Gesundheitsdienst

Urteil schafft zwei Klassen von Sanitätspersonal

Die Fachgewerkschaft ASGB-Gesundheitsdienst steht dem Urteil des Verfassungsgerichtes, wonach den Ärzten das Recht auf freiberufliche Tätigkeit innerhalb der öffentlichen Krankenhäuser zugesprochen wurde, ablehnend gegenüber. Zudem steht den Ärzten im Falle des Verzichtes auf die freiberufliche Tätigkeit eine Exklusivitätszulage zu. Mit diesem Urteil werde nach Ansicht des ASGB-Gesundheitsdienstes nicht nur die Zweiklassen-Medizin zum Nachteil vieler Patienten gefördert, sondern auch zwei Klassen von Bediensteten geschaffen.
„Das nichtärztliche Personal wird durch dieses Urteil diskriminiert, weil es nämlich keine Zulage dafür erhält, dass es exklusiv für den öffentlichen Sanitätsbetrieb tätig ist", stellt Andreas Dorigoni, Bezirkssekretär des ASGB im Gesundheitsbezirk Bozen, fest. Der von der Ärztevereinigung ANAAO als Exklusivitätszulage geforderte monatliche Betrag von bis zu 1.300,- Euro mache mehr aus als das Monatsgehalt eines Arbeiters und sei nicht nur deshalb eine Provokation gegenüber der Arbeitnehmerschaft.
Nachdem die Ärzte in Südtirol bereits bisher - auch wegen ihrer exklusiven Tätigkeit für den Südtiroler Sanitätsbetrieb - wesentlich mehr verdient haben als ihre Kollegen im restlichen Staatsgebiet, sei laut ASGB-Gesundheitsdienst keine weitere Zulage gerechtfertigt. Deshalb fordert der ASGB-Gesundheitsdienst die Landesregierung auf, nicht auf die wirtschaftlichen Forderungen der ANAAO im Zusammenhang mit der freiberuflichen Tätigkeit einzugehen und diese mit den gegenwärtigen Ärztegehältern als erfüllt zu betrachten. Andernfalls könnten die Bediensteten nicht nachvollziehen, warum sich das Land bei der vergleichsweise geringen Forderung von 100,- Euro als Lohnerhöhung für die Krankenpfleger/innen sowie für das REHA- und sanitätstechnische Personal im Rahmen des bereichsübergreifenden Kollektivvertrages quer stellt. „In Zeiten, wo viel über den Abbau von Privilegien und über soziale Gerechtigkeit geredet wird, wäre es ein falsches Zeichen, wenn die Landesregierung den Ärzten in diesem Punkt nachgeben würde", so Dorigoni weiter.
Durch diese Diskussion entstehe der Eindruck, dass ein Sanitätsbetrieb nur wegen der Tätigkeit der Ärzte funktioniere. Das Ziel der ANAAO, fleißigere Ärzte des öffentlichen Sanitätsbetriebes höher zu entlohnen als weniger engagierte, sei zwar zu begrüßen, allerdings gäbe es hierfür andere Methoden als die freiberufliche Tätigkeit, welche der ASGB-Gesundheitsdienst auch weiterhin grundsätzlich ablehnt.

Gesundheitsdienst
Gewerkschaftstag des ASGB-Gesundheitsdienstes

Kostenfaktor Mensch – spart sich das Gesundheitssystem krank?

Am 16. November fand auf Schloss Maretsch der Gewerkschaftstag der Fachgewerkschaft Gesundheitsdienst statt.
Die Reform des Südtiroler Gesundheitssystems wurde im vorigen Jahr trotz vieler Proteste und Bedenken seitens des Sanitätspersonals vom Landtag beschlossen. Die Sanitätsreform steht erst am Anfang und der ASGB hofft, dass sich das Verhältnis zwischen der Zentrale des Südtiroler Sanitätsbetriebes und den peripheren Strukturen positiv entwickelt. Unabhängig von der Sanitätsreform sorgt auch die noch zu klärende freiberufliche Tätigkeit der Ärzte in Südtirol mit der Gefahr einer Zweiklassenmedizin für Diskussionsstoff. Grund genug für die Fachgewerkschaft ASGB-Gesundheitsdienst, die gegenwärtige Südtiroler Gesundheitspolitik zum Thema ihres diesjährigen Gewerkschaftstages zu machen und sie mit anderen europäischen Ländern zu vergleichen.
Der ASGB und insbesondere die Fachgewerkschaft ASGB-Gesundheitsdienst haben bereits im Vorfeld der Sanitätsreform vor den möglichen negativen Auswirkungen gewarnt. Und dies aus gutem Grund: zahlreiche Beispiele in Europa belegen, dass die unter der Vorgabe der Kostenreduzierung durchgeführten Sanitätsreformen direkt oder indirekt in die Zweiklassenmedizin führen. Die Bundesvorsitzende der Fachgruppenvereinigung für Gesundheitsberufe im ÖGB, Gerda Mostbauer, die das Referat zum Tagungsmotto hielt, zeigte in ihrem Beitrag auf, dass die Gesundheitsreformen in zahlreichen europäischen Ländern nach demselben Muster ablaufen: im Vordergrund stehen die leistungsorientierte Finanzierung und Managementstrukturen nach privatwirtschaftlichem Vorbild.
„Als Ergebnis dieser Entwicklung steigen die Gesundheitskosten der privaten Haushalte in vielen Ländern stark an. Einen Beitrag dazu leisten auch die ständig steigenden privaten Zuzahlungen für Medikamente, stationäre Behandlungen und für zahnärztliche Versorgung. Die oftmals drohende Gefahr der Zweiklassenmedizin ist eigentlich keine Gefahr, sondern Realität, sie wird nur totgeschwiegen", so Mostbauer. Als abschreckendes Beispiel nannte die Referentin Großbritannien: „wo das öffentliche Spitalswesen ausgehungert wurde. Lange Wartezeiten auf dringende Operationen, Transporte von Patienten in Spitäler anderer europäischer Staaten, gemischte Säle für Männer und Frauen und Anmietung von Betten in privaten Krankenhäusern zu hohen Preisen. Anstellung von Sicherheitspersonal um das Spitalspersonal vor Übergriffen von Angehörigen verzweifelter Patienten zu schützen. Ansteigen von Infektionen in privaten Krankenhäusern, weil diese primär auf Gewinn ausgerichtet sind und die Sicherheitsmaßnahmen vernachlässigen."
Der ASGB-Gesundheitsdienst sieht das Referat von Gerda Mostbauer gleichzeitig als Appell an die Südtiroler Landespolitik, nicht dieselben Fehler wie andere europäische Länder zu machen. Der Mensch muss im Vordergrund stehen, sowohl als Bürger und Patient als auch als Sanitätsbediensteter. Der ASGB-Gesundheitsdienst begrüßt in diesem Zusammenhang die Absicht der Landesregierung, die freiberufliche Tätigkeit der Ärzte mit einer klaren Regelung in Grenzen zu halten und so einer Zweiklassenmedizin in unserem Land l vorzubeugen. Gerade in der gegenwärtig angespannten wirtschaftlichen Situation überall in Europa, muss es ein Anliegen der Politik sein, dass das öffentliche Gesundheitssystem für alle Bürger/innen erschwinglich bleibt.
Das Südtiroler Gesundheitswesen beansprucht einen großen Teil des Landeshaushaltes. Doch die Referentin Mostbauer verweist hierzu auf das Weissbuch „Gemeinsam für die Gesundheit – ein strategischer Ansatz der EU für 2008 – 2013": „Die Ausgaben im Gesundheitsbereich sind nicht nur als Kostenfaktor, sondern auch als Investition zu sehen. Gesundheitsausgaben können zwar als wirtschaftliche Belastung betrachtet werden, doch die wahren Kosten entstehen der Gesellschaft durch die direkten und indirekten Ausgaben für Erkrankungen sowie durch den Mangel an Investitionen in die einschlägigen Bereiche des Gesundheitswesen.
Kostenorientierte Sanitätsreformen beinhalten gleichzeitig Sparmaßnahmen beim Gesundheitspersonal. Dies bewirkt eine Kette negativer Folgen, die schließlich in einer Verschlechterung der Qualität der Gesundheitsleistungen und der Patientenbetreuung endet. Europaweit, aber auch in Südtirol, ist ein großer Mangel an Pflegekräften feststellbar. Abgesehen von den Belastungen und Folgen verschiedener Art für die Bediensteten selbst (Burn-out, Arbeitsunfälle, Mobbing, psychische Probleme, ...) aufgrund des Personalmangels ist auch ein direkter Bezug zwischen angespannter Personalsituation und Qualität der Patientenversorgung feststellbar. Mostbauer dazu: „International wird die Frage des Zusammenhangs von Pflegekapazität und Patientensicherheit in den Krankenhäusern bereits seit Jahren durch Studien erforscht. Hier mehren sich Anzeichen eines Zusammenhangs von mangelnder Pflegeversorgung und unerwünschten Auswirkungen für die Patient/innen. So wird häufiger auf eine erhöhte Mortalität, verspätete Hilfe im Notfall und weitere Komplikationen wie Stürze, Medikamentenfehler, Dekubitalgeschwüre als Folge von mangelnder pflegerischer Versorgung aufgrund von knappen Personalressourcen hingewiesen". Der Gewerkschaftstag hat auch acht Resolutionen zu nachstehenden Themen verabschiedet:
1. Resolution zu den Vertragsverhandlungen (eingebracht ASGB Betriebsvorstand Bozen)
2. Resolution: Aufwertung des Krankenpflegeberufs (eingebracht ASGB Betriebsvorstand Bozen)
3. Resolution: Krankenhaus Schlanders (eingebracht ASGB Betriebsvorstand Meran)
4. Resolution Vereinbarkeit von Familie und Beruf (eingebracht ASGB Betriebsvorstand Meran)
5. Resolution die Zukunft gestalten (eingebracht ASGB Betriebsvorstand Brixen)
6. Resolution zur Pflegesicherung (eingebracht ASGB Betriebsvorstand Brixen)
7. Resolution gegen die Demontage des öffentlichen Gesundheitsdienstes (eingebracht ASGB Betriebsvorstand Bruneck)
8. Resolution: Gesundheit als Wirtschaftsmotor – der Mensch im Mittelpunkt (eingebracht ASGB Betriebsvorstand Bruneck).
Der ASGB Gesundheitsdienst bedankt sich bei allen Teilnehmern für das rege Interesse.