kommentar
Georg Pardeller

Kommt nach Völs!

Die Welt der Arbeit, wo wir täglich unsere Frau, unseren Mann stellen, bereitet uns viele Mühen. Mit den Freuden ist sie sparsam. Doch einmal im Jahr haben wir einen Tag, der uns gehört und über den wir uns freuen sollen. Es ist der Tag der Arbeit am ersten Mai. Dieser Tag erinnert uns daran, dass wir Arbeiterinnen und Arbeiter eine große Kraft in der Gesellschaft sind. Er erinnert uns auch daran, dass Generationen vor uns hart gerungen haben, um den Wert der Arbeit, das Recht auf Arbeit, die Würde der Arbeit zu Eckpfeilern des Lebens aller Menschen zu machen. Darüber freuen wir uns und darauf sind wir stolz. Das ist ein Erbe, das wir hochhalten und verteidigen müssen.
Unser erster Mai steht heuer unter dem Motto „Mit Vollbeschäftigung in die Armut?". Wir stellen diese Frage bewusst. Es ist leider eine Tatsache, dass es auch bei uns in Südtirol nicht mehr ausreicht, eine Beschäftigung zu haben. Für immer mehr Menschen und ihre Familien reicht das Einkommen nicht mehr aus, um ein Leben in Sicherheit und Würde zu führen. Darauf aber haben wir alle ein Recht.
Vor einem Jahr lautete unser Motto zum ersten Mai „Teilen verbindet – Egoismus trennt". Es war eine Warnung, die wir der Südtiroler Gesellschaft geben wollten. Eine Warnung an jene, die nicht bereit sind, ihren Wohlstand, den wir mit unserer Arbeit mit schaffen, mit uns zu teilen. Der Egoismus ist einfach stärker. Was ist daraus geworden? Unsere Löhne und Gehälter verlieren weiter an Kaufkraft, die Preise steigen, es wird für Tausende von Familien immer knapper. Das ist nicht gerecht.
Am 1. Mai wollen wir wieder ein ganz besonders kräftiges Lebenszeichen geben. Wir, die Südtiroler Arbeiterinnen und Arbeiter, sind da. Wir sind dankbar, dass wir fast alle einen Arbeitsplatz haben. Aber wir sorgen uns, weil wir heute in einer wirklich paradoxen Situation leben, wo Vollbeschäftigung nicht mehr die Garantie für ausreichendes Einkommen ist. Deswegen stellen wir uns und der gesamten Südtiroler Bevölkerung, der Politik, den Arbeitgebern, den Sozialpartnern, auch den Religionen und Sozialverbänden die Frage: „Mit Vollbeschäftigung in die Armut?"
Das darf nicht sein und muss nicht sein, wenn wir zusammen stehen und die Solidarität, die Bereitschaft zum Teilen, die wir als Grundlagen unserer Gesellschaft betrachten, verteidigen.
Kommt alle auf den Völser Festplatz. Dort wollen wir uns gegenseitig Kraft und Mut geben, weiter einzustehen für die Rechte der Arbeiterschaft. Wir wollen unserem Land erneut beweisen, dass wir eine Kraft sind, ohne die Südtirol nicht auskommen kann. Wir wollen warnend den Finger heben, wir müssen das öffentliche Gewissen aufrütteln. Wenn wir es nicht tun, wer tut es dann? Auf Wiedersehen in Völs.
Georg Pardeller
Vorsitzender des ASGB

aktuell
Amtliches Südtirol steht abseits

Armut wächst weiter

„Die italienische Volkswirtschaft marschiert mit offenen Augen in den Abgrund. Die statistischen Zahlen über die Entwicklung der Wirtschaft sind katastrophal.
Nur mehr rund 40 Prozent der Familien kommen mit ihrem Einkommen ans Monatsende, alle übrigen müssen entweder schwarz dazuverdienen, soweit dies überhaupt möglich ist, oder aber sie sind gezwungen, sich zu verschulden, um sich mit den lebensnotwendigen Gütern und Diensten einzudecken. Seit Jahren steigen Löhne und Gehälter nicht mehr, die Lebenshaltungskosten hingegen nehmen zu, die Kaufkraft sinkt. Dies hat dazu geführt, dass laut letzten Schätzungen in Italien an die zwanzig Millionen Arbeitnehmer im Vergleich zu ihren europäischen Kollegen unterbezahlt sind. Die Jugendarbeitslosigkeit steigt, prekäre Arbeitsverhältnisse machen es vielen Jugendlichen unmöglich, eine geregelte Familienplanung vorzunehmen und sich für das Alter abzusichern.
Was besonders betrüglich ist, ist der Umstand, dass das amtliche Südtirol gegenüber dieser Entwicklung „weitgehend abseits steht. Anstatt „mit allen Möglichkeiten dieser Notstandssituation entgegen zu wirken, tut die Politik so, als wäre alles in bester Ordnung. Riesige Investitionen in öffentliche Arbeiten werden großspurig angekündigt, Sportanlagen und zum Teil unnötige Infrastrukturen um Millionen geplant, aber kaum jemand macht sich Gedanken, wohin die Entwicklung führen wird, wenn immer mehr Familien an den Rand der Armut gedrängt werden.
Der ASGB hat den Sozialpartnern dieses dramatische Situation erst vor kurzem vor Augen geführt, und alle haben anerkannt, dass die Lage sehr ernst ist. Stattdessen monopolisiert die Politik die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit, aber von den wachsenden Nöten der Arbeiterschaft geht kaum einmal die Rede, und die Versprechungen in den politischen Programm sind vage und wenig glaubwürdig. Südtirol ist in diesen nationalen Sog mit hineingezogen worden, viele Familien sind der Entwicklung fast hilflos ausgeliefert. Die dramatische Lage wird verschwiegen, aber das kann keine Lösung sein. Wenn sich Politik und Sozialpartner nicht bald auf eine gemeinsame Strategie einigen, mit der die Kaufkraft gestärkt, die Preistreiberei gebremst und die Solidarität gefestigt wird, werden die Zukunftsperspektiven auch in Südtirol immer düsterer. Und das geht in erster Linie auf Kosten der Arbeiter, der Rentner, der jungen Familien. Das Jahr 2008 wird immer mehr zum Jahr der Armut. Diejenigen, die eine solche Entwicklung zulassen, laden eine schwere Verantwortung auf sich. Wenn es so weitergeht, wird eine wirtschaftlich-soziale Implosion und gleichfalls eine soziale Explosion unvermeidlich. Der ASGB fordert alle verantwortlichen Kräfte der Gesellschaft auf, gemeinsam zu handeln und neue Schwerpunkte zu setzen: Löhne und Gehälter müssen angehoben werden, die Preistreiberei muss blockiert werden, die öffentliche Hand muss vorrangig in die Menschen und nicht nur in die Sachwerte investieren; sie muss mehr sparen und mehr Rücksicht auf die schwächeren Schichten der Gesellschaft nehmen. Die Wirtschaft muss handeln, ehe es endgültig zu spät ist. Alle gemeinsam müssen der Bevölkerung neue und solide Hoffnung geben.