Kommentar

Politik und Bürgerschröpfung

Georg Pardeller
Die Aufbruchstimmung nach dem zweiten Weltkrieg und die Überwindung des Nazi-Faschismus machten in Freien Westen auch die Entscheidung für den Aufbau des neuen Gesellschafts- und Wirtschaftssystems notwendig. Die Bundesrepublik Deutschland baute die soziale Marktwirtschaft auf und aus, in Italien setzte man anfänglich sehr stark auf den Staatskapitalismus mit privatwirtschaftlichen Anwendungskriterien, um später in eine Mischform zur sozialen Marktwirtschaft einzuschwenken. Jedenfalls wollte in Italien die Politik immer höchst im Wirtschaftsgeschehen gegenwärtig sein und dies nicht nur in helfender, fördernder und ausgleichender Form bei Interessengegensätzen, sondern als Teilhaber sowohl über die staatlichen Banken, als auch als Wirtschaftstreibende mit öffentlichen Körperschaften in verstaatlichten Bereichen, wie beispielsweise in der Energiewirtschaft. Als Zielvorgabe nannte man immer den Schutz der Volks- und Staatsinteressen im Sinne von Forschung und Entwicklung, Verfügbarkeit der Ressourcen und Preisverträglichkeit für die Konsumenten. Was dann tatsächlich daraus geworden ist und schlussendlich die Politik zur Neubesinnung und Richtungsänderung gezwungen hat, ist nicht die Ideologie, sondern der Misserfolg der öffentlichen Bewirtschaftung in der Funktion von Futtertrog für Parteien, Politiker, Geschäftemacher, wobei der Staat und Lokalkörperschaften mit Steuern und Zuschlägen schon ihre Tarifblähung zu Lasten der Gemeinschaft vollzogen haben. Denken wir nur an die Verstaatlichung der Elektroenergie in den Sechziger-Jahren durch die erste Mitte-Links-Regierung und was der Bürger heute an Strompreis, Zählermiete, Steuerzu- und Aufschlägen für Staat, Land, Gemeinde und Sonderabgaben zu berappen hat und wieviel weniger dies, einschließlich z.B. Heizöl und Gas, im EU-Ausland kostet, aber nicht bezogen werden darf! Die Misswirtschaft mit aufkommenden Misserfolgen auf Kosten der Gemeinschaft, verantwortet von Politikern auf Staats-, Regional-, Landes- und Gemeindeebene veranlasste nun zur dringenden Kehrtwende: Nicht etwa zu deren Rücktritt, - oh nein, sie treten nur Verantwortung und Arbeit ab – wohl aber zur Privatisierung, das heisst Ausgliederung aus der öffentlichen Gesamtverwaltung mit getrennter Anrechnung der Leistungen nach privatwirtschaftlichen Profit-Kriterien und Überlagerung von Schuld und Verantwortung auf die nachfolgenden Organisatoren. Und in Südtirol will man auch neue Varianten, immer auf Kosten der Konsumenten, durchexerzieren: Die Gemeinde Bozen ist zur Hälfte (Rest Meran) Eigentümerin der Strom erzeugenden und verkaufenden Etschwerke mit beachtenswerten Gewinnen für die Gemeindekassen und Steuereinnahmen für Staat, Land, Gemeinden. Bozen hat die kostspieligen Dienste für Wasserver- und Entsorgung, Umweltschutz, Straßenreinigung und der Gasversorgung an die gemeindeeigene SEAB-AG ausgelagert und „privatisiert", d.h. dass die neu berechneten Kosten voll den Bürgern angelastet werden. Einzig Gewinn bringend und somit kostenmindernd für die SEAB ist der Gasverkauf, und der soll nun den schon gewinnbringenden Etschwerken für die Ertragsabtretung an die Gemeindebilanz übertragen werden! Somit schädigt man die Bürger durch noch höhere Resttarife für Müll und Wasser und die Etschwerke streichen den Gas-Gewinn selbst ein! Und von so bevorzugten gemeindeeigenen Betrieben will man auch noch Aktien ins Ausland verscherbeln! Südtirol hat Wirtschaftsgenies und noch gut bezahlt von den Übertarifen aus Spargroschen der Konsumenten, die immer auf der Verliererseite stehen. Und verloren gegangene Arbeitsplätze interessieren die Herrschaften auch nicht.

Thema

Die Lehrlingskosten

Im Wirtschaftskurier vom 16. Oktober d.J. schreibt der Direktor des Industriellenverbandes unter dem Titel „Lehrlingskosten auffangen"einige Absonderlichkeiten, die so nicht stehen gelassen werden können.
In Südtirol ist das Lehrlingswesen als sekundäre Gesetzgebungsbefugnis und im Rahmen der primären Befugnis der Berufsausbildung mit Landesgesetz geordnet und reiht sich in die staatliche Regelung ein, was die sozialrechtlichen Begünstigungen und die heute geltende Ausbildungspflicht aller Jugendlichen bis zum 18. Lebensjahr betrifft. Laut Definition ist die Lehre ein Arbeitsverhältnis besonderer Art, das auf die Berufsausbildung des Jugendlichen und dessen Qualifikation ausgerichtet ist. Nur in Südtirol ist als Hilfe für die Berufsausbildung seit 1956 das sogenannte duale System mit theoretischer Ausbildung in der Berufsschule (ca. 1/5) und praktischer Lehre im dazu befähigten Lehrbetrieb (4/5) mit Landesgesetz eingeführt worden. Dem Lehrherren werden als Anerkennung für seine vertraglich übernommene Unterweisungstätigkeit mindestens drei Hilfen angeboten: die öffentliche Hand übernimmt die Kosten für die theoretische Schulung in bestausgestatteten und - beschickten Berufsschulen und für Versicherungszwecke gilt die Berufsschulzeit als volle Arbeitszeit, weiters gewährt der Staat die volle Sozialversicherung, Alters-, Invaliden-, Hinterbliebenen-, Unfallversicherung und Gesundheitsfürsorge zu fixen, minimalen Wochenbeiträgen, praktisch zum Nulltarif als Ersparnis für den Lehrherren und drittens ist mit Landeskollektivvertrag die Entlohnung in Prozentsätzen (ca. 40 – 95 Prozent) des Anfangslohnes eines Facharbeiters und steigend nach Lehrjahren gestaffelt. Im Gegenzug ist der Lehrmeister oder der von diesem eigens beauftragte, befähigte Ausbildner, verpflichtet alle berufsbezogenen Kenntnisse und Arbeitsvorgänge gemäß Ausbildungsrahmen für das Berufsfeld beizubringen. Der Ausbildungsrahmen müsste parallel im Zeitablauf und Inhalt zum Berufsschulprogramm laufen, denn zuerst muss der Lehrling theoretisch kennen, was er im Betrieb dann unter Anleitung praktisch probieren und dann ausführen kann. Selbstverständlich und folgerichtig ist der Lehrling im Betrieb nur für Bereiche einzusetzen, die er theoretisch und praktisch schon erlernt hat.
In Italien gibt es zwar das Lehrlingswesen, allerdings ohne Ordnung und nur zwecks Ersparnis bei Sozialbeiträgen, sodass der Lehrling immer noch der billigste Hilfsarbeiter ist. Nur in Südtirol ist, wie in Österreich und in Deutschland, das duale Ausbildungssystem eingeführt, sodass zumindest eine Annäherung an seriöse Ausbildung, wie im Ausland, erreicht wird.
Es ist somit unverständlich, was mit Anpassung der Lehrlingsausbildung „im theoretischen Teil an die staatlichen Erfordernisse" und was mit (finanziell) zu ersetzender „Fehlzeit" im Betrieb durch den Berufsschulbesuch und dort ersatzweise gebotene theoretische Ausbildung des Lehrlings als „Mehrbelastung" gemeint ist. Es hat doch der Industriellenverband beantragt, die Lehrzeiten auf einheitlich drei Jahre zu verlängern und wir haben dem unter der Bedingung zugestimmt, dass handwerkliche Berufsbilder in vollem Umfang für die theoretische und praktische Ausbildung der Industrielehrlinge mit Berufsschulprogramm und Ausbildungsrahmen laut Handwerk zwecks Gleichstellung übernommen werden, was dann eine Ausdehnung der Lehrzeit rechtfertigt. Bisher hatte die Industrie einen Dreher-, Fräser-, Schweisser – usw. Lehrling für 18 bis 24 Monate Lehrzeit für diese Teilbereiche des handwerklichen Schlosserberufes. In Zukunft wird sie Schlosserlehrlinge mit Einschluss aller im Berufsbild vorgesehenen Arbeitstechniken in verlängerter Lehrzeit und der Endqualifikation als „Schlosser" mit Berufsschuldiplom haben. Der Lehrbetrieb erfährt eine kostenlose Aufwertung durch umfangreichere Ausbildung und somit Leistungs- und Einsatzmöglichkeiten seiner Mitarbeiter und nicht eine Mehrbelastung. Eine Lehrlingsausbildung war noch nie eine Wohltätigkeitsveranstaltung, sondern immer schon für verständige und vorausblickende Lehrmeister eine laut Gesetz vertraglich vereinbarte Unterweisung in einen Beruf im Rahmen dieses besonderen Arbeitsverhältnisses zwecks Sicherung des Berufsnachwuchses. Dafür bietet die öffentliche Hand kostenlos die Hilfe in der theoretischen Ausbildung in den Berufsschulen und erwartet sich in zeitlicher Abstimmung parallel dazu die praktische Unterweisung im Betrieb laut Ausbildungsrahmen, um einsatzfreudige, berufsbefähigte Nachwuchskräfte in der Welt der Arbeit einzusetzen. •