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Tony Tschenett

Der drohenden Verarmung entgegensteuern

Im Juni dieses Jahres hat das Landesstatistikamt (ASTAT) über die zunehmende Inanspruchnahme der finanziellen Sozialhilfe in Südtirol berichtet, was ein klares Zeichen für die steigende Armut auch in unserer scheinbar reichen Provinz ist. Der ASGB hat die Landesregierung in den letzten Jahren vermehrt auf die Zunahme von prekären Arbeitsverhältnissen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst, auf die sinkende Kaufkraft der lohnabhängigen Bevölkerung, auf die unwürdigen Renten vieler Südtiroler/innen und auf die fehlende Rentenversicherung für Erziehungszeiten der Mütter im Privatsektor aufmerksam gemacht und entsprechende Maßnahmen gefordert.
Durch die beiden Sparpakete der italienischen Regierung wird die Armut in unserem Land noch weiter steigen, wenn wir nicht entgegensteuern. Während im Sparpaket Maßnahmen für das Wirtschaftswachstum, die Sicherung der Arbeitsplätze, weniger Steuer auf Arbeit und weniger prekäre Arbeitsverhältnisse völlig fehlen, verlangen diese enorme Opfer von den Rentnern, lohnabhängig Beschäftigten, Familien und Jugendlichen. Was Südtirol betrifft, so bleibt noch offen, wie viel unser Land, trotz bestehender Verträge wie das „Mailänder Abkommen" und trotz der im Autonomiestatut verankerten Kompetenzen, zusätzlich an Italien zahlen muss.
Eine Maßnahme im Sparpaket, die der ASGB vehement kritisiert, ist die Aufweichung des Kündigungsschutzes. Laut dieser Bestimmung könnte ein Abkommen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer auf Betriebsebene den derzeitigen Schutz der Kündigung für ungerechtfertigte Entlassung abändern. Dies würde bedeuten, dass Betriebsräte in die Lage versetzt werden könnten, darüber zu entscheiden, wer entlassen wird.
Was können wir also tun, damit die Armut in unserem Land nicht noch weiter steigt?
Entgegensteuern können wir, indem unter anderem die einzelnen Kostenstellen des Landeshaushaltes zusammen mit den Sozialpartnern überprüft werden, mit dem Ziel, die Effizienz zu erhöhen und Verschwendungen jeglicher Art zu vermeiden. Der ASGB fordert, dass vor allem im Landeshaushalt und im Haushalt der Region für das Jahr 2012 Unterstützungsmaßnahmen für die Familien und Rentner getroffen werden.
Wir als ASGB werden uns vehement dafür einsezten, dass unsere Forderungen schnell und umfassend von der Landespolitik erfüllt werden, und dass die arbeitende Bevölkerung und die Rentner nicht noch mehr belastet werden.
Tony Tschenett
Vorsitzender des ASGB

aktuell

Sparpaket und Generalstreik

Einsparungen von über 100 Milliarden Euro bis 2014 beinhalten die Sparpakete der römischen Regierung. Dies verlangt von der italienischen Arbeiterschaft schmerzhafte finanzielle Einbußen. Die Redaktion des AKTIV hat mit dem Vorsitzenden des ASGB, Tony Tschenett ein Interview zum Thema Sparpaket und Generalstreik geführt.
AKTIV: Die Sparpakete, welche die letzten beiden Monate Italien beschäftigt haben, ist vom römischen Senat und vom Parlament nach heftigen Protesten, einem Generalstreik und täglichen Abänderungen genehmigt worden. Welche Auswirkungen haben die Sparpakete auf die Südtiroler Arbeiterschaft?
Tschenett: Diese Maßnahmen treffen in gleichem Maße auch die Südtiroler Arbeiterschaft, besonders Familien, Rentner und Menschen, die jetzt schon Schwierigkeiten haben mit ihrem Einkommen über die Runden zu kommen. Die großen Opfer, die dieses Sparpaket von der Bevölkerung abverlangt und die fehlenden Maßnahmen für ein Wirtschaftswachstum lassen daran zweifeln, dass dieses Sparpaket Italien retten kann.
AKTIV: Welche großen Mängel haben diese Sparpakete?
Tschenett: Die Bekämpfung der Steuerhinterziehung wird wieder nicht ernsthaft angegangen, die Reichensteuer ist eine Augenauswischerei. In Italien leben über eine Million Menschen von der Politik, der Hofstaat des Staatspräsidenten kostet mehr als jener des englischen Königshauses, dort Kosten einzusparen wäre höchst an der Zeit, aber die Bereitschaft ist nicht gegeben.
AKTIV: Welche Auswirkungen haben diese Maßnahmen auf das Rentenantrittsalter der Frauen?
Tschenett: Ab 2014 wird für die Frauen in der Privatwirtschaft das gesetzliche Pensionsantrittsalter für die Altersrente schrittweise erhöht und somit bis zum Jahr 2026 auf 65 Jahren ansteigen, ohne Anrechnung der Mutterschafts- und Pflegezeiten.
AKTIV: die Erhöhung der Mehrwertsteuer von 20 auf 21 Prozent kritisiert der ASGB in besonderem Maße, warum?
Tschenett: Diese Erhöhung trifft auch wieder die arbeitende Bevölkerung, die Familien und die Rentner am härtesten und senkt auf der einen Seite den Konsum, was wiederum für die Wirtschaft schädlich ist. Aber es gibt in diesem Zusammenhang auch noch eine andere negative Auswirkung, die Mehreinnahmen gehen nicht an das Land Südtirol, sondern an den italienischen Staat und somit verlieren wir Südtiroler hier doppelt.
AKTIV: Das Mailänder Abkommen, mit welchem Südtirol bereits 2010 auf 500 Millionen Euro jährlich verzichtet, wurde in diesem Sparpaket anerkannt, bleibt das Land Südtirol somit von weiteren Sparmaßnahmen verschont?
Tschenett: In keiner Weise, man rechnet damit, dass Südtirol mit 300 Millionen Euro zur Kasse gebeten wird und das hat sicher wiederum Auswirkungen auf die öffentlichen Dienstleistungen in unserem Land.
AKTIV: Der ASGB hat sich an dem von der CGIL auf nationaler Ebene ausgerufenen Generalstreik beteiligt, obwohl die beiden anderen nationalen Gewerkschaften CISL und UIL die Notwendigkeit dieses Streikes nicht sahen, warum?
Tschenett: Wir haben als ASGB gemeinsam mit den Vertretern der Fachgewerkschaften entschieden an diesem Streik teilzunehmen. Wenn es um so harte Einschnitte in das soziale Gefüge geht und auf Verhandlungsebene keine Abschwächungen erreicht werden können, dann ist der Streik das einzige Mittel dem Unmut und der Enttäuschung Ausdruck zu verleihen.
AKTIV: Wie hoch war die Streikbeteiligung in Südtirol?
Tschenett: In einigen Sektoren wie z.B. im Metallbereich war sie recht hoch, im öffentlichen Dienst ließ sie zu wünschen übrig. Es muss aber gesagt werden, dass wir nur zehn Tage hatten um diesen Streik vorzubereiten, das ist sicher auch ein Grund für die niedrige Beteiligung in einigen Bereichen.
AKTIV: Wie siehst du die weitere Entwicklung, werden diese Sparmaßnahmen reichen oder erwartet uns in einigen Jahren wieder ein Sparpaket?
Tschenett: Italien wird sicher noch weitere Sparpakete benötigen, um aus der Schuldenkrise zu kommen. Wir als ASGB werden uns aber weiterhin vehement dafür einsetzen, dass die arbeitende Bevölkerung und die Rentner nicht noch mehr belastet werden.