Landesbedienstete

Öffentlicher Dienst: Investieren oder sparen?

An dieser Stelle werden wir in unregelmäßigen Abständen Interviews zu Aktuellen Themen veröffentlichen. Unser erstes Interview haben wir mit Dr. Stefan Pan, Präsident des Südtiroler Unternehmerverband, geführt.
In letzter Zeit wurde deröffentliche Dienst des Öfteren in den Medien thematisiert, leider großteils in Zusammenhang mit Themen wie: Spending Review, Privatisierung, Entbürokratisierung und Stellenabbau. Äußerungen in diese Richtung kamen auch von Seiten des Südtiroler Unternehmerverbandes. Um der Sache auf den Grundzu gehen und die Sichtweise der Privatwirtschaft in Erfahrung zu bringen, haben wir Dr. Stefan Pan interviewt.
Vorab aber unsere Stellungnahme zum Thema Öffentlicher Dienst: Investieren oder sparen?
In Südtirol, so wie weltweit, wird der öffentliche Dienst oder zumindest große Teile davon in Frage gestellt. Öffentliche Dienstleistungen werden privatisiert und ausgelagert, mit der Folge, dass diese Dienstleistungen auf dem freien Markt konkurrenzfähig werden/bleiben müssen: NUR der Finanzkräftige kann dort seine Interessen realisieren. Die Reduzierung der öffentlichen Dienstleistungen werden von Seiten der Politik, durch die erforderlichen Sparmaßnahmen gerechtfertigt. Aber was versteht man unter „öffentlichen Dienst“? Die Brandbreite geht von den sozialen Dienstleistungen (Bildung, Gesundheit, soziale Dienste usw.,) über die Bereitstellung von Infrastrukturen (Energie, Wasser, Verkehr, Feuerwehr, Sicherheit, Kommunikation, Forst, usw.) bis hin zum Besitz der öffentlichen Hand von Industrie- und Dienstleistungsbetrieben. In diesem Sinne ist der öffentliche Dienst für die wirtschaftliche Entwicklung sehr wichtig.
Der öffentliche Dienst garantiert, dass Werte wie Chancengleichheit, Gerechtigkeit, Freiheit und Sicherheit, Ausgleich und Unvoreingenommenheit gewahrt werden und trägt dazu bei, dass alle BürgerInnen einen gleichberechtigten Zugang zu staatlichen Leistungen wie Bildung, Sicherheit oder Gesundheitsversorgung haben. Die BeamtInnen des öffentlichen Dienstes setzen sich dafür ein, dass von uns in Anspruch genommenen Dienste gewährleistet werden können. Sie verwalten und koordinieren die gesamten Verwaltungsabläufe der Ansuchen und Dienste jeglicher Art und setzen dessen vorgegebenen rechtlichen Vor­aussetzungen um.
Der ASGB-Landesbedienstete ist überzeugt, dass die Wirtschaftskrise nicht über Personalabbau und der Reduzierung öffentlicher Dienstleistungen erfolgen kann. Diese sollen mit angemessenem Personalstand und Sachmitteln ausgestattet werden. Nur motivierte MitarbeiterInnen können eine effiziente Verwaltung gewährleisten und bürgernahe Dienstleistungen anbieten. Wir Gewerkschaften tragen als Sozialpartner die Verantwortung, dass die Tarife und Bedingungen der Beschäftigten gerecht angewendet werden. Wir sind das Bindeglied zwischen Arbeitnehmerschaft und Arbeitgeber. Die Politik wird aufgefordert Sparmaßnahmen nicht nur mit dem Ziel eines oberflächlichen Ausgleichs zu finden, sondern gemeinsam und in Einvernehmen mit den Gewerkschaften die gesamtgesellschaftlichen Belange zu berücksichtigen, damit an den Stellen gespart wird, die die Lebensqualität und einen gerechter Zugang zu den Dienstleistungen für die Bürgerinnen und Bürger nicht in Frage stellen.

Landesbedienstete

Interview mit Dr. Stefan Pan, Präsident des Südtiroler Unternehmerverband

Dr. Stefan Pan
Dr. Stefan Pan
ASGB-LB: Sie fordern einen Abbau des öffentlichen Dienstes und erwarten sich dadurch Einsparungen. Inwiefern kann die Wirtschaft davon profitieren?

Pan: Das ganze Land, wir alle profitieren davon, wenn wir eine schlankere Verwaltung und exzellente Dienste in der öffentlichen Hand haben. Wir haben viele bürokratische Abläufe und Strukturen, die in den letzten Jahren durch Eigendynamik über Gebühr gewachsen sind. Dies war möglich, weil unser Landeshaushalt seit Jahrzehnten sehr gut dotiert war und immer größer wurde. Wir sind alle froh darum, wir haben dadurch einen der höchsten Standards in Europa erreicht, aber dadurch ist teilweise auch der Blick für das Wesentliche verloren gegangen. In Südtirol arbeitet einer von fünf Erwerbstätigen in der öffentlichen Verwaltung, in Italien einer von sieben, in Deutschland einer von zehn. Ich denke, dass hier Spielraum besteht. Dabei möchte ich zwei Aspekte klar vorausschicken: Zum einen gibt es in Südtirol viele Beamte, die mit großem Einsatz und Können ihrer täglichen Arbeit nachgehen. Zum anderen soll niemand entlassen werden. Es gibt Wege, um schlanker zu werden, ohne dass jemand seine Stelle verliert: man kannsich an Trient ein Beispiel nehmen: Dort wird nur eine von fünf frei werdenden Stellen nach besetzt.
Wenn wir fordern, dass die öffentliche Verwaltung schlanker und effizienter werden muss, dann fordern wir dies im Interesse der Allgemeinheit und nicht der Wirtschaft. Fakt ist: Das Geld, das wirzur Verfügung haben, wird weniger, die Dotierung des Landeshaushalts sinkt. Alle Haushaltskapitel müssen analysiert werden, gerade damit die vorhandenen Mittel sinnvoll eingesetzt werden können. Wenn 76 Prozent des Landeshaushaltes für laufende Ausgaben aufgewendet werden müssen, bleibt kaum Spielraum für strategische Investitionen. Nur wenn wir strategische Investitionen tätigen können, können wir die Wohlfahrt des Landes langfristig sichern. Wir leben in einem Kreislauf. Die Wirtschaft generiert die Gelder, die der öffentlichen Hand zur Verfügung stehen. Wenn durch eine exzellente öffentliche Hand die Rahmenbedingungen besser werden, kann die Wirtschaft wiederum einen höheren Mehrwert generieren. Dies wird oft vergessen. Um Geld zur Umverteilung zu haben, muss es der Wirtschaft gut gehen. Dann geht es auch den Menschen und dem Land gut.

ASGB-LB: Wie erklären Siedas Paradox, dass einerseits auch die Gehälter im öffentlichen Dienst schrumpfen und andererseits die Wirtschaft angekurbelt werden soll?

Pan: Als Unternehmerverband verlangen wir bereits seit Jahren eine Reduzierung der Lohnnebenkosten. Es kann nicht sein, dass der Arbeitgeber für 100 Euroan den Arbeitnehmer bezahlten Lohn 114 Euro an den Staat in Form von Steuern und Abgaben abliefern muss. Hier ist sicher der Staat gefordert, aber auch das Land kann durch die Senkung des regionalen Irpef-Zuschlags für Arbeitnehmer, sowie des Irap-Satzes einen Beitrag leisten. Dies wäre eine strategische Maßnahme, die beispielsweise durch eine schlankere Verwaltung finanzierbar wäre. Weniger öffentliche Bedienstete, die leistungsgerecht entlohnt werden, müssen das Ziel sein.

ASGB-LB: Besteht Ihrer Ansicht nach nicht die Gefahr, dass durch die von Ihnen geforderte Privatisierungsämtlicher öffentlicher Dienste die Schere zwischen Arm und Reich immer größer wird?

Pan: Eine Privatisierung sämtlicher öffentlicher Dienste ist nicht das Ziel. Die öffentliche Hand sollte sich aber aus all jenen Sektoren zurückziehen, die als nicht strategisch angesehen werden. Es ist zudem absolut notwendig, die Anzahl der öffentlichen Gesellschaften zu reduzieren. Nicht nur um zu sparen, sondern auch um die Effizienz des angeboten Dienstes zu verbessern und für mehr Transparenz zu sorgen. In Südtirol gibt es 230 Einrichtungen, Körperschaften und Gesellschaften mit öffentlicher Beteiligung. Der Großteil dieser ist nicht im öffentlichen Sektor tätig, sondern in Bereichen, in denen Konkurrenz zu privaten Unternehmen herrscht. Die Zusammenarbeit zwischen öffentlichem und privatem Sektor kann durch Liberalisierungen erfolgen, aber auch durch echte Partnerschaften, besonders auch im Bereich des Bauwesens.

ASGB-LB: Die Sozialpartner wissen, dass europaweit der Steuerdruck auf die einzelnen Bürger/innen und auf die Wirtschaft in Italien einer der höchsten ist. Wäre es nicht sinnvoll, gemeinsam etwas zu unternehmen, damit allen Bürger/innen und der Wirtschaft mehr Geld für die heimischeWirtschaft bleibt? Wie könnte Ihrer Meinung nach dieses Ziel erreicht werden?

Pan: Vor beinahe drei Jahren haben wir gemeinsam mit den Gewerkschaften ASGB, AGB/CGIL, SGB/CISL und UIL/SGK den „Arbeitstisch der Sozialpartner“ gegründet. In regelmäßigen Abständen treffen wir uns zum Austausch über aktuelle wirtschafts- und sozialpolitische Fragen. Diese finden in einem sehr konstruktiven Klima statt. Im Zuge des letzten Treffens Ende November hat der „Arbeitstisch der Sozialpartner“ den Landeshaushalt im Detail analysiert. Dabei herrschte Einigkeit darüber, dass es wichtig wäre, dem Haushalt eine strategische Ausrichtung zu geben. Um einen konkreten Beitrag zur Erreichung dieses Zieles zu leisten, haben die Sozialpartner entschieden, ab Jänner 2013 fünf Arbeitsgruppen zu spezifischen Themenkreisen einzurichten, um gemeinsam Maßnahmen zur Absicherung der Zukunft Südtirols zu erarbeiten. Dabei werden wir folgende Themen behandeln: Wirtschaft, öffentliche Verwaltung, Sanitätswesen, Ausbildung und die Beziehung zwischen öffentlicher Verwaltung und Privaten. Ich denke, dass wir damit einen sehr konkreten Beitrag leisten werden. Auf nationaler Ebene steht unser Dachverband Confindustria mit den Gewerkschaften ebenfalls in engem Kontakt. Gemeinsames Ziel ist sicher, Bürger und Unternehmen zu entlasten. Vor allem aber können wir durch eine gelebte Sozialpartnerschaft wieder Vertrauen schaffen. Vertrauen schafft nachhaltiges Wachstum.

Dr. Pan, wir danken für das Gespräch.