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Interview mit Gunde Bauhofer, Geschäftsführerin der Verbraucherzentrale Südtirol zum Thema Stromschlag

Hohe Strompreise - was nun?

Die Energiepreise kommen derzeit nicht aus den Schlagzeilen – laut Medienberichten liegt die Teuerung beim Strom bei 30 Prozent, und wir lesen auch von ständig steigenden Treibstoffpreisen. Aktiv hat darüber mit der Gunde Bauhofer, der Geschäftsführerin der Verbraucherzentrale Südtirol, gesprochen.
Gunde Bauhofer, Geschäftsführerin der Verbraucherzentrale Südtirol
Aktiv: Die Stromkosten sind gestiegen – aber um wieviel genau?
Gunde Bauhofer: Die Prozentzahlen, die wir in den Medien gehört haben, beziehen sich immer auf den Jahrespreis, also auf die 12 Monate. Man kennt derzeit aber nur die Preise für das aktuelle Trimester, also die Monate Oktober – November – Dezember 2021. Ein Beispiel macht es deutlicher: Im Mai 2021 zahlte eine durchschnittliche Familie in Südtirol am geschützten Markt 563 Euro pro Jahr, inklusive Steuern. Der jetzige Preis pro Jahr ist 591 Euro – also ja, es hat eine Teuerung gegeben, aber derzeit ist sie noch „überschaubar“.
Aktiv: Was kommt im Jänner?
Gunde Bauhofer: Das ist die große Frage, über die sich auch die Wirtschaftsexperten uneins sind. Die Preise der Energieträger beeinflussen sich stets gegenseitig, und die „treibende Kraft“ hinter der aktuellen Teuerung ist insbesondere der Gaspreis. Dieser verzeichnet aus einem Mix von Gründen (klimatischen, wirtschaftlichen und geopolitischen) derzeit ein Allzeithoch. Es bliebt zu hoffen, dass die Teuerung nur noch das 1. Trimester des neuen Jahrs betreffen wird, und wir dann zur Normalität zurückkehren. Wenn wir die letzten zwei Jahre betrachten, betrug die Teuerung beim Strom knapp 13 Prozent, was zwar ebenfalls eindeutig zu viel ist, aber dennoch eine überschaubarere Zahl ist als die Teuerung vom letzten Trimester auf das jetzige.
Aktiv: Was genau ist der „geschützte“ Markt?
Gunde Bauhofer: Auf dem geschützten Markt, der in Südtirol noch ca. 40 Prozent der Haushalte bedient, werden die Preise alle drei Monate von der staatlichen Aufsichtsbehörde festgelegt. Zum Unterschied: am freien Markt entscheiden die Anbieter selbst über die Preise. Aber: diese können immer nur den Energiepreis beeinflussen, und der macht im Normalfall knapp die Hälfte der Rechnung aus (derzeit etwa 75 Prozent, weil die Regierung einen Teil der Systemkosten für drei Monate gestrichen hat). Der geschützte Markt, der immer als Richtschnur für die Preise dient, soll 2023 abgeschafft werden, was verfrüht sein könnte.
Aktiv: Es gibt also nur bei der Hälfte der Stromrechnung einen Spielraum nach unten?
Gunde Bauhofer: Genau. Die anderen 50 Prozent sind eine Vielzahl von Gebühren und Steuern, auf welche die Anbieter keinen Einfluss haben. Daher fordern Italiens Verbraucherschützer auch vom Staat, diese unübersichtliche Tarifstruktur zu vereinfachen, und „fremde“ Elemente aus der Stromrechnung zu streichen. Im Optimalfall blieben nur die Energiekosten und die Steuern übrig, was auch für mehr Transparenz und Vergleichbarkeit sorgen würde.
Aktiv: Was bringt ein Wechsel zum freien Markt?
Gunde Bauhofer: Wenn man gut aussucht, kann man sparen – aber Vorsicht ist angesagt. Laut offiziellen Schätzungen sind mehr als drei Viertel der Angebote am freien Markt teurer als der staatliche Tarif. Wenn wir wieder unsere Beispielfamilie von oben betrachten, zahlt diese beim teuersten Anbieter 982 Euro, also fast 400 Euro mehr pro Jahr! Beim derzeit günstigsten Anbieter können hingegen können knapp 150 Euro pro Jahr gespart werden. Grundsätzlich gibt es aber nicht „besten“ Anbieter für alle.
Aktiv: Wie kann ich sicher stellen, ein gutes Angebot zu finden?
Gunde Bauhofer: Nebenstehend finden Sie eine kleine Grafik, die den Ablauf veranschaulicht. Es gibt dazu auch noch einen Mini-Leitfaden unter www.consumer.bz.it/de/energie-tarife-anbieter-und-anbieterwechsel. Bei Fragen stehen auch die Beraterinnen und Berater der VZS zur Verfügung.
Aktiv: Kann es passieren, dass bei einem Anbieterwechsel die Stromversorgung unterbrochen wird?
Gunde Bauhofer: Nein. Bei Strom und Gas kümmert sich um die tatsächliche Lieferung die Verteiler-Firma, und diese bleibt dieselbe, auch wenn man den Anbieter wechselt. Daher kann es nicht passieren, dass durch den Wechsel (oder die Abschaffung des geschützten Marktes) die Lieferung unterbrochen wird. Wir empfehlen allerdings, in der Zeit des Wechsels die Rechnungen und die Zahlungen (die letzte des „alten“ Anbieters, und die ersten paar Rechnungen des „neuen“ Anbieters) zu kontrollieren, um sicherzustellen, dass alles seine Richtigkeit hat.
Aktiv: Derzeit rufen viele Firmen an, um am Telefon ihre Angebote zu bewerben. Kann dies eine gute Alternative sein?
Gunde Bauhofer: Unserer Erfahrung nach selten bis gar nicht. Stromtarife sind komplex, und anhand eines Gesprächs genau zu verstehen, wie hoch die neuen Jahreskosten inklusive Steuern sein werden, ist fast unmöglich. Wie der Volksmund sagt: „Gesprochenes verfliegt“.
Aktiv: Was kann man abgesehen von einem Anbieterwechsel noch tun?
Gunde Bauhofer: Sparpotentiale gibt es auch bei der Anpassung des Nutzer:innen-Verhaltens; dies schont die Brieftasche, aber auch die Umwelt und das Klima, und ist daher auf alle Fälle eine Überlegung wert.
Gunde Bauhofer, vielen Dank für das Interview
Hier die Sammlung der Tipps:

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Jetzt entscheiden die BürgerInnen über ihr Kontrollinstrument, das Referendum

Dieses ist das entscheidende Element einer Demokratie der BürgerInnen. Und wie geht es dann weiter?
Am 11. Juni hat die Landtagsmehrheit, völlig unvorhersehbar, das Gesetz beschlossen, mit dem sie
das Referendum abschaffen will,
auch die unabhängige Redaktion für das Abstimmungsheft mit dem 5 zu 1 von SVP Mandataren besetzten Landtagspräsidium ersetzen und
den BürgerInnen die Möglichkeit nehmen will, selbst ausgeloste Bürgerräte einzuberufen.
Als wir uns entschieden haben, gegen dieses Gesetz das Referendum zu ergreifen, haben wir nicht gewusst, ob die BürgerInnen in einer von der Pandemie bestimmten Situa­tion bereit sind, sich mit einer solchen Sache zu befassen, sich für eine Unterschrift zur Unterstützung einer Volksabstimmung zum Gang in die Gemeinde bewegen lassen.
Diese Unsicherheit hat uns angetrieben in den Sommermonaten und äußerstes von uns verlangt. Ja, die Menschen in unserem Land sind bereit, sich für die Demokratie zu wehren, und so sind wir zuletzt weit über unser Ziel hinausgeschossen. Nicht zu glauben, dass in kaum mehr als einem Monat 16.500 BürgerInnen – diese Menschen muss man, einen jeden einzeln, sich vor dem inneren Auge gegenwärtig machen - unterschrieben haben, unter Bedingungen, die noch nie so schwierig und einschränkend waren. Mit dieser Bestätigung und Sicherheit haben wir eine neue Grundlage für den weiteren Weg zu einer wirklichen Bürgerdemokratie in unserem Land. Mit ihr sollen die BürgerInnen ihre Entscheidungsmacht nicht nur in Wahlen ausüben und zugleich abgeben müssen, sondern sie auch selber ausüben können. In wichtigen und entscheidenden Fragen wie z.B. der Verteilungsgerechtigkeit und der Arbeit, die im Zentrum der notwendigen Antworten auf die Klimakatastrophe stehen, sollen die notwendigen Maßnahmen parteiunabhängig und sachlich erarbeitet und direktdemokratisch entschieden werden.
Ob wir weiter daran arbeiten können, indem wir uns direkt an die BürgerInnen wenden und sie entscheiden lassen können, wird, wenn diese Zeilen gedruckt sind, vom Landesgericht entschieden worden sein: Dort haben wir gegen die Unzulässigkeitserklärung der Kommission der Landesverwaltung zu den vor einem Jahr eingebrachten zwei Volksinitiativen Einspruch erhoben. Dabei geht es um die Einführung des Großen Landesbürgerrates ausgeloster BürgerInnen und um eine Verbesserung der Regeln zur Unterstützung direktdemokratischer Initiativen, vor allem um die Einführung der Online-Unterschriftensammlung, so wie sie auf gesamtstaatlicher Ebene jetzt anwendbar ist.
Mit der wahrscheinlichen Freigabe der Volksinitiative zum Großen Landesbürgerrat würde etwas vom Notwendigsten möglich: Ein verbindlich vorgesehener ausgeloster Klimabürgerrat, der in intensiver Zusammenarbeit mit interessierten BürgerInnen und ihren Organisationen und mit einer möglichst breit gefächerten Information durch selbst ausgewählte Fachleute, einen Katalog von Maßnahmen ausarbeitet, mit deren Umsetzung Hoffnung bestünde, die schon in den 90er-Jahren von der Umweltbewegung geforderte ökologische Wende einzuleiten. Die Möglichkeit der direktdemokratischen Initiative würde in der Folge garantieren, dass das Ergebnis dieses Klimarates von der politischen Vertretung ernst genommen werden muss und dass es notfalls als Volksinitiative zur Volksabstimmung gebracht wird.
So wichtig ist eine Bürgerdemokratie! Und damit es ein gutes Zusammenspiel mit der parlamentarischen gibt, ist diese von Grund auf direktdemokratisch zu reformieren.
Das gilt es mit dem Referendum zu schützen:
Es verlangt die Zusammenarbeit der politischen Vertreter und dieser mit uns BürgerInnen;
Es stellt sicher, dass nur gilt, was auch wirklich von einer Mehrheit in der Bevölkerung mitgetragen wird;
Es wirkt dahin, dass nicht nur eine politische Mehrheit regiert, die 35 Prozent der Wahlberechtigten vertritt. Mit ihm müssen auch die Argumente der politischen Minderheit berücksichtigt werden. Auf diese Weise kann sich ein viel größerer Teil der Bevölkerungen mit den politischen Entscheidungen identifizieren;
Das alles bewirkt das Referendum schon allein damit, dass es existiert und ohne dass es angewandt werden muss;
Es verpflichtet zum Hinhören, zum Ernstnehmen anderer, zum Dialog und zur Suche nach Konsens;
Es ist der erste und entscheidende Schritt von einer Parteien- zu einer Bürgerdemokratie.