ nennt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass eine Altenpflegerin oder ein Bauarbeiter mit 67 Jahren noch die nötige Kraft haben, Vollzeit zu arbeiten.

Deshalb fordern wir als ASGB ein Netzwerk, dem Gewerkschaft, Arbeitgeberverbände und das Land angehören, das nach neuen altersgerechten Formen der Arbeit sucht. In Österreich gibt es bereits ein solches Netzwerk. Auch in der Lombardei gibt es ein Modell welches Südtirol übernehmen könnte. Es ist ein Abkommen zwischen Unternehmerverband, nationalen Gewerkschaften, Region und INPS, das es Arbeitnehmern ermöglicht, drei Jahre vor der Pensionierung in ein Teilzeitverhältnis zu wechseln und trotzdem werden 100 Prozent des Rentenbeitrages eingezahlt. Der Teilzeitwechsel ist freiwillig, der Arbeitgeber muss aber damit einverstanden sein und gleichzeitig einejunge Arbeitskraft einstellen. So wird Dienstälteren einerseits ein gleitender Übergang ins Rentenalter ermöglicht, andererseits wird die Jugendarbeitslosigkeit bekämpft. Das Ziel dieses Projektes ist es also, junge Arbeitnehmer in die Arbeitswelt einzugliedern und älteren Arbeitnehmern die Möglichkeit zu geben, ohne Renteneinbußen, vertikal oder horizontal in Teilzeit zu arbeiten. Wir hoffen, dass die Politik die Weitsichtigkeit hat, dieses zukunftsweisende Projekt zu ermöglichen.

Außerdem fordert der ASGB bereits seit längerer Zeit, dass der üppige Landeshaushalt, der ja zumGroßteil von der Lohnsteuer der Arbeitnehmer gespeist wird, Kapitel für Kapitel mit den Sozialpartnern durchleuchtet wird. Wir alle müssen hinterfragen, ob es die Beiträge und Förderungen, unter anderem für Wirtschaft, Verbände und Private, in dieser Form wirklich braucht. Das bisherige System führt meiner Meinung nach zu einer gewissen Abhängigkeit und Preistreiberei. Zu überdenken sind auch Prestigeprojekte wie Flughafen oder Safety-Park, die dem Großteil der Bevölkerung nicht viel bringen.

Die neuen Zahlen zur Armut im Land müssen ein “Alarmsignal“ für uns alle sein,die gesellschaftliche Verantwortung tragen. Vielen in Südtirol geht es nicht gut, auch wenn sie es nach außen nicht zeigen. Wer beispielsweise mit einer Mindestrente von 476 Euro leben muss, weiß wovon ich rede. Andererseits leben viele ein gutbürgerliches Leben. Kürzen und Sparen trifft nichtdie Krisenverursacher an den Finanzmärkten, sondern die Krisenopfer: sie trifft Beschäftigte, Erwerbslose, Rentnerinnen und Rentner sowie die junge Generation.

Sollte die Armut in unserem Wohlstandsland weiter steigen, ist auch der soziale Frieden mehr und mehr in Gefahr. Wir müssen daher dringend wieder ein Gleichgewicht herstellen.

Wir wollen für alle Menschen gute Arbeit und ein sicheres Einkommen für ein Leben in Würde!