Aktuell

Interview mit Altlandeshauptmann Luis Durnwalder zum 80. Geburtstag

Aktiv: Geschätzter Altlandeshauptmann, lieber Luis! Eingangs möchten wir dir recht herzlich zum runden Geburtstag gratulieren. Wie fühlt man sich mit 80?
Luis Durnwalder: Ich bin dem Herrgott dankbar, dass ich in guter Gesundheit dieses schöne Alter von 80 Jahren überhaupt erreichen konnte und dass ich in all diesen Jahren gemeinsam mit meinen MitarbeiterInnen einiges zur positiven Entwicklung unseres Landes beitragen konnte.
Aktiv: Du warst immer ein ausgewogener Landeshauptmann, hast versucht den Spagat zwischen Wirtschaftsinteressen und den sozialen Bedürfnissen der Bürger zu spannen. Wie hast du die jahrelange Zusammenarbeit mit dem ASGB empfunden?
Luis Durnwalder: Ich habe mich immer bemüht, Landeshauptmann für alle SüdtirolerInnen zu sein, unabhängig von ihrer Sprachzugehörigkeit oder ihrer sozialen Stellung. Wenn wir in den letzten Jahrzehnten Südtirol von einer sehr armen Provinz zu einem Land mit dem statistisch höchsten Bruttoinlandprodukt pro EinwohnerIn in Italien gemacht haben, so nur dadurch, dass alle SüdtirolerInnen der verschiedenen Sprachgruppen und ArbeitgeberInnen und ArbeitnehmerInnen zusammengearbeitet und sich für die Rechte der Menschen unseres Landes eingesetzt haben. Die Autonomie und die daraus resultierende positive Entwicklung unseres Landes verdanken wir nicht nur unseren PolitikerInnen sondern vor allem dem Fleiß und der Zusammenarbeit unserer ArbeitgeberInnen und ArbeitnehmerInnen. Die Politiker hat sie dabei begleitet und ihnen die Möglichkeit gegeben, arbeiten und gestalten zu können und zu zeigen, welche Kraft, Intelligenz und Energie in ihnen steckt.
Der ASGB hat uns in diesem Bestreben immer unterstützt und hat sich ganz besonders für die sozialen und kulturellen Rechte der deutsch und ladinischsprachigen Bevölkerung eingesetzt. Dabei hat sich der ASGB besonders für qualitativ hochwertige Arbeitsplätze, Vollbeschäftigung, Proporz und Zweisprachigkeit, Schule und Berufsausbildung, Zusatzverträge auf Landesebene, Wohnbauförderung und das Mitspracherecht der ArbeitnehmerInnen eingesetzt. Trotz gelegentlicher Meinungsverschiedenheiten haben wir dabei immer in Anwendung der Sozialpartnerschaft eine vernünftige, ausgewogene und tragbare Lösung gefunden.
Aktiv: Ein Thema, für welches du und der ASGB gemeinsam brennen, ist die Südtirolautonomie, die unter deiner Ägide wesentlich ausgebaut wurde. Viele Bereiche, die wir besser verwalten könnten, werden aber immer noch vom Staat verwaltet. Welche Kompetenzen wären am dringendsten ins Land zu holen?
Luis Durnwalder: Der ASGB war immer ein verlässlicher Partner, wenn es um die Erreichung, Umsetzung, Verteidigung und Erweiterung unserer Rechte ging .Gemeinsam haben wir vieles erreicht und konnten die Autonomie so verwalten, dass wirklich alle deren Vorteile spüren konnten.
Autonomie im Sinne des Pariser Abkommens bedeutet Selbstverwaltung und eigene Gesetzgebung. Wir SüdtirolerInnen wissen am Besten was für uns gut ist und wie wir die uns gewährten Zuständigkeiten verwalten sollten. Deshalb müssen die dem Land zustehenden Kompetenzen immer wieder der Zeit angepasst und entsprechend erweitert werden. Die Verhandlungen um das Paket beziehen sich vor allem auf die Situation der 60iger Jahre. Wer hätte damals an die Bedeutung der Umweltprobleme, der Klimaerwärmung, des Verkehrs, der Alternativenergie, der Telekommunikation, Breitband usw., gedacht. Heute sind diese Herausforderungen anzugehen. Deshalb brauchen wir auch die notwendigen Zuständigkeiten für deren Lösung. Die heute bestehenden sekundären und tertiären Zuständigkeiten, bei denen wir wesentlich auf die Staatsgesetze Rücksicht nehmen müssen, sollen in primäre Zuständigkeiten umgewandelt werden. Auch in der Organisation und Aufbau der Verwaltungsorgane zwischen Staat und Land sind Anpassungen notwendig. Die Region Trentino Südtirol und das Regierungskommissariat sind überflüssig. Sie sollten abgebaut und deren Zuständigkeiten sollten an die beiden Länder Trient und Bozen übertragen werden. Die beiden Autonomen Provinzen Trient und Bozen sollten in Autonome Länder Südtirol und Trentino umgewandelt werden. Dadurch könnte viel Geld und Bürokratie eingespart werden. Die Gerichtsämter sollten so umgebaut werden, dass Bozen nicht nur autonome Außenstellen, sondern eigene Sitze erhält. Auch das Problem der Ortsnamensgebung, der Post der Polizeifunktionen usw. müssen endlich gelöst werden. Unser Bestreben muss es sein, in unserer Politik immer Richtung Vollautonomie zu gehen.
Aktiv: Du bist im Juni in der Causa Sonderfonds vom Kassationsgericht zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt worden. Überwiegend hast du Solidaritätsbekundungen von der Bevölkerung, den verschiedenen Verbänden und von vielen politischen Mitstreitern erhalten. Was ist in dir nach der Urteilsverkündung vorgegangen?
Luis Durnwalder: Ich war natürlich sehr überrascht und enttäuscht. Schließlich wurden in Südtirol seit vielen Jahrzehnten Schadtiere auch außerhalb der Jagdzeiten abgeschossen, um weitere Schäden zu vermeiden. Auch die Anerkennungsbeiträge an die verschiedenen Vereine und Verbände wurden seit Jahrzehnten sowohl vom Landeshauptmann, wie auch von den Mitgliedern der Landesregierung und vom Landtagspräsidium vergeben. Ich habe jede Ausgabe aufgeschrieben damit sie kontrolliert werden kann. Selbst der Staatsanwalt hat erklärt, dass ich keinen einzigen Cent in die eigene Tasche gesteckt habe.. Ich wurde nun als einziger herausgenommen und im Namen des Volkes verurteilt. Ich wurde beim Sonderfonds in erster Instanz im Namen des Volkes freigesprochen; auch in zweiter Instanz wurde ich im Namen des Volkes freigesprochen und in dritter Instanz im Namen ,wohl des gleichen Volkes ,verurteilt. Unverständlich ist auch die Schätzung der Wildtiere. Dass als Bezug ausgestopfte Tiere hergenommen werden, ist wohl etwas eigenartig! Selbstverständlich werde ich gegen dieses Urteil beim Internationalen Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg Rekurs einreichen. Die vielen Solidaritätsbekundungen von Seiten vieler Vereine, Verbände und Einzelpersonen waren für mich sicher ein großer Trost.
Aktiv: 25 Jahre lang hast du als Landeshauptmann Südtirol erfolgreich gestaltet. Würdest du rückblickend sagen, ich würde heute etwas anders machen, könntest du die Zeit zurückdrehen?
Luis Durnwalder: Ich habe versucht, in der jeweiligen Zeit unter den gegebenen Umständen immer mein Bestes zu geben und meinen Mitmenschen zu helfen. Dabei wollte ich in meinen vielen Sprechstunden und Aussprachen vor allem den einfachen, bescheidenen und oft sogar schüchternen Menschen Rat und Hilfe gewähren. Rückblickend würde ich auch heute wieder im Großen und Ganzen Dasselbe tun.
Aktiv: Du warst dem ASGB immer gut gesinnt und hast uns oft den Rücken gestärkt. Welche Anekdote fällt dir spontan ein, wenn du an den ASGB denkst?
Luis Durnwalder: Ich freue mich ganz besonders, dass ich mithelfen konnte, dem ASGB zu einem „Heim" zu verhelfen. So wie die Wirtschaftsverbände mit Unterstützung des Landes einen eigenen Sitz erwerben konnten, so war es für mich auch recht und billig, dem ASGB zu helfen, einen würdigen Sitz anzukaufen Als Georg Pardeller mit dieser Bitte an mich herantrat ,sagte ich grundsätzlich sofort „JA" . Als ich allerdings hörte ,dass es sich um den schönsten Platz in der Bozner Altstadt und um ein wunderbares historisches Gebäude handelte, war ich zunächst etwas überrascht und meinte, ob es nicht etwas Bescheideneres sein könnte. Der ausgehandelte Kaufpreis war aber sehr günstig ,sodass ich damit einverstanden war. Im Nachhinein bin sehr froh, dass dieses Gebäude vom ASGB gekauft wurde. Jedes Mal, wenn ich an diesem Sitz vorbei gehe, freue ich mich, dass am Eingang des wirtschaftlichen und kulturellen Zentrums der Altstadt Bozen, den Bozner Lauben, die Arbeitnehmer ihr Heim haben und dadurch die Sozialpartnerschaft am Besten zum Ausdruck kommt. Beide haben für den Aufbau unserer Autonomie und unseres, wenn auch oft bescheidenen ,Wohlstandes beigetragen.
Aktiv: Wir wünschen dir, lieber Luis, alles Gute zum 80. Geburtstag und dass noch viele weitere Jahre in Gesundheit folgen mögen!

Aktuell
Long-Covid

Südtiroler Sanitätsbetrieb schließt Abkommen mit INAIL

Der Umstand, dass es immer mehr bestätigte Fälle von Personen gibt, die an Langzeitfolgen einer Erkrankung mit Covid-19 leiden, hat dazu geführt, dass der Südtiroler Sanitätsbetrieb und das Versicherungsinstitut für Arbeitsunfälle, INAIL, ein Abkommen abgeschlossen haben, welches es ermöglicht, Langzeitschäden nach berufsbedingten Infektionen auch arbeitsmedizinisch anerkannt zu bekommen.
Viele Personen, die an Covid-19 erkrankt sind, leiden auch nach über zwölf Wochen nach der Erkrankung noch an Folgebeschwerden wie Erschöpfung, Müdigkeit, Muskelschmerzen und neurologischen Ausfällen wie z.B. Gedächtnisschwierigkeiten.
Das INAIL meldet jene Personen, die nach erfolgter Genesung von Covid-19 an Folgebeschwerden leiden an die Long-Covid-Ambulanz, die die Betroffenen innerhalb von sieben Tagen ab Erhalt der Meldung einer entsprechenden Untersuchung unterzieht.
Der Umstand, dass sich vom Long-Covid-Syndrom betroffene Personen, die sich die Erkrankung im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit zugezogen haben, in der Long-Covid-Ambulanz kostenlos behandeln und betreuen lassen können und deren Status arbeitsrechtlich vom INAIL anerkannt wird, ist äußerst erfreulich und eine notwendige Entlastung für die Betroffenen.