kommentar
Tony Tschenett & Alex Piras

Angriff auf die Gleichstellung des ASGB

Werte Mitglieder des ASGB
Wir möchten diese Ausgabe des AKTIV für einen besonderen Zweck in eigener Sache nutzen und bitten euch daher, diesen wenn auch etwas längeren, aber notwendigen Kommentar aufmerksam zu lesen, da es auch in eurem Interesse ist, darüber informiert zu sein.
Wie aus den Medien zu entnehmen war, ist der ASGB seit Längerem den mittlerweile auch gerichtlichen Angriffen des Gewerkschaftsbundes SGBCISL ausgesetzt. Es handelt sich dabei um einen seit Jahrzehnten dauernden Versuch des SGBCISL, dem ASGB das Gleichstellungsrecht mit den nationalen Gewerkschaftsbünden streitig zu machen.
Die ganze Problematik könnte der Verständlichkeit halber auch in einem Satz zusammengefasst werden: der Autonome Südtiroler Gewerkschaftsbund (ASGB) ist im Jahre 1964 durch Abspaltung einiger deutschsprachiger Funktionäre von der CISL entstanden, gerade weil die Interessen der deutschsprachigen Arbeiterschaft und Angestellten dort sträflich vernachlässigt worden waren. Dass der ASGB erst 14 Jahre später, 1978, die rechtliche Gleichstellung erhalten hat, welche zunächst nur auf dem Papier bestand und erst nach und nach umgesetzt wurde, was bis heute noch nicht vollständig erfolgt ist, zeigt den enormen Widerstand der nationalen Gewerkschaftsseite, dem der ASGB von Anfang an ausgesetzt war. Die Vorwürfe gegenüber dem ASGB sind jedoch derart ungerechtfertigt und die Argumente derart fadenscheinig, dass wir uns hier verpflichtet sehen, näher darauf einzugehen, um euch darüber aufzuklären, was wirklich dahintersteckt.
Während der ASGB heute von CGIL und UIL anerkannt ist, versucht die CISL bzw. deren Südtiroler Variante SGBCISL weiterhin, dem ASGB die Gleichstellung mit den anderen Gewerkschaftsbünden auf lokaler Ebene abzuerkennen. Dafür scheut der SGBCISL heute keine Mittel mehr und zieht regelmäßig, trotz ständiger Rückweisung ihrer Anträge, vor das Verwaltungsgericht oder den Staatsrat. (Fortsetzung auf Seite 4 – es lohnt sich)
Tony Tschenett
Vorsitzender des ASGB
Alex Piras
Stellvertretender Vorsitzender des ASGBt

aktuell
(Fortführung – Der Kommentar)

Angriff auf die Gleichstellung des ASGB

Aus unserer Sicht und auch aus Sicht vieler Vertreter des öffentlichen Lebens in Südtirol ist die Handlungsweise des SGBCISL gegen den ASGB ein Frontalangriff auf alle Mitglieder des ASGB, insbesondere jene, die sich bewusst mit dem Autonomen Südtiroler Gewerkschaftsbund identifizieren, ein Frontalangriff auf die Mitarbeiter/innen des ASGB, die täglich mindestens denselben wertvollen Dienst am Bürger leisten, wie die Mitarbeiter anderer Organisationen und ein Frontalangriff auf die Südtiroler Autonomie, da jede Minderheitengruppe im sonst so freien Europa ein Recht auf anerkannte selbständige demokratische Organisationen hat.
Ob Politik, Wirtschaft, Soziales oder Kultur: in jedem Bereich gibt es in Südtirol eigenständige Organisationen, Vereine, Verbände, warum soll sich dann die Südtiroler Arbeiterschaft von einer nationalen Vereinigung bevormunden lassen müssen? Oder fragen wir umgekehrt: wozu braucht es in Südtirol dann den Proporz und die Zweisprachigkeitspflicht? Es steht im Sinne einer demokratischen Gesellschaft jedem Arbeitnehmer frei, sich bei einer Gewerkschaft seiner Wahl einzuschreiben. Dieses Recht würde den Südtiroler/innen aber in der Tat genommen, wenn der ASGB den Status der Minderheitengewerkschaft und somit die Gleichstellung verlieren würde, da mit dieser auf lokaler Ebene eben jene Rechte verbunden sind, die die anderen Gewerkschaften auf dem gesamten Staatsgebiet haben und die eine gewerkschaftliche Vertretung der Arbeitnehmer/innen erst möglich machen. Dazu gehören: die Vertretung in privaten und öffentlichen Betrieben, die Vertretung in öffentlichen Gremien, die Vertretung in sozialpartnerschaftlichen Einrichtungen, der Steuerbeistand, die Dienstleistungen in Rentenangelegenheiten (Patronat).
Man muss sich die Tragweite der Absichten des SGBCISL bewusst machen, um zu verstehen, warum diese Gewerkschaft einen derartigen Krieg gegen den ASGB führt. In diesem Licht muss jegliche Bekenntnis des SGBCISL zur Südtiroler Autonomie als reine Farce erscheinen. Jeder Südtiroler und jede Südtirolerin soll sich selbst ein Bild davon machen, was er/sie davon hält.
Der ASGB hat es bisher bevorzugt, nicht medial auf die Angriffe des SGBCISL einzugehen, weil uns die rechtliche Sachlage klar erscheint und die Angriffe keine Neuheit darstellen. Ein anderer Grund für die bisherige Zurückhaltung ist, dass wir als ASGB, so wie auch CGIL und UIL, die Hauptaufgabe der Gewerkschaft im Einsatz für die lohnabhängigen Arbeitnehmer/innen, Rentner/innen und Familien in Südtirol sehen, umso mehr Zeiten der Krise, die seit Jahren anhält uns noch eine Zeit lang beschäftigen wird.
Worum geht's genau?
Der ASGB wurde 1978 vom Südtiroler Landtag als repräsentativste Gewerkschaft der deutsch- und ladinischsprachigen Bevölkerung in Südtirol bestimmt. Der Landtag tat dies in Ausführung eines Dekretes des Staatspräsidenten. Der SGBCISL fordert seitdem immer wieder, dass der Landtag diesen Vertretungsanspruch neu feststellt und argumentiert damit, dass der SGBCISL mehr deutsch- und ladinischsprachige Arbeitnehmer vertrete als der ASGB. Abgesehen davon, dass die vom SGBCISL genannten Zahlen im Gesamten angezweifelt werden dürfen, da auch der ASGB in manchen Bereichen nachweislich mehr Mitglieder vertritt als der SGBCISL, und abgesehen davon, dass die Sprachgruppenzugehörigkeit zu den unverletzlichen sensiblen Daten gehört, fehlen dem SGBCISL auch die Voraussetzungen des Minderheitenstatus, da er Teil eines gesamtstaatlichen Gewerkschaftsbundes (CISL) ist.
Dem ASGB werden Privilegien vorgeworfen. Wir fragen uns, welche dies sein sollen?
Nachdem der SGBCISL ständig von vermeintlichen Privilegien des ASGB spricht, möchten wir hier aufzeigen, dass es sich genau umgekehrt verhält, nämlich dass der ASGB in Wirklichkeit noch weit von der vollständigen rechtlichen Gleichstellung in Südtirol mit den anderen Gewerkschaften entfernt ist und somit weiter benachteiligt wird:
Gewerkschaftliche Freistellungen: Eine Vertretung der deutschen und ladinischen Bediensteten bei den italienischen Staatsbetrieben in Südtirol (Eisenbahn, Post, …) wird dem ASGB äußerst erschwert. Der ASGB hat zwar in allen diesen Betrieben Mitglieder, verfügt jedoch nicht über eine ordentliche Vertretungsmöglichkeit. Die Freistellungen des ASGB sind auf ein minimales Stundenkontingent begrenzt, sodass die Interessen dieser Mitglieder nur dadurch vertreten werden können, dass die ASGB-Funktionäre ihre Gewerkschaftsarbeit zum Teil durch Verwendung ihrer Freizeit (!) erbringen oder die Kosten gänzlich auf den ASGB fallen. Hinzu kommt, dass der SGBCISL bei den Kollektivvertragsverhandlungen mit den Staatsbetrieben sich oft dagegen gewehrt hat, dass auch der ASGB am selben Tisch sitzt. Wie sonst sollte der ASGB seine Mitglieder dort vertreten?
Finanzierung: Der SGBCISL missachtet nach wie vor, dass für den ASGB durch die Gleichstellung auch die Rechte aus den nationalen Kollektivverträgen gelten müssen. Somit hat der ASGB auch Anrecht auf die lokalen Finanzierungen, die darin vorgesehen sind. Tatsache ist aber, dass der ASGB in einigen Sektoren von allen vier Gewerkschaftsbünden den weitaus (!) geringsten Anteil erhält. Zudem werden die anderen Gewerkschaftsbünde finanziell noch von ihren Zentralen in Rom unterstützt. Wenn der SGBCISL es also als Privileg ansieht, dass der ASGB überhaupt Mittel aus der vorgesehenen Finanzierung erhält, wird die Absicht klar, warum er derart hartnäckig an der Existenz des ASGB rüttelt.
Vertretung in öffentlichen Gremien: Der SGBCISL wirft dem ASGB vor, bei der Benennung von deutschsprachigen Mitgliedern von öffentlichen Kommissionen (z.B. beratende Gemeindegremien wie Baukommission, Wohnbaukommission, usw.) bevorzugt zu werden. Die Praxis sieht anders aus. Längst nicht alle Gemeinden haben den ASGB um Vorschläge für die Ernennung von Kommissionsmitgliedern kontaktiert. Zudem gibt es heute kaum noch solche Kommissionen, da die meisten abgeschafft wurden. Für die Kommissionen auf Landesebene mit Gewerkschaftsvertretung müssen sich die vier Gewerkschaftsbünde ohnehin auf einen oder zwei Vertreter einigen. Wir als neuer Leitungsausschuss des ASGB haben im Sommer 2009 mit dem SGBCISL das Gespräch gesucht und u.a. erklärt, dass die Vertretung in Kommissionen eine lösbare Frage sei. Dass dieses Angebot nicht angenommen wurde, zeigt, dass es dem SGBCISL in Wahrheit nicht um diese Frage geht.
Der SGBCISL möchte, dass es dem ASGB abgesprochen wird, die Gewerkschaft der deutschen und ladinischsprachigen Minderheit in Südtirol zu sein. Wir wiederholen, dass es jedem und jeder Südtirolerin freisteht, sich bei der Gewerkschaft seiner/ihrer Wahl einzuschreiben, dass es aber – so wie es die Geschichte gezeigt hat – einen Autonomen Südtiroler Gewerkschaftsbund braucht.
Eines ist sicher. Ohne ASGB wären wir heute aus Sicht der Arbeitnehmerschaft in Südtirol, sprich Proporz und Zweisprachigkeit im öffentlichen Dienst, und im sozialen Wohnbau, eigene Lohnverhandlungen für das Lehrpersonal, eigenständiges Lehrlingswesen und viele andere Bereiche auch, nicht so weit. Oft genug musste er sich gegen die zentralistischen Widerstände zum Schutze der Interessen der lokalen Bevölkerung durchsetzen. Daher werden wir uns weiterhin zur Wehr setzen gegen die Angriffe des SGBCISL. Der ASGB ist heute eine feste Größe in der Südtiroler Gesellschaft und hat ein breites Angebot an wichtigen Dienstleistungen für die Arbeiterschaft. Er ist von der Struktur her ein demokratischer Gewerkschaftsbund, bestehend aus vielen Fachgewerkschaften, wie eben die gesamtstaatlichen Gewerkschaftsbünde oder der österreichische oder der deutsche Gewerkschaftsbund auch. In Europa gibt es verschiedene anerkannte Gewerkschaften von Sprachminderheiten. Ein Grund mehr, auch den ASGB seine Arbeit für die eigenen Mitglieder und die gesamte Südtiroler Arbeitnehmerschaft tun zu lassen. Denn ein Angriff auf den ASGB ist auch ein Angriff auf die Südtiroler Autonomie.