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Der erste Mai 2008

Bange Frage der Arbeiterschaft – Mit Vollbeschäftigung in die Armut?

Die Frage musste gestellt werden, und der ASGB hat sie auf seiner Feier zum ersten Mai 2008 auf der Festwiese in Völs am Schlern gestellt: „Mit Vollbeschäftigung in die Armut?" Unser Vorsitzender Georg Pardeller setzte sich in seiner Festansprache mit diesem Problem auseinander und drückte die Hoffnung aus, dass alle, die es angeht, die Wirtschaft gleich wie die Politik, seine warnenden Worte aufnehmen würden. Denn es sei höchste Zeit, konkrete Schritte gegen die drohenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten breiter Schichten der Bevölkerung zu unternehmen.
Meist ist der erste Mai ein schöner Frühlingstag. Diesmal war es zu Beginn etwas anders. Am Morgen war es regnerisch, die Wolken verhießen nicht allzu Gutes. Aber dann, gegen Mittag, war doch die Sonne stärker, und es wurde ein warmer, angenehmer Frühlingstag. Die ASGB-Mitglieder, ihrer Angehörigen und ihre Freunde, trafen noch recht zahlreich ein. Und auch die Kinder, die auf diesem ASGB-Fest immer einen schönen Mittelpunkt bilden, kamen in großer Anzahl und sie unterhielten sich prächtig. Dafür hatte der ASGB mit seiner wie immer fleißigen und präzisen Organisation gesorgt.
Auch die Politprominenz fand sich ein, wenn auch gegenüber vergangenen Jahren etwas weniger zahlreich. Es kam der Landeshauptmann Luis Durnwalder, der sich, wie immer, unter der arbeitenden Bevölkerung sichtlich wohl fühlte und in einer kurzen, aber herzlichen Rede, auf die aktuellen Probleme der Arbeiterschaft einging und dem ASGB für seinen Einsatz dankte. Es kamen auch die Landesrätin für Kultur, Sabina Kaslatter Mur, und der Abgeordnete Hans Widmann.
Auch Vertreter der politischen Opposition, darunter der Unions-Vorsitzende Andreas Pöder kam, der bedauerlicherweise diese Veranstaltung dazu missbrauchte, gegen den ASGB und dessen Vorsitzenden eine recht einfältige, aber im Grund gegen die Arbeiterschaft gerichtete Spruchband-Polemik zu betreiben, auf die unser Vorsitzender Georg Pardeller klar antwortete.
Abgesehen von diesem Zwischenfall verlief der Tag sehr harmonisch bei guter Verpflegung, angeregter Diskussion, freundschaftlicher Begegnung zwischen ASGB-Mitgliedern und ihren Angehörigen aus dem ganzen Land, bei Spiel, Musik und Unterhaltung. Es fand eine Verlosung zahlreicher schöner Preise statt, auch durfte das obligatorische Preiswatten nicht fehlen (auch der Landeshauptmann hatte Zeit für ein „Watterle"). Kurzum, es wurde ein schöner 1. Mai mit viel Harmonie und Zusammengehörigkeitsgefühl.
Arbeiterschaft ist Mittelpunkt
Hier die Kernpunkte der Rede unseres Vorsitzenden Georg Pardeller: „Die Arbeiterschaft ist der Mittelpunkt der Bevölkerung. Sie ist die Mehrheit. Sie bestimmt das Schicksal eines Volkes. Von ihr hängt es ab, wie eine Gesellschaft sich entwickelt. Wenn die politisch und wirtschaftlich Verantwortlichen die Rolle der Arbeiterschaft missachten oder beiseite schieben, ist das ein Anzeichen dafür, dass sie das wahre Gewicht der Werktätigen nicht begriffen haben. Ich sage dies, weil die Verantwortlichen in den letzten Jahren ihr Augenmerk zu sehr auf andere Dinge gelegt haben und zu wenig auf die Anliegen der Arbeiterschaft: auf Löhne, Gehälter, sichere Arbeitsplätze, soziale Vorsorge. Das ist ein Grund, warum die allgemeine Lage derzeit zu großen Sorgen Anlass gibt.
Ich habe in letzter Zeit immer wieder darauf aufmerksam gemacht, und ich wiederhole es hier: Die Kaufkraft schwindet immer weiter. Löhne und Gehälter geraten immer mehr ins Hintertreffen. Die Miet- und Wohnungspreise entwickeln sich weiter auf der Straße der Spekulation und Rücksichtslosigkeit. Tausende von Familien tun sich immer schwerer. 70.000 Rentnerinnen und Rentner in unserem Land haben weniger als 550 Euro Rente im Monat. Wie sollen sie damit leben? Für immer mehr Menschen in unserem Land wird die Armut zu einer konkreten Bedrohung. Die Wirtschaft hat es, in ihrem Egoismus, versäumt, rechtzeitig damit zu beginnen, Löhne und Gehälter an die steigenden Lebenshaltungskosten- wenigstens ein bisschen – anzupassen."
Wirtschaft soll nicht jammern
„Jetzt, wo viele nicht mehr das Geld haben, einzukaufen wie zu guten Zeiten, beginnt die Wirtschaft zu jammern und sagt, wir müssen die Kaufkraft stärken. Das klingt wirklich wie Hohn. Denn wir sagen seit Jahren der Wirtschaft genau das: Reden wir miteinander und passen wir Löhne und Gehälter an, sonst muss es zu einer wirtschaftlichen und sozialen Katastrophe kommen.
Abwendung von der Politik
Pardeller befasste sich auch mit der politischen Lage. Er sagte dabei: „Wir erleben die Abwendung der Bevölkerung von politischen Stilarten, die dem einfachen Menschen nichts mehr sagen, sondern ihn nur mehr erzürnen. Es ist Zeit zum Umdenken. Denn so kann es nicht weitergehen. Die Arbeiterinnen und Arbeiter verspüren dies am meisten. Was wir ganz besonders bedauern, ist der Umstand, dass sich die anderen Teile der Gesellschaft recht wenig um unsere Sorgen kümmern. Sie haben ja auch ganz andere Sorgen: Maximalen Gewinn bei minimaler sozialer Bereitschaft, maximaler Egoismus, minimale Rücksicht auf die Gesamtentwicklung der Gesellschaft.
Rufer in der Wüste
Unsere Stimme ist wie die Stimme des Rufenden in der Wüste. Man will sie nicht hören. Wenn aber das, was wir gemeinsam aufgebaut haben, nämlich ein System des gesicherten Lebens für alle, zusammenbricht, dann ist der Katzenjammer perfekt. Einen Katzenjammer haben wir jetzt: Die Politik hat ihn, die Wirtschaft hat ihn, die Arbeiterschaft verspürt ihn auch. Nur einige jubilieren, aber es ist ein inhaltsleerer Jubel, weil keine gültigen Alternativen aufgezeigt werden.
Mander, es isch Zeit
Deshalb sagen wir mit Andreas Hofer: Mander, es isch Zeit. So kann es nicht mehr weitergehen. Die Wirtschaft muss umdenken. Die Politik muss umdenken, mehr sparen, alle Menschen müssen teilhaben an den Früchten der Arbeit. Auch wir müssen umdenken, wir müssen zur Kenntnis nehmen müssen, dass die sanfte Methode zu nichts führt, wenn eine taube Gesellschaft nicht hören will.
Die Vorschläge des ASGB
Deshalb schlagen wir der Wirtschaft und der öffentlichen Hand vor: Löhne und Gehälter sind anzupassen. Das dient den Arbeitern und ihren Familien, aber es dient auch der Wirtschaft, weil damit der Binnenmarkt gestärkt wird. Land und Gemeinden müssen mit dem Geld der Bevölkerung sparsamer umgehen bei ihren Investitionen. Es ist viel gebaut worden in den Jahren herauf. Aber wo ist der Mensch geblieben?
Auf den Menschen bauen
Jetzt müssen wir verstärkt am Menschen bauen und für die Menschen bauen. Damit die jungen Leute, die eine Familie gründen wollen, sich auch eine Wohnung leisten können. Denn die Wohnungspreise – Kauf wie Miete – sind übertrieben hoch und damit familienfeindlich, jugendfeindlich, kinderfeindlich.
Die Arbeitsplätze müssen wieder sicherer gemacht werden, damit sie den Werktätigen die Chance bieten, konkret für die Sicherung des Alters zu arbeiten.
Die Gesellschaft muss mehr an die älteren Menschen denken. Personen über 65 Jahren sollten alle öffentlichen Verkehrsmittel kostenlos erhalten, damit sie auf das Auto verzichten können. Ich sage aber auch: Die Menschen – auch die Arbeiter – dürfen nicht nur fordern, sie müssen auch zu ihrer Verantwortung stehen. Verantwortung für die gesamte Gemeinschaft muss gemeinsam getragen werden.
Was wir brauchen
Wir brauchen Solidarität, Leistung, Innovation, Umweltbewusstsein, Familiensinn, eine gute Energiepolitik, eine gute Medizin für alle, mehr Dialog, weniger politische Gehässigkeit, mehr Zurückhaltung im öffentlichen Leben, mehr überlegte Sparsamkeit, mehr Bescheidenheit, mehr Menschlichkeit.
Der ASGB war immer bereit, seinen Beitrag zu leisten. Er wird es auch weiterhin tun. Gemeinsam müssen wir erreichen, dass unser Weg in die Zukunft nicht ein Weg in die Armut ist, sondern ein Weitergehen auf dem Weg in eine gute Entwicklung für alle."

aktuell
Volksabstimmung 2009

Über das bessere Gesetz zur Direkten Demokratie

Interview mit Stephan Lausch von der „Initiative für mehr Demokratie"
Aktiv: Herr Lausch, 26.000 Unterschriften sind im Frühjahr 2007 für die Volksabstimmung zur Direkten Demokratie gesammelt worden: zufrieden?
Stephan Lausch: Ja, wir sind mehr als zufrieden. Diese Zahl ist das Doppelte der vom Gesetz vorgeschriebenen 13.000 Unterschriften! Dieses Ergebnis wäre ohne die Mithilfe von rund 500 freiwilligen Helfern und Beglaubigern nicht möglich gewesen.
Aktiv: Wie geht es jetzt weiter?
S.L.: Mit diesen Unterschriften wurde die Volksabstimmung über ein besseres Gesetz zu Direkten Demokratie für zulässig befunden, die im Jahre 2009 stattfinden wird und den BürgerInnen erstmals das Recht gibt ein eigenes Landesgesetz verbindlich zu beschließen.
Aktiv: Soll das heißen, dass dieses Gesetz nicht mehr vom Landtag genehmigt werden muss?
S.L.: Genau, gemäß dem geltenden Gesetz kann das Volk auf diese Weise selbst ein Gesetz beschließen.
Aktiv: Könnte man sagen, dass dies einer Revolution gleich kommt?
S.L.: Ja, man kann mit Fug und Recht behaupten, dass es sich um einen Quantensprung in der Demokratie Südtirols handelt.
Aktiv: Wenn solche Volksabstimmungen auf Landesebene schon konkret möglich sind, warum will Ihre Organisation das geltende Landesgesetz schon wieder ändern?
S.L.: Obwohl es gelungen ist, die nötigen Unterschriften zu sammeln, ist das geltende Gesetz doch sehr restriktiv und lückenhaft. Negativ ist vor allem die Bestimmung, wonach die Abstimmung nur gültig ist, wenn sich mindestens 40 Prozent der Wählerinnen und Wähler daran beteiligen. Dieser Prozentsatz soll gemäß unserem Entwurf auf 15 Prozent herabgesetzt werden. Er gibt den BürgerInnen außerdem mehr Kontrollmöglichkeit, z.B. bei Beschlüssen der Landesregierung über Großprojekte und garantiert mehr Gleichberechtigung mit den politischen Vertretern, sowie Transparenz und Fairness und fördert generell die Beteiligung.
Aktiv: Wann wird über die Flughafeninitiative und über die drei Anträge der Union abgestimmt?
S.L.: Der Landeshauptmann hat verfügt, dass alle fünf zugelassenen Anträge, also diese vier und unser eigener am gleichen Termin zur Abstimmung kommen.
Aktiv: Herr Lausch, wie beurteilen Sie die Aussichten für einen positiven Ausgang der Volksabstimmung 2009?
S.L.: Das Beteiligungsquorum von 40 Prozent ist ein sehr hohes Hindernis, weil die Gefahr von Boykottmaßnahmen besteht. Außerdem müssen wir noch allen Südtiroler/innen vermitteln, um was es eigentlich geht und wie viel auf dem Spiel steht. Es muss ihnen klar werden, dass sie nur mit dem besseren Gesetz zur Direkten Demokratie in die Lage versetzt werden, in allen wichtigen Fragen der Politik wirklich mit zuentscheiden. Nur auf diese Weise ist eine Politik im Interesse des Gemeinwohls und einer umwelt- und sozial verträglichen Entwicklung möglich.
Aktiv: Heißt dies, dass die Bevölkerung erst noch aufgeklärt werden muss?
S.L.: Ja, das ist richtig. Eine solche Kampagne verursacht erhebliche Kosten, sodass wir schon jetzt alle Bürgerinnen und Bürger bitten uns mit einer Spende zu unterstützen und zwar auf das unten angegebene Konto.
Initiative für mehr Demokratie
Tel. 0471/324987
(www.dirdemdi.org)
Kontoverbindung:
Raiffeisenkasse Bozen IBAN Nr. IT 53 V 08081 11600 000300010332