Thema
Helmuth Renzler zur Rentenreform

Wir zahlen die Renten der Selbständigen

Wenn wir weitere Rentenreformen zu Lasten der Lohnabhängigen vermeiden wollen, muss endlich die Wahrheit gesagt werden
Es wird uns jeden Tag von allen Seiten verkündet, dass neue Rentenreformen notwendig sind um weiterhin die Renten ausbezahlen zu können und der Jugend in Zukunft eine öffentliche Rente zu garantieren. Erreicht werden soll dies mit der Erhöhung des Renteneintrittsalters.
Die seit 1. Jänner 2012 geltenden neuen Rentenbestimmungen wurdennach diesem Motto vorgenommen, ohne Rücksicht auf Verluste und mit dem Ergebnis, dass ganze Kategorien von Arbeitnehmern große Nachteile in Kauf nehmen müssen. Auch finanzielle Schwierigkeiten, weil viele Lohnabhängige von über 50 Jahren ihren Arbeitsplatz verlieren, auf Grund der heutigen Arbeitsmarktsituation keinen neuen finden und somit bis zum Renteneintrittsalter, welches nun bei einem Lebensalter von mehr als 65 Jahren liegt, kein geregeltes Einkommen mehr haben. Dazu gesellen sich noch psychische Probleme, denn wenn jemand mit über 50 Jahren hunderte von Bewerbungsschreiben schreiben muss und zum Großteil nicht einmal eine Antwort erhält, dann führt dies oft zu Depressionen und entsprechenden Krankheitsbildern. Aber auch die Tatsache, dass bestimmte Tätigkeiten mit einem höheren Lebensalter nur mehr sehr mühevoll durchgeführt werden können, führt schlussendlich zum Verlust des Arbeitsplatzes und zu einer unsicheren finanziellen Altersversorgung.
Dies sind einige der Argumentationen, die täglich durch die Medien gehen um die Bevölkerung von der Notwendigkeit solcher Reformen zu überzeugen. Alles Quatsch: Mit solchen Maßnahmen kann man kein öffentliches Rentensystem finanzieren. Ein gut funktionierendes Rentensystem beruht auf der Anzahl der Beitragszahler, auf einer guten wirtschaftlichen Situation sowie einer größeren Produktion. Und hier muss mit klaren und transparenten Zahlen gearbeitet werden. Um die Anzahl der Beitragszahler zu erhöhen,müssen neue Arbeitsplätze geschaffen und die bestehenden so gestaltet werden, dass auch ältere Mitarbeiter ihre Arbeitsleistung voll entfalten können. Dies sind Maßnahmen welches es umzusetzen gilt um das öffentliche Rentensystem weiterhin finanzieren zu können. Gleichzeitig muss auch dafürgesorgt werden, dass alle Kategorien von Versicherten in gleichem Ausmaß zur Finanzierung des öffentlichen Systems beitragen. Die in den Tabellen Seite 12 angeführten Zahlen zeigen ein großes Ungleichgewicht zwischen den von den Lohnabhängigen eingezahlten Rentenversicherungsbeiträgen und dendadurch bezogenen Leistungen und jenen der Selbständigen auf. Im Jahr 2010 und 2011 wurden von den verschiedenen Kategorien in Südtirol folgenden Rentenversicherungsbeiträge einbezahlt (siehe Tabelle).
Die beiden Tabellen zeigen klar eine große Ungerechtigkeit auf. Es wird ersichtlich, dass die Lohnabhängigen im Jahr 2011 insgesamt 1.244.454.000 Euro an Rentenversicherungsbeiträgen eingezahlt und nur 783.111.851 Euro an Rentenleistungen ausbezahlt bekommen haben. Sie haben also um 461.342.149 (vierhunderteinundsechzigmillionen...!!!!!) Euro weniger ausbezahlt bekommen als sie eingezahlt haben. Dieser Negativsaldo zwischen den von den Lohnabhängigen eingezahlten und kassierten Rentenleistungen kann schon seit Jahrzehnten nachgewiesen werden. Andererseits schauen diese Zahlen bei den Selbständigen gänzlich anders aus. Die Selbständigen haben im Jahr 2011 insgesamt 292.204.000Euro an Rentenversicherungsbeiträgen beim NISF/INPS eingezahlt und im Jahr aber dafür 534.562.051 an Leistungen ausbezahlt bekommen, um 242.358.051 Euro mehr als sie eingezahlt haben. Auch dieser Trend kann schon seit Jahrzehnten beobachtet werden. Dies bedeutet, dass die Lohnabhängigen in Südtirol jedes Jahr viel mehr einzahlen müssen als sie an Rentenleistungen ausbezahlt bekommen während dies bei den Selbständigen genau umgekehrt ist.
Bevor man nun bei den Lohnabhängigen das Renteneintrittsalter erhöht, muss man zuerst dafür sorgen, dass auch die Selbständigen mehr Rentenversicherungsbeiträge einzahlen. Dies kann nur gelingen, wenn die Einkommenskontrollen der Selbständigen massiv verstärkt werden und die Steuer- und Beitragshinterziehung dieser Kategorien drastisch bekämpft werden. Wenn dies nicht geschieht, wird jede Rentenreform scheitern und wirArbeitnehmer werden weiterhin stillschweigend große Nachteile in Kauf nehmen müssen. Nur wenn im Rentensektor Gerechtigkeit geschaffen, kann das öffentliche Rentensystem weiterhin aufrecht erhalten bleiben und auch in Zukunft angemessene Rentenbeträge ausbezahlen. Deshalb ist es auch auf Landesebene unbedingt notwendig, durch verstärkte Kontrollen und Inspektionen in allen Bereichen ein Gleichgewicht herzustellen. Dies kann gelingen, wenn die zuständigen Behörden verschärfte Kontrollen bei der Steuer-und der Beitragshinterziehung vornehmen. Dazu bedarf es allerdings einer Aufstockungdes Personals bei der Steuerbehörde und einer massiven Neuanstellung von Arbeitsinspektoren. Eine solche Erhöhung von Arbeitsinspektoren wurde bisher von der Landesregierung leider immer wieder verhindert. Es wir höchste Zeit, im Interesse Aller, das dies in absehbarer Zukunft geschieht und dafür müssen wir Arbeitnehmer sorgen. Wir sind es leid dauernd für dumm verkauft zu werden und als Melkkühe des Landes herhalten zu müssen.
Vom NISF/INPS in Südtirol eingenommene Beiträge in den Jahren 2010 und 2011
(Werte in Tausend Euro)
  2010 2011 Änderung in %
Laufende Beiträge 1.456.428 1.538.991 + 5,67
Unternehmen (Ausgleichszahlungen für Mitarbeiter) 1.142.849 1.213.076 + 6,14
Handwerker 74.234 77.219 + 4,02
Kaufleute 101.599 107.950 + 6,25
Landwirtschaftliche Unternehmen 24.284 25.781 + 6,16
Bauern 40.124 40.322 + 0,49
Arbeitnehmerähnliche Tätigkeiten 65.018 66.713 + 2,61
Freiwillige Weiterversicherung 2.640 2.332 - 11,66
Hausangestellte 5.680 5.597* - 1,47
* Arbeitnehmerbeiträge 2011 sind in rot abgedrucktQuelle: NISF/INPS – Helmuth Renzler

Insgesamt wurden somit vom NISF/INPS in Südtirol von den verschiedenen Kategorien im Jahr 2010 1.456.428 Euro und im Jahr 2011 1.538.991.000 Euro an Sozialabgaben eingezahlt.

Im Gegenzug wurden in denselben Jahren aberfolgende Rentenleistungen ausbezahlt:


Die vom NISF/INPS in den Jahren 2010 und 2011 in Südtirol ausbezahlten Rentenbeträge
  2010 2011
Insgesamt 1.205.143.535 1.331.804.022
Rentenfonds der Lohnabhängigen 700.848.989 737.350.312
Selbständige (Handwerker, Kaufleute und Bauern) 480.780.924 527.886.643
Ersatzfonds  27.407.315  43.715.466
Integrierende Fonds 2.011.106 2.046.073
Arbeitnehmerähnliche Tätigkeiten Art. 2 Gesetz 335/95 3.181.935 4.723.377
Andere Fonds und Versicherungen 1.859.518 1.952.031
Fürsorgeleistungen (Sozialrenten u.ä.) 14.025.957 14.006.433
Quelle: NISF/INPS– Helmuth Renzler

Gebietskörperschaften
Interview mit dem Präsidenten des Gemeindenverbandes, Arno Kompatscher

Einsparungen im Personalbereich

Am 30. November 2012 trafen sich unsere Vertreter Karl Heiss und Reinhard Innerhofer von der Fachgewerkschaft Gebietskörperschaften mit dem Präsidenten des Südtiroler Gemeindenverbandes Arno Kompatscher zu einem Gespräch bezüglich der geplanten Einsparungen im Personalbereich.
Wir geben das Gespräch in einem kurzen Interview wieder:
Arno Kompatscher
Arno Kompatscher
ASGB: Herr Kompatscher, die geplanten Einsparungen der Südtiroler Landesregierung beim Landes-, Sanitäts- und Lehrpersonal kennen wir mittlerweile ziemlich genau. Wir wissen auch, dass die Gemeinden bis zu 67 Miollionen Euro weniger an Landeszuweisungen erhalten, welche sicher zum Teil auch auf das Personal abgewälzt werden. Welche Ideen hat der Rat der Gemeinden diesbezüglich?
Dr. Kompatscher: In den letzten Jahren sind von der Region und dem Staat sehr viele Kompetenzen auf die Gemeinden übertragen worden. Der heutige Stand der Dinge ist der, dass das Gemeindepersonal insgesamt überfordert und am Limit ist. Dies bestätigen uns auch die Zahlen der Krankheitsausfälle, die radikal zunehmen. Ich dementiere verschiedene Meinungen, die in der Bevölkerung zirkulieren, wonach keine guten Leistungen von öffentlich Bediensteten erbracht werden. Meiner Meinung nach arbeitet das Personal der Gebietskörperschaften vor allem in der Peripherie sehr gut. Einsparungspotential sehe ich höchstens im Rahmen einer Reorganisation von verschiedenen Diensten und Ämtern Gemeinden übergreifend und in den größeren Städten, die bezüglich Personalstand bisher in keinem Verhältnis zu den kleineren Gemeinden standen.
ASGB: Was können wir unsdarunter konkret vorstellen?
Dr. Kompatscher: Es wird sicher niemand entlassen werden und ich finde es auch nicht sinnvoll von Zahlen beim Personalabbau zu sprechen, wie es einige Landespolitiker schon seit längerem tun. Allerdings werden auch wir unseren Beitrag zu den Sparzielen leisten müssen. Unsere Hauptaufgabe in den nächsten Jahren wird darin bestehen, die Arbeit mit dem aktuellen Personalstand auf die bestmögliche Art zu bewältigen. Da einzelne Pensionierungen nicht mehr nach besetzt werden, ergibt dies automatisch eine Reduzierung der Stellenpläne. Verschiedene Dienste müssen reorganisiert, d.h. von mehreren Körperschaften gemeinsam und dadurch auch wirtschaftlicher geführt werden wie z.B. Bauämter, Bauhöfe, Gemeindepolizei usw. Ich bin allerdings ein Gegner der Auslagerung von Diensten.
ASGB: Die prekären Arbeitsverhältnisse im öffentlichen Dienst nehmen inZeiten der Krise stark zu. Bisher wurden diese oft über Jahre hinweg, auch nicht immer ganz legal, verlängert. Die passiert nun aus Gründen des Personalabbaus nicht mehr, was für viele Familien bedeutet, mit einem Gehalt weniger auskommen zu müssen. Wie stehen Sie dazu?
Dr. Kompatscher: Diebefristeten Arbeitsverhältnisse liegen mir besonders am Herzen. Ich weiß auch, dass davon sehr viele Frauen betroffen sind, die mit einem Ersatzauftrag für eine Mutterschaft udgl. arbeiten. Allerdings müssen diese nach der Rückkehr der Stelleninhaberin notgedrungen entlassen werden, was oft auch für die Verwaltung mit einer sehr schweren Entscheidung einhergeht. Außerdem können diese Bediensteten mit Ersatzauftrag die geltenden Mutterschaftsregelungen nicht oder nur teilweise in Anspruch nehmen, da die Arbeitsverträge zeitlich zu kurz sind. Hier gilt mein Aufruf an die Sozialpartner,in den nächsten Jahren Vorschläge für eine bessere Neuregelung einzubringen.
ASGB: Was halten Sie vom derzeitigen „Bruch der Sozialpartnerschaft“ der Landesregierung?

Dr. Kompatscher: Ich bin der Meinung dass die Sozialpartner, sprich Gewerkschaften, unbedingt miteingebunden werden müssen. Nur wenn miteinander gesprochen wird, können Lösungen aufgezeigt bzw. gefunden werden. Wir haben das ja auch bei den Verhandlungen zum Bereichsvertrag erlebt. Beispielsweise hatten wir Arbeitgeber Anfangs die Wichtigkeit eines psychophysischen Erholungsurlaubes für das Personal unterschätzt. Zusammen haben wir dann einen sehr guten Kompromiss gefunden.
ASGB: Vielen Dank für das Gespräch.