Gesundheitsdienst
Gewerkschaftstag des ASGB-Gesundheitsdienstes

Kostenfaktor Mensch – spart sich das Gesundheitssystem krank?

Am 16. November fand auf Schloss Maretsch der Gewerkschaftstag der Fachgewerkschaft Gesundheitsdienst statt.
Die Reform des Südtiroler Gesundheitssystems wurde im vorigen Jahr trotz vieler Proteste und Bedenken seitens des Sanitätspersonals vom Landtag beschlossen. Die Sanitätsreform steht erst am Anfang und der ASGB hofft, dass sich das Verhältnis zwischen der Zentrale des Südtiroler Sanitätsbetriebes und den peripheren Strukturen positiv entwickelt. Unabhängig von der Sanitätsreform sorgt auch die noch zu klärende freiberufliche Tätigkeit der Ärzte in Südtirol mit der Gefahr einer Zweiklassenmedizin für Diskussionsstoff. Grund genug für die Fachgewerkschaft ASGB-Gesundheitsdienst, die gegenwärtige Südtiroler Gesundheitspolitik zum Thema ihres diesjährigen Gewerkschaftstages zu machen und sie mit anderen europäischen Ländern zu vergleichen.
Der ASGB und insbesondere die Fachgewerkschaft ASGB-Gesundheitsdienst haben bereits im Vorfeld der Sanitätsreform vor den möglichen negativen Auswirkungen gewarnt. Und dies aus gutem Grund: zahlreiche Beispiele in Europa belegen, dass die unter der Vorgabe der Kostenreduzierung durchgeführten Sanitätsreformen direkt oder indirekt in die Zweiklassenmedizin führen. Die Bundesvorsitzende der Fachgruppenvereinigung für Gesundheitsberufe im ÖGB, Gerda Mostbauer, die das Referat zum Tagungsmotto hielt, zeigte in ihrem Beitrag auf, dass die Gesundheitsreformen in zahlreichen europäischen Ländern nach demselben Muster ablaufen: im Vordergrund stehen die leistungsorientierte Finanzierung und Managementstrukturen nach privatwirtschaftlichem Vorbild.
„Als Ergebnis dieser Entwicklung steigen die Gesundheitskosten der privaten Haushalte in vielen Ländern stark an. Einen Beitrag dazu leisten auch die ständig steigenden privaten Zuzahlungen für Medikamente, stationäre Behandlungen und für zahnärztliche Versorgung. Die oftmals drohende Gefahr der Zweiklassenmedizin ist eigentlich keine Gefahr, sondern Realität, sie wird nur totgeschwiegen", so Mostbauer. Als abschreckendes Beispiel nannte die Referentin Großbritannien: „wo das öffentliche Spitalswesen ausgehungert wurde. Lange Wartezeiten auf dringende Operationen, Transporte von Patienten in Spitäler anderer europäischer Staaten, gemischte Säle für Männer und Frauen und Anmietung von Betten in privaten Krankenhäusern zu hohen Preisen. Anstellung von Sicherheitspersonal um das Spitalspersonal vor Übergriffen von Angehörigen verzweifelter Patienten zu schützen. Ansteigen von Infektionen in privaten Krankenhäusern, weil diese primär auf Gewinn ausgerichtet sind und die Sicherheitsmaßnahmen vernachlässigen."
Der ASGB-Gesundheitsdienst sieht das Referat von Gerda Mostbauer gleichzeitig als Appell an die Südtiroler Landespolitik, nicht dieselben Fehler wie andere europäische Länder zu machen. Der Mensch muss im Vordergrund stehen, sowohl als Bürger und Patient als auch als Sanitätsbediensteter. Der ASGB-Gesundheitsdienst begrüßt in diesem Zusammenhang die Absicht der Landesregierung, die freiberufliche Tätigkeit der Ärzte mit einer klaren Regelung in Grenzen zu halten und so einer Zweiklassenmedizin in unserem Land l vorzubeugen. Gerade in der gegenwärtig angespannten wirtschaftlichen Situation überall in Europa, muss es ein Anliegen der Politik sein, dass das öffentliche Gesundheitssystem für alle Bürger/innen erschwinglich bleibt.
Das Südtiroler Gesundheitswesen beansprucht einen großen Teil des Landeshaushaltes. Doch die Referentin Mostbauer verweist hierzu auf das Weissbuch „Gemeinsam für die Gesundheit – ein strategischer Ansatz der EU für 2008 – 2013": „Die Ausgaben im Gesundheitsbereich sind nicht nur als Kostenfaktor, sondern auch als Investition zu sehen. Gesundheitsausgaben können zwar als wirtschaftliche Belastung betrachtet werden, doch die wahren Kosten entstehen der Gesellschaft durch die direkten und indirekten Ausgaben für Erkrankungen sowie durch den Mangel an Investitionen in die einschlägigen Bereiche des Gesundheitswesen.
Kostenorientierte Sanitätsreformen beinhalten gleichzeitig Sparmaßnahmen beim Gesundheitspersonal. Dies bewirkt eine Kette negativer Folgen, die schließlich in einer Verschlechterung der Qualität der Gesundheitsleistungen und der Patientenbetreuung endet. Europaweit, aber auch in Südtirol, ist ein großer Mangel an Pflegekräften feststellbar. Abgesehen von den Belastungen und Folgen verschiedener Art für die Bediensteten selbst (Burn-out, Arbeitsunfälle, Mobbing, psychische Probleme, ...) aufgrund des Personalmangels ist auch ein direkter Bezug zwischen angespannter Personalsituation und Qualität der Patientenversorgung feststellbar. Mostbauer dazu: „International wird die Frage des Zusammenhangs von Pflegekapazität und Patientensicherheit in den Krankenhäusern bereits seit Jahren durch Studien erforscht. Hier mehren sich Anzeichen eines Zusammenhangs von mangelnder Pflegeversorgung und unerwünschten Auswirkungen für die Patient/innen. So wird häufiger auf eine erhöhte Mortalität, verspätete Hilfe im Notfall und weitere Komplikationen wie Stürze, Medikamentenfehler, Dekubitalgeschwüre als Folge von mangelnder pflegerischer Versorgung aufgrund von knappen Personalressourcen hingewiesen". Der Gewerkschaftstag hat auch acht Resolutionen zu nachstehenden Themen verabschiedet:
1. Resolution zu den Vertragsverhandlungen (eingebracht ASGB Betriebsvorstand Bozen)
2. Resolution: Aufwertung des Krankenpflegeberufs (eingebracht ASGB Betriebsvorstand Bozen)
3. Resolution: Krankenhaus Schlanders (eingebracht ASGB Betriebsvorstand Meran)
4. Resolution Vereinbarkeit von Familie und Beruf (eingebracht ASGB Betriebsvorstand Meran)
5. Resolution die Zukunft gestalten (eingebracht ASGB Betriebsvorstand Brixen)
6. Resolution zur Pflegesicherung (eingebracht ASGB Betriebsvorstand Brixen)
7. Resolution gegen die Demontage des öffentlichen Gesundheitsdienstes (eingebracht ASGB Betriebsvorstand Bruneck)
8. Resolution: Gesundheit als Wirtschaftsmotor – der Mensch im Mittelpunkt (eingebracht ASGB Betriebsvorstand Bruneck).
Der ASGB Gesundheitsdienst bedankt sich bei allen Teilnehmern für das rege Interesse.

SSG
Die Ereignisse des Jahres 2007 im Bereich Schule

Interview mit der Vorsitzenden der SSG, Heidi Frötscher

Aktiv: Kollegin Heidi Frötscher, das vergangene Schuljahr scheint ja ein recht turbulentes gewesen zu sein?
Heidi Frötscher: In der Tat war es sehr dicht an Ereignissen, für die LehrerInnen und die Schule belastend, für die Schulgewerkschaften eine enorme Herausforderung und ein Arbeitsaufwand bzw. Kräfteverschleiß der mit etwas mehr Dialogbereitschaft von Seiten der Landespolitik hätte vermieden werden können.
Aktiv: Am 17.04. streikten in der deutschen Schule ca. 90 Prozent der LehrerInnen. Worum ging es dabei?
Heidi Frötscher: Wir haben in der Zeit davor im ganzen Land Versammlungen abgehalten. Die Stimmung war sehr aufgeheizt, also kam der Streikdruck von der Basis, das beweist auch die nie da gewesene Beteiligung. Die wahren Streikgründe lagen vor Allem in der drohenden Gefahr einer Reglementierung der Schule von oben. Die geplanten Maßnahmen wären, hätte man sie so umgesetzt, einer Abschaffung der Schulautonomie und der Lehrfreiheit gleichgekommen. Es ging nicht, wie es die Presse dargestellt hat, um den „Kopf" des Schulamtsleiters bzw. des Landesrates, sondern um die Rechte der Schulgemeinschaft.
Aktiv: Der Streik war also erfolgreich?
Heidi Frötscher: Auf jeden Fall. Das Land beschränkt sich nun auf die Festlegung von Rahmenbedigungen für die Schulen der drei Sprachgruppen, das Prinzip der Personalisierung und die Dokumentation des Lernprozesses wurden von uns grundsätzlich ja nie kritisiert. Die Schulen, die Lehrerkollegien und die einzelnen Lehrpersonen haben jetzt wieder die Autonomie der Umsetzung.
Aktiv: Die SSG hat sich für die Schulautonomie des Landes Südtirol immer eingesetzt. Ist diese Politik zum Boomerang geworden?
Heidi Frötscher: Wir haben in den 90er Jahren wichtige Meilensteine für eine Südtiroler Schulpolitik gesetzt - ich darf den Landesräten Hosp und Viola sowie dem Schulamt und den Landesjuristen nochmals danken – und wir stehen nach wie vor dazu. Wir fordern aber eine ständige sozialpartnerschaftliche Bildungskonferenz, wo die vielfältigen Komponenten und Herausforderungen konzertiert werden. Es geht nicht an, gegen den Zentralismus von Rom zu wettern, um ihn dann von Bozen aus zu praktizieren. Nur im Dialog kann Bildungspolitik optimiert und können gewerkschaftliche Positionen schon frühzeitig angemeldet werden.
Am „Bildungshaus" Südtirol sollen alle mitbauen, aber auch schon auf die Pläne einwirken können.
Aktiv: Landesrätin Gnecchi und einige Grüne Politiker fordern für Südtirol die zweisprachige Schule. Ist das ein zwingendes Qualitätskriterium?
Heidi Frötscher: Wir sind grundsätzlich für eine Erweiterung der Sprachkompetenzen, nicht aber für eine Aushöhlung des Autonomiestatutes (Art. 19), der den muttersprachlichen Unterricht sichert. Völlig absurd finde ich den Vorschlag, einige Fächer in Italienisch oder Englisch zu lehren. Damit würde die deutsche Fachsprache ausgeblendet. Mehrsprachigkeit erreichen wir nicht durch Aufteilung der Sprachen sondern durch zusätzliche Anstrengungen.