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Die Landtagswahlen kritisch unter der Lupe

Bankrotterklärung der sozialen Gesinnung?

Die Landtagswahlen vom 26. Oktober 2008 haben in einem bis zum äußersten gespannten politischen Klima stattgefunden. Das Ergebnis hat einen Teil des politischen Spektrums befriedigt, einen anderen Teil enttäuscht, und vieles offen gelassen.
Freude bei den Rechten
Erfreut sind ohne Zweifel die Gruppierungen auf der rechten Seite des weltanschaulichen Bogens, darunter in erster Linie die Freiheitlichen. Aber ihre Freude ist nicht ganz getrübt. Sie hatten sich, zusammen mit anderen, in einer über Jahre dauernden Kampagne gegen die Südtiroler Volkspartei darauf eingestellt, dass die SVP die absolute Mehrheit verlieren würde. Endlich, hofften sie. Dazu ist es nicht gekommen, denn die SVP hat zwar die Absolute an Prozenten verloren (48,1) nicht aber die Mandate (18 auf 35) und somit die alleinige Regierungsmehrheit behalten.
Enttäuschung in der Mitte
Enttäuscht ist sicher die Sammelpartei, die sich vielleicht doch erhofft hatte, die 50 Prozent-Hürde zu schaffen, auch nach einem aufwändigen Wahlkampf, in dem von allen Parteien und von einzelnen Kandidatinnen und Kandidaten enorm viel ausgegeben wurde. Es hat gerade noch einmal für die Mandatsmehrheit gereicht, aber gegenüber den letzten Landtagswahlen von 2003 waren die Verluste an Prozenten mit rund 5,5 Prozent schon sehr hoch, und auch erwartet. Denn der Generalangriff auf die SVP, der von Opposition und Medien gemeinsam betrieben und gezielt vorgetragen wurde, konnte nicht ohne Auswirkungen bleiben. Innerhalb der SVP schnitten die Bauern wiederum gut ab, denn sie sind kompakt geblieben; sie halten zusammen, weil sie immer wissen, was auf dem Spiel steht. Gut abgeschnitten hat auch die Wirtschaft. Sie ist im neuen Landtag wiederum gut vertreten, weshalb man sagen kann, dass wirtschaftliche und landwirtschaftliche Interessen in den kommenden fünf Jahren sicher nicht zu kurz kommen werden. Trotzdem ist die Regierungspartei als Ganzes enttäuscht.
Nach rechts abgedriftet ist die Jugend, sie hat massiv Freiheitliche gewählt. Das ist vielleicht von allen das am ehesten verständliche Phänomen. Die Jugend tut sich mit den etablierten Parteien, besonders mit den Regierungsparteien, immer schwer, und sie hat auch immer ein gesundes Potential, das instinktiv jedoch nicht rational ist. Denn, ehrlich gesagt, diese Landesverwaltung hat für die Jugend so viel getan wie keine vor ihr. Doch das reicht eben nicht mehr aus. Wenn alles verfügbar ist, wenn jeder aus dem Vollen schöpfen kann, ganz selbstverständlich, ist das alles nichts oder nur wenig wert.
Niederlage im Sozialen
Schwer enttäuscht ist sicher das soziale Lager in der SVP, das bei den letzten Wahlen noch sieben Abgeordnete erreicht hat, und damit die höchste Anzahl seit ihrem Bestehen, aber diesmal nur mehr drei durch brachte. Richard Theiner, Sabina Kasslatter-Mur und Georg Pardeller. Jene, die bisher Arbeitnehmerkandidaten gewählt hatten, sind zu einem erheblichen Teil nach rechts abgewandert, zu den Freiheitlichen vor allem. Das ist die große Überraschung und zugleich die große Enttäuschung. Das soziale Lager in der Südtiroler Bevölkerung hat bei diesen Wahlen fast den eigenen Bankrott erklärt. Dabei ist in den letzten fünf Jahren so viel für die sozialen Belange getan worden wie noch nie vorher: Für die Familie, für die Kinder, für die Altersvorsorge (Zusatzrentenfonds), für die Pflege (Pflegesicherung durch die öffentliche Hand), für die Gesundheit, für die Schule und Arbeit, für Bildung. Die Arbeitnehmer standen dabei immer an vorderster Front; sie haben der Landesregierung, und mit dem Verständnis und der Unterstützung des Landeshauptmannes Luis Durnwalder, ihren sozialen Stempel aufgedrückt.
Es hat alles nur wenig genutzt. Besonders Arbeiter und Angestellte sind zu den Rechten abgewandert. Das ist ein Widerspruch in sich. Was haben die Rechten je für die sozialen Belange geleistet? Die Liberalisierung und die Globalisierung, diese beiden Lieblingskinder der Rechten, haben dazu geführt, dass die Preise laufend in die Höhe geschossen sind, während Löhne und Gehälter gleich bleiben; die Lebenshaltungskosten steigen, die Teuerung bedrängt vor allem die Kleinverdiener, und es wird immer schlimmer.
Die Arbeitnehmer haben dagegen seit Jahren protestiert und Maßnahmen gefordert. Die Wirtschaft hat, im eigenen Interesse, geblockt. Die Wählerschaft hat zu einem Teil der Landespolitik die Schuld gegeben für Entwicklungen, die dem Einfluss des Landes entzogen sind.
Aber es ist auch paradox, dass die Freiheitlichen, die auch in den Wirtschaftskreisen Stimmen gewonnen haben, ständig gegen die Einwanderung gezogen sind und ein Klima der Intoleranz geschaffen haben, während die Wirtschaft sich diese Einwanderer her holt und nicht die damit verbundenen Probleme gemeinsam mit den Sozialpartnern lösen will. Mit der Intoleranz haben diese Teile der Südtiroler Gesellschaft gepunktet. Und das ist schlimm.
Der ASGB
Der ASGB als über den Parteien stehende Organisation hat vier Kandidaten ins Rennen geschickt: zwei auf der SVP-Liste, Georg Pardeller und Helmuth Renzler, zwei auf der Liste der Freiheitlichen, Oswald Angerer und Adalbert Tschenett. Georg Pardeller hat gegenüber 2003 viele Vorzugsstimmen verloren, jedoch sein Landtagsmandat gehalten. Wenn man aber die gesamten Stimmen der vier Kandidaten zusammen zählt, es sind deren 14.365, dann ergibt sich, dass die Gewerkschaftskandidaten insgesamt so schlecht gar nicht abgeschnitten haben.
Verloren hat die Bevölkerung die Arbeiter, Angestellten und Rentner insgesamt, und zwar sehr stark. Die Fachleute suchen nach Ursachen. Sicher ist, dass viele Wahlbeeinflussungen und Entscheidungen bereits im vorpolitischen Raum fallen, nicht nur innerhalb der Parteien. Im vorpolitischen Raum aber, das muss man schon feststellen, haben die sozial und christlich-sozial orientieren Gemeinschaftseinrichtungen (Gewerkschaften, der Kirche nahe stehende Verbände und Interessengemeinschaften) sich weitgehend oder total aus der Politik heraus gehalten und das Feld den anderen überlassen. Diese Interesselosigkeit hat letztlich zum Bankrott geführt.
Wenn die werktätige Bevölkerung, gemeint sind Arbeiter, Angestellte, Rentner, die rund 70 Prozent der Gesamtbevölkerung ausmacht, sich politisch abseits stellt und das Feld den anderen überlässt, dann darf man sich nicht wundern, dass ihre Vertretung in der Politik schrumpft. Das aber ist ein schwerer Schlag für all jene, die sich aus der Politik auch Hilfe und Verständnis für ihre kleinen und großen Anliegen erwarten. Es bewahrheitet sich auch bei diesen Wahlen: Wo der Zusammenhalt Gleichgesinnter fehlt, geht die politische Kraft in Brüche. Dieses Bild Südtirols gibt allen sozial aufgeschlossenen Kräften Anlass zu größter Sorge. In den kommenden Jahren heißt es, die Solidarität in der Arbeiterschaft neu aufbauen, die Zusammenarbeit stärken, das Interesse an aktiver Teilnahme an der Politik neu wecken, kurzum aus dieser harten Wahlniederlage die notwendigen Lehren zu ziehen und nicht das Feld den anderen zu überlassen.

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ÖGB-Landeskonferenz in Tirol

Am Samstag, den 8. November, hat der ÖGB-Tirol seine 24. Landeskonferenz abgehalten. Es bot sich auch die Gelegenheit, die guten Beziehungen zwischen ASGB und ÖGB zu vertiefen und Erfahrungen auszutauschen. Der ASGB war mit dem Vorsitzenden Georg Pardeller und Kollegen Arthur Stoffella vertreten.
Derzeit hat der ÖGB über 60.000 Mitglieder im Bundesland Tirol. Bei der Landeskonferenz wurde über die Arbeitsschwerpunkte der letzten vier Jahren berichtet und ein Ausblick in die Zukunft gewagt. Der ÖGB-Tirol verlangt eine bessere Ausbildung und mehr Chancen für die Jugend, gerechte und gleiche Löhne für Frauen und Männer, eine bessere Kinderbetreuung für berufstätige Eltern, mehr Unterstützung zur Abdeckung der enormen Kosten für das Wohnen und das Pendeln, sowie höhere Löhne durch Lohnerhöhung und Steuerentlastung.