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Lehrlinge, Verhandlungen sind vorerst gescheitert

„Die Sozialpartner (Unternehmerverbände und Gewerkschaften) haben zwölf Monate Zeit, ein Einvernehmen über die Bildungsordnung zu den Lehrberufen zu erzielen, ansonsten wird diese von der Landesregierung festgelegt", besagt sinngemäß das Landesgesetz Nr. 2 vom 20.03.2006, bzw. die "Ordnung der Lehrlingsausbildung".
Dieses Landesgesetz erläutert gleichzeitig: Die Bildungsordnung umfasst die Beschreibung des Berufsbildes, die Zugangsvoraussetzungen, die Lehrzeit, den betrieblichen Ausbildungsrahmen, das Ausmaß des theoretisch-praktischen Unterrichts, den Lehrplan und das Qualifizierungsverfahren.
Woran sind die Verhandlungen gescheitert? „Am Geld, wäre wohl die kürzeste Antwort". So einfach ist die Sache nicht, obwohl die entscheidende Frage – wie auch sonst so oft – hier leider auch das Geld ist, bzw. die Überlegung, wie viel oder wie wenig ein Lehrling kosten darf.
„Die Unterrichtsstunden der theoretisch-praktischen Ausbildung gelten in jeder Hinsicht als Arbeitsstunden", ist in der Ordnung der Lehrlingsausbildung zu lesen. Die Lehre (Erwerb einer beruflichen Qualifikation) dauert drei Jahre. Im Falle besonders komplexer Berufe, wie jener der Meisterberufe des Handwerks, kann eine längere Lehrzeit in der Bildungsordnung festgelegt werden. Für die Lehre mit dreijähriger Ausbildung umfasst die Ausbildung in der Berufsschule mindestens 1000 Stunden.
Ohne Zweifel gehen bei der Lehrlingsausbildung in Südtirol im Vergleich zum gesamten italienischsprachigen Raum die Uhren anders. Nur noch in der Provinz Trient ist seit kurzer Zeit ein ähnliches duales Ausbildungssystem vorzufinden, wie bei uns. Das letzte Abkommen zur Bildungsordnung, das von den Sozialpartnern (Gewerkschaften und Unternehmerverbände, auch Handwerkerverband) ausgehandelt worden ist, stammt aus dem Jahre 1984 und ist auf jeden Fall „renovierungsbedürftig", denn Schulreformen und Reformen der Sozialgesetzgebung gehen auch bei uns in Südtirol nicht spurlos vorüber.
Von einem Schultag pro Woche noch vor 20 oder 25 Jahren ist man mittlerweile in vielen Berufen zum Blockunterricht (neun Wochen oder elf Wochen) übergegangen. Konnte damals nach dem Mittelschulabschluss ein Lehrverhältnis bereits mit 14 Jahren begonnen werden, ist dies heute erst mit 15 Jahren möglich. Heute haben wir aber auch eine Ausbildungspflicht bis zum 18. Lebensjahr: entweder Schule oder zumindest ein Lehrverhältnis. Ist jemand noch minderjährig, kann er nicht als Hilfskraft beschäftigt werden.
Überlegt wird derzeit auch, wie der Berufsschulunterricht geänderten Ansprüchen im Berufsleben angepasst werden soll und kann: das Erlernen der zweiten Landessprache (in gar manchen Berufen gibt es keine einzige „Italienisch-Stunde"), Grundkenntnisse vom „Fach-Englisch" und der gesamte Bereich der „Informatik", denn PC-Kenntnisse sind im Arbeitsleben einfach nicht mehr wegzudenken.
Seit einiger Zeit liegen Vorschläge des Landesverbandes der Handwerker (LVH) auf. Die Dauer der Berufsschule soll von drei auf vier Jahre ausgedehnt werden. In den ersten drei Berufsschuljahren sollen insgesamt 125 Schultage (insgesamt 1.000 Stunden) eingebaut werden (ein Jahr mit neun Wochen und zwei Jahre jeweils mit acht Wochen Berufsschule), und im vierten Berufsschuljahr sollen noch fünf Wochen Berufsschule folgen.
Die Sozialpartner (Gewerkschaften und Handwerkerverband) „streiten" sich nicht über eine mögliche Ausdehnung der Berufsschulzeit; Angelpunkt der Auseinandersetzungen ist vielmehr die Tatsache, dass der LVH weitgehend auf einer fünfjährigen Lehrzeit beharrt. Das Berufsschulgrundjahr soll dabei zudem nur in ganz bescheidenem Ausmaß Anerkennung finden, bzw. als Bildungsguthaben zur Verkürzung der Lehrzeit beitragen.
Die Vertreter des ASGB haben in den bisherigen Verhandlungen mit dem LVH immer wieder betont, eine Bildungsordnung und eine Lehrzeitdauer anzustreben, die es ermöglicht, mindestens zeitgleich mit einem Maturanten die Gesellenprüfung erlangen zu können. Dabei ist jedoch erforderlich, dass die Höchstdauer der Lehrzeit entweder kürzer als fünf Jahre ist oder die Berufsschulgrundstufe in größerem Ausmaß als Bildungsguthaben angerechnet wird.
Während die Verhandlungen mit dem LVH aufgrund der unterschiedlichen Meinungen zur Dauer der Lehre vorerst gescheitert sind, haben sich die Gewerkschaften mit den anderen Arbeitnehmerverbänden (HGV, Kaufleute und Industrie) weitgehend auf eine dreijährige Lehrdauer geeinigt, wie sie bisher bereits in einigen Lehrberufen bestanden hat und wie sie vom neuen Lehrlingsgesetz auf vorgesehen ist.

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Die Entwicklung der Lehrlingszahlen in Südtirol

Die Landesabteilung für Arbeit hat in der Ausgabe „Arbeitsmarkt News" vom Mai 2007 die Entwicklung der Lehrberufe auf dem Südtiroler Arbeitsmarkt unter die Lupe genommen. Dabei haben sich einige interessante Ergebnisse ergeben: Das Südtiroler Lehrlingswesen zählt aufgrund des traditionellen und bewährten dualen Ausbildungssystems nach wie vor zu den besten Ausbildungsmodellen in Europa. Die duale Ausbildung besteht aus dem Lehrvertrag mit einem Arbeitgeber und dem gleichzeitigen Besuch der Berufsschule. Während sich in den letzten vier Jahren immer mehr Jugendliche für die Oberschulen und Berufsfachschulen entschieden haben, stagnierte die Anzahl neuer Lehrlinge im selben Zeitraum. Im Jahr 2006 wurden 3.024 neue Lehrverträge verzeichnet. Der beliebteste Lehrberuf ist der Koch, gefolgt von der Servierfachkraft und dem Verkäufer. Getrennt betrachtet steht auch bei den männlichen Lehrlingen der Koch an erster Stelle, danach folgen der Elektrotechniker, der Maurer und der Tischler. Von den weiblichen Lehrlingen wählen hingegen die meisten den Beruf der Verkäuferin, gleich dahinter rangiert die Servierfachkraft. An dritter Stelle steht bei den Frauen der Friseurberuf.
Als typische Männerberufe lassen sich anhand der statistischen Zahlen der Installateur, der Kfz-Mechaniker, der Schlosser und der Zimmerer klassifizieren. Zu den typischen Frauenberufe zählen hingegen die Bürofachkraft, die Lebensmittel- und Textilwarenverkäuferin sowie die Konditorin und die Zahnarzthelferin.
Interessant erscheint auch folgendes Ergebnis: nur ein Drittel der Lehrlinge ist ein Jahr nach Ende des Lehrvertrags noch im selben Unternehmen tätig. Ein Drittel der Lehrlinge wechselt den Betrieb nach Ende der Lehrzeit, während das restliche Drittel nach der Ausbildung nicht mehr lohnabhängig beschäftigt ist und somit einer selbständigen Arbeit nachgeht.
Aus der Untersuchung der Landesabteilung Arbeit geht noch ein weiterer interessanter Aspekt hervor: im Südtiroler Gastgewerbe werden die Lehrverträge vielfach nur für kurze Zeiträume, vor allem saisonsmäßig, abgeschlossen. Da in den darauf folgenden drei Jahren meist kein neues Lehrverhältnis begonnen wird, steht bei den kurzen Lehrverträgen im Gastgewerbe in erster Linie nicht die Ausbildung von Jugendlichen im Vordergrund, sondern vielmehr die Tatsache eines kostengünstigen Arbeitsverhältnisses.