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Verbraucherkompetenzen von Familien stärken und nicht schwächen

Walther Andreaus, ehemaliger Fachsekretär im ASGB, gilt als Südtirols profiliertester Verbraucherschützer. Er ist Geschäftsführer der Verbraucherzentrale Südtirol (VZS), die für tagtägliche und oft lebensnotwendige Anliegen der Bevölkerung arbeitet. AKTIV hat mit ihm gesprochen.
> AKTIV: Die Kaufkraft ist eines der wichtigen Themen für die VZS. Warum?
W. Andreaus: Weil die Verbraucher seit der Euro-Einführung mit beträchtlichen Kaufkraftverlusten zu kämpfen haben. Wir merken das jeden Tag bei den zahlreichen Beratungsgesprächen. Die Einkommen der Familien in Südtirol stagnieren, die Ersparnisse gehen seit Jahren zurück, die Verschuldung steigt. Dadurch muss der Gürtel enger geschnallt werden. Am Markt hingegen wird um den kleiner werdenden Kuchen immer stärker gerungen. Mit fairen und unfairen Mitteln. Es lauern jede Menge Fallen und Tücken – sei es im Finanzmarkt, der geradezu als gefährlich einzustufen ist. Sei es bei Telekommunikationsdiensten, Versicherungen und beim Hausbau: diese machen mittlerweile einen beträchtlichen Teil unserer Informations- und Beratungsarbeit aus. Auch bei Lebensversicherungen und generell bei den Anlageprodukten ist Vorsicht geboten, denn diese können sehr teuer sein und dabei noch ein hohes Risikopotential enthalten. Und da der Markt unendlich viele Angebote offeriert, wird es nahezu unmöglich, zu vergleichen.
> AKTIV: Gibt es da überhaupt ein Entrinnen?
W. Andreaus: Die Frage ist, wer kann dem Verbraucher auf diesem riesigen Markt helfen? Unterstützung könnte er erhalten durch Vergleiche, Untersuchungen und Tests von Verbraucherorganisationen sowie durch Medien und Preisportale, die genau sagen, was in Ordnung ist und was nicht. Wenn wir uns beispielsweise den Finanzmarkt ansehen, da muss eine Aufsicht und Kontrolle über Mindestregeln eingeführt werden. Vor allem aber benötigt der Konsument alle Informationen. Und da braucht er zunehmend jemanden, der ihm dabei hilft. Sonst bleibt die Transparenz einfach auf der Strecke, denn der Verbraucher muss sich heutzutage umfassend informieren, wie die eben genannten Beispiele zeigen. Ich sehe eine Überforderung des Verbrauchers, der mehr vergleichen muss, dabei aber in bestimmten Gebieten einfach kein Experte sein kann und sich mit einer Entscheidung schwer tut. Andererseits übt der Konsument große Macht aus, indem er positiv mit seinem Kauf über etwas abstimmt. Und darüber nimmt er Einfluss auf Unternehmen, er kann sie zu faireren Arbeitsprozessen oder einem schonenderen Umgang mit der Umwelt zwingen. Vorausgesetzt, Transparenz und Angebotsvielfalt sind gegeben.
> AKTIV: Wie entwickelt sich die Finanz- und Wirtschaftskrise in Südtirol? Was muss getan werden?
W. Andreaus: Das beste Mittel, um ein langes Abgleiten in die Rezession zu verhindern, ist eine Politik, die den privaten Konsum und die betrieblichen Investitionen stärkt. Es ist eine Politik, die der Bevölkerung generell mehr Kaufkraft verschafft. Es braucht – wie alle Experten derzeit unterstreichen – mehr Nachfrage orientierte Wirtschaftspolitik. Es ist die beste Wirtschaftsförderung, wenn die Menschen mehr in der Brieftasche haben, dieses Geld jedoch auch sinnvoll ausgeben. Vor allem zum letzteren Punkt trägt die VZS viel bei.
> AKTIV: In welcher Form?
W. Andreaus: Wir versuchen dort präsent zu sein, wo der Schuh drückt. So haben wir mit unserem Online-Haushaltsbuch für Familien ein wichtiges Instrument für einen Überblick über die finanzielle Situation geschaffen. Fast 5.000 Familien führen damit inzwischen ihre Haushaltsbuchhaltung. Zum Umgang mit dem Geld werden Aktionen und Bildungsveranstaltungen durchgeführt, und dazu haben wir auch den Leitfaden „Verantwortlich anlegen" herausgebracht. Er kann kostenlos bei uns bezogen werden.
Bei einer Erhebung haben wir kürzlich festgestellt, dass in einem Betrieb mit 686 Beschäftigten 136 davon die Entlohnung entweder beliehen oder gepfändet haben. Dies ist natürlich ein Extrembeispiel, zeigt aber auf, wohin die Reise geht. Immer mehr arbeitende Menschen konsumieren auf Kredit. Wenn man dann weiß, dass man bei einer Beleihung der Entlohnung oder der Rente um beispielsweise 6.900 Euro ausbezahlt zu bekommen, insgesamt 17.000 Euro - also ein Effektivzinssatz von über 20% - zurückzahlen muss, dann kann man sich die Belastung der Familienhaushalte gut vorstellen. Wir setzen uns auch, zusammen mit der Gewerkschaft, für viele soziale Anliegen ein. So versuchen wir die Spekulation mit den Parkgebühren am Bozner Krankenhaus zu beenden oder die Einführung von Tickets bei den Familienberatungsstellen zu verhindern. Insgesamt versuchen wir, einen Beitrag zur Aufwertung der wirtschaftlichen Kompetenzen der Familien zu leisten. Dies wird in Südtirol vonseiten bestimmter Lobbys leider nicht gern gesehen.
> AKTIV: Wie meinst Du das?
W. Andreaus: Der Landesbeirat für Verbraucherschutz hat mit den Stimmen des Landeshauptmanns und der Wirtschaftsvertreter vorgeschlagen, die ordentliche Finanzierung der Verbraucherzentrale von 450.000 auf 405.000 Euro, also um zehn Prozent zu kürzen. Trotz vollmundiger Versprechungen, im Sozial- und Gesundheitsbereich den Rotstift nicht anzusetzen. Damit wird für Zehntausende Südtiroler Verbraucherinnen und Verbraucher eine unabhängige Beratungseinrichtung und zuverlässige Informationsquelle zum Thema Verbraucherschutz geschwächt. Während keine Woche vergeht, ohne dass Hilfen für die Wirtschaft angekündigt werden, wird konkrete Hilfe für die Familien zurückgefahren. Ich kann nur alle aufrufen, massiv bei den politisch Verantwortlichen zu intervenieren, wie dies auch der ASGB getan hat, damit die Landesregierung diese wirtschaftliche Strafexpedition korrigiert. Es ist ein völlig falsches Krisenmanagement, wenn nur die Anbieterseite gestützt und die Nachfrageseite der Chancengleichheit beraubt wird.

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Darlehen mit Wucherzinsen: beträchtliche Rückvergütungen möglich

Justiz ermittelt – VZS rät VerbraucherInnen und Betrieben: Zinssätze der Darlehen überprüfen! VZS verlangt dringende Einberufung des Kreditbeobachtungskomitees beim Regierungskommissär
Wer ein variables Hypothekar-Darlehen abbezahlt, tut gut daran, die von der Bank angewandten Zinssätze zu überprüfen – vor allem, wenn es sich dabei um eines jener Darlehen handelt, in welchen die Bank den Zinssatz frei festlegt. Es könnte nämlich sein, dass die Zinssätze jenseits der Wucherschwelle liegen. Um die Ausmaße des Phänomens Wucherdarlehen in Südtirol abzuklären, wurde jüngst auch die Gerichtsbehörde eingeschaltet; deren Ermittlungen laufen derzeit. Inzwischen haben einige Kunden, die Wucherzinssätze feststellten, an die jeweiligen Banken Rückerstattungsforderungen gestellt – und dabei teilweise auch beträchtliche Summen erhalten.
Seit einiger Zeit beschäftigen sich die BeraterInnen der VZS mit Meldungen von VerbraucherInnen, die annehmen, dass sie auf ihre Darlehen Wucherzinsen zahlen oder gezahlt haben. Wir erinnern daran, dass die Wucherschwellen trimestral vom Finanzministerium festgelegt werden.
„Wir hegen den starken Verdacht" erklärt Walther Andreaus, Geschäftsführer der VZS „dass dieses Phänomen zahlreiche Bankkunden betrifft, und es sich nicht nur um Einzelfälle handelt. Denn in den letzten Jahren wurden zahlreiche variable Hypothekar-Darlehen abgeschlossen, sei es nun indexgebundene oder solche mit frei festgelegtem Zinssatz. Nun muss überprüft werden, ob die Banken die vom Finanzministerium festgelegten Wuchergrenzen immer eingehalten haben."
Ein Beispiel für Wucher
Wenn z.B. für ein Darlehen im Oktober 2004 ein effektiver Globalzinssatz (sog. TEG) über 5,760 Prozent angewandt wurde, so handelt es sich um Wucher. Ebenso wenn dieser Zinssatz im April 2006 über 6,240 Prozent lag. Derzeit liegt die Wucherschwelle für variable Hypothekardarlehen bei 4,875 Prozent.
Wie kann man sein Darlehen überprüfen?
1. Verlangen Sie von Ihrer Bank einen zusammenfassenden, historischen Tilgungsplan. Verwenden Sie dazu unser Musterschreiben unter www.verbraucherzentrale.it/download/11v11d53124.rtf. Verlangen Sie gleichfalls eine Kopie des Darlehensvertrags, sofern Sie diese nicht schon besitzen.
2. Nachdem Sie von der Bank die Information über die angewandten Zinssätze erhalten haben (siehe Tilgungsplan unter Punkt 1), vergleichen Sie diese mit den jeweils gültigen Wucherschwellen. Verwenden Sie dazu unsere Tabelle unter www.verbraucherzentrale.it/download/11v11d53125.xls.
3. Wenn aus dem Vergleich der Zinssätze mit den Wuchergrenzen hervorgeht, dass die bezahlten Zinsen über der Wuchergrenze liegen oder knapp darunter (max. 0,30 Prozent), merken Sie sich für ein Beratungsgespräch in der VZS vor.
4. Die obigen Musterschreiben sind in Papierversion kostenlos in allen Büros der VZS erhältlich.
Vorsicht! Fix verzinste Darlehen sind von dieser Problematik ausgenommen. Wenn Sie für ein Darlehen einen Zinssatz bezahlten, der über dem Marktdurchschnitt liegt (sog. „TEG medio"), können Sie sowohl bei fixverzinslichen als auch bei variabel verzinsten Darlehen den Zinssatz mit der Bank neu verhandeln. Falls die Bank kein Entgegenkommen zeigt, bleibt immer noch die Möglichkeit, das Darlehen und die Bank kostenlos zu wechseln (sog. Surrogation).
„Nun sind die KonsumentInnen am Zug, und wir können Ihnen nur raten, sich ranzuhalten. Es geht hier nicht nur um Prozentzahlen, sondern um jenes Geld, das so vielen Familien am Monatsende oft fehlt", meint Walther Andreaus abschließend.