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Arbeitsförderungsinstitut

Studienreise nach London

„Stark anwachsende Staatsschulden, ein deutlicher Rückgang der realen Einkommen, rigorose Sparpläne der konservativ-liberalen Regierung und große Schwierigkeiten, nach der Demontage der Regierung Thatcher die eigene Durchsetzungskraft wider neu aufzubauen". Das sind die Probleme, mit denen sich die Gewerkschaften derzeit in Großbritannien herumschlagen.
Eine Delegation des AFI-IPL konnte sich auf der Studienreise in London in Gesprächen mit der Gewerkschaft UNITE, dem gewerkschaftlichen Dachverband TUC und verschiedenen gewerkschaftsnahen Forschungseinrichtungen ein Bild davon machen, dass dennoch mit großem Einsatz daran gearbeitet wird, Alternativmodelle zu den neoliberalen Politikkonzepten zu erarbeiten. „Widrige Bedingungen scheinen die Initialkraft der britischen Gewerkschaften eher noch anzukurbeln", zeigt sich der Vorsitzende des AFI-IPL Elmar Aichner beeindruckt.
Trotz des im Vergleich zu Italien geringen Defizits von 0,9 Prozent und des großen Vertrauens der internationalen Märkte (Großbritannien muss für Staatsanleihen nur 1,6 Prozent Zinsen zahlen) ist die wirtschaftliche Lage angespannt. Das Anwachsen der Staatsschulden geht einher mit einem Nullwachstum der Lohneinkommen seit 2004 und einem Anstieg der Arbeitslosigkeit auf 8,4 Prozent. Nach der Regierung Blair, die doch einige Verbesserungen für die Gewerkschaften gebracht hatte, hat nun die konservativ-liberale Regierung dem Land eine rigorose Sparkur verschrieben. Diese beinhaltet drastische Einschnitte zu Lasten der ArbeitnehmerInnen. Die öffentlichen Ausgaben werden bis etwa 2015 um 20 Prozent gekürzt, ein Zehntel der sechs Millionen öffentlichen Stellen wird nicht nach besetzt bzw. abgebaut, die Sozialleistungen werden drastisch gekürzt, die Gewerkschaftsrechte sollen weiter beschnitten werden.
Ist bereits jetzt für einen Streik eine Urabstimmung notwendig, soll nun eine Klausel eingeführt werden, laut der 40 Prozent der Arbeitnehmer|Innen an der Abstimmung teilnehmen müssen, damit diese überhaupt Gültigkeit hat. Solidaritätsstreiks sind gesetzlich verboten. Kündigungsmöglichkeiten sollen weiter gelockert werden: bisher war die Kündigung im ersten Arbeitsjahr problemlos möglich, nun soll dieser Zeitraum auf zwei Jahre ausgedehnt werden.
Die Gewerkschaften als Fürsprecher sozial verträglicher Politikkonzepte und Vorkämpfer für soziale Gerechtigkeit tun sich schwer, sich zu behaupten. Nur knapp 30 Prozent der Beschäftigten haben einen Kollektivvertrag. Für alle anderen finden Vertragsverhandlungen ausschließlich auf Betriebsebene bzw. in einzelnen Betriebsniederlassungen statt.
Dieser Nachteil wird durch einen gesetzlichen Mindestlohn ein wenig ausgeglichen, der bei ca. sechs britischen Pfund (entspricht ungefähr sieben Euro) pro Arbeitsstunde liegt. Auch im Rentenbereich ist eine Grundsicherung gesetzlich eingeführt worden. Die gesetzliche Altersrente ist sehr bescheiden, sodass die ArbeitnehmerInnen vor allem auf Betriebsrenten angewiesen sind. Da jedoch Millionen von ArbeitnehmerInnen keinen Anspruch auf eine Betriebsrente erworben haben, musste der Staat eingreifen. Er hat gesetzlich festgelegt, dass die ArbeitnehmerInnen pro Arbeitsjahr einen Rentenanspruch von ca. vier Prozent der Lohnsumme haben. Dieses Modell entspricht dem der italienischen Dienstaltersrente, die inzwischen den Reformen zum Opfer gefallen ist.
Was wir von den englischen Gewerkschaft lernen können? Auch bei widrigsten Umständen nicht locker lassen; sich weiter für die Anliegen der ArbeitnehmerInnen und RentnerInnen einzusetzen und Wege finden diese Anliegen auch durchzusetzen.

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Erwischt

So „sparen" Italiens Politiker

Italiens Politik gelobte Einsparungen. Derweil genehmigen sich die Senatoren einen Teller Nudel um 87 Cent, Silvio Berlusconi noch kurz vor seinem Abgang 33 neue Mitarbeiter und das Verteidigungsministerium 19 neue Maseratis. Was hat uns Berlusconi in den letzten Wochen seiner Präsidentschaft doch alles versprochen. Jetzt sei Schluss mit der Verschwendung, jetzt werde reformiert und gespart.
Ein paar Beispiele gefällig, die das Gegenteil beweisen?
Beispiel Menükosten
Im Internet kursiert das Foto eines Kassabeleges aus dem Senatsrestaurant, ausgestellt am 19. Oktober 2011 also satte zwei Monate nach den Beteuerungen von Senatorsquästor Angelo Cicolani, die Spottpreise im Senatsrestaurant anpassen zu wollen. Verspeist wurden Nudeln (Trofie) mit Spargeln und Speck für 0,87 Euro, ein Salatteller mit Spinat und Parmesan um 1,75 Euro, eine „Tagliata" (geschnittenes Rindfleisch) mit Rucola für 3,41 Euro, und als Nachtisch Ananas für 0,40 Euro und eine „Torta della Nonna" für 0,77 Euro. Der teuerste Posten ist das Gedeck für 3,91 Euro. Alles in allem ein üppiges Menü für elf Euro, das einem normalen Bürger im Restaurant um die 40 Euro kosten würde.
Eine Preisanpassung von 2010 auf 2011 hat es tatsächlich gegeben: der Salatteller kostet 2011 einen Cent mehr, die Tagliata zwei Cent, das Gedeck gewaltige sechs Cent.
Beispiel Aufnahmestopp im öffentlichen Dienst
Genau jener Minister, Renato Brunetta, der Anfang Oktober in einem Interview mit der Zeitung „Il Foglio" den Abbau von mindestens 300.000 Stellen im öffentlichen Dienst bis 2013 angekündigt hatte, setzte seine Unterschrift unter ein Dekret, mit dem für den Chigi-Palast, zu dem Zeitpunkt noch der Sitz von Silvio Berlusconi, 33 Neuaufnahmen mit unbefristetem Vertrag ermöglicht wurden. Zwölf der 33 Neuaufnahmen betreffen Führungskräfte, womit der Chigi-Palast bei 400 Führungskräften anlangt. Nur Führungskräfte!! Im Chigi-Palast stehen 4.600 Personen auf der Gehaltsliste! Was tun die alle, wo Berlusconi doch stets behauptet hat, der Regierungschef in Italien sei eine schwache Figur? Und wo sie wohl essen gehen?
Beispiel Dienstwagen
Im „Corriere della Sera" lässt sich nachlesen, dass das Verteidigungsministerium 19 gepanzerte Maserati angekauft hat. Wie war das noch mal mit den Kleinwagen und wozu Maserati? Geht's im Maserati in den Krieg? Die Autos seien schon 2008 und 2009 bestellt worden, beeilte sich Verteidigungsminister Ignazio La Russo zu betonen. Als ob das eine Rechtfertigung für 19 gepanzerte Maserati wäre! La Russa ist sich jedenfalls keiner Schuld bewusst. Die Maserati seien günstiger gewesen als die deutschen Autos, führte er ins Feld. Günstiger als welche deutschen Autos, günstiger als ein VW-Golf oder günstiger als ein Porsche? Was das Kesseltreiben solle, fragte La Russa, ganz Italien solle ihm dankbar sein, dass italienische Fahrzeuge gekauft worden seien. Ja, ist nicht ein Fiat Punto auch italienisch?
Beispiel Luftwaffe
Wer in der Wohnung eines Generals oder Admirals putzt und kocht, wird dafür mit 63.327 Euro pro Jahr entlohnt – knapp 4.900 Euro brutto pro Monat, 13 Mal!! Im Rahmen einer Ausschreibung hat die Luftwaffe nämlich für neun Wohnungen und vier Jahre 2.279.798 Euro bereit gestellt, weiß Gian Antonio Stella vom im Corriere della Sera zu berichten.
Noch ein letztes Beispiel, jenes der Brücke über die Meeresenge von Messina: 250 Millionen Euro wurden bereits allein für Machbarkeitsstudien ausgegeben. Würde das Projekt jetzt gestoppt, was gar nicht so unrealistisch ist, müsste der italienische Staat noch einmal 500 Millionen Euro Strafgebühr drauflegen. Ist eh nur Steuergeld!!
So genüsslich wie nie zuvor, breiten die Medien den Verschwendungssumpf aus, in dem Italien zu versinken droht. Die Politikerkaste scheint es nicht zu kümmern. Sie scheint sich – bis auf wenige Ausnahmen – gar nicht einmal dafür zu schämen.
Quelle: Südtiroler Wirtschaftszeitung - Christian Pfeifer
Es ist zu hoffen, dass der neue Ministerpräsident Mario Monti ernst macht und Maßnahmen in die Wege leitet die dazu dienen, die Verschwendung zu unterbinden und die Politiker endlich in die Schranken zu weisen.