ASGB Rentner

Die Pandemie und die Senioren

Beitrag von Stephan Vieider – Die Pandemie stellt sämtliche Institutionen und soziale Einrichtungen auf eine harte Probe. Corona trifft leider wieder diejenigen am härtesten, die bereits vor Corona nicht auf der Sonnenseite des Lebens weilten und die soziale Frage nimmt immer weiter an Schärfe zu.
Daher braucht es dringend politisches Handeln, zum Beispiel bei der Umschichtung der finanziellen Mittel im Landeshaushalt zugunsten für Soziales und Gesundheit. Der Bedarf steigt kontinuierlich, die Lobby in diesem Bereich ist aber leider zu schwach. Deshalb ist die Gewerkschaft stark gefordert. Hervorzuheben ist erfreulicherweise, dass sich die Solidarität in der Südtiroler Gesellschaft - in Form von Volontariat und Nachbarschaftshilfe - als ein Mehrwert und unverzichtbar in der Krise bewiesen hat.
Der neuerdings rapide Anstieg an Covid-Infizierten mit all den Folgen und Überlastungen in den Krankenhäusern, Altersheimen und soziosanitären Diensten hat sich verheerend auf die sanitäre Grundversorgung der Bürger, vor allem chronisch Kranker und Senioren ausgewirkt. Angst, Einsamkeit und Unsicherheit in der Gesundheitsversorgung, die Angst vor der Zukunft, haben vor allem bei älteren Menschen zu Depressionen und Verzweiflung geführt. Hinzu kommt noch die finanzielle Notlage vieler Senioren mit Mindestrente, die trotz Unterstützung von Staat und Land nicht imstande sind, die steigenden Lebenshaltungskosten zu bestreiten. Die Folge ist, dass Betroffene noch größerer psychischer Belastung ausgesetzt sind, sich verschließen und dann auch daran erkranken. Beklagt wird von den allermeisten auch die unklare und teils widersprüchliche Information und Aufklärung über das richtige Verhalten, wenn man mit dem Virus in Kontakt gekommen ist. Es ist oft nicht klar, an wen sich ein Betroffener wenden kann und wie seine Quarantäne abläuft. Dies ist einer der Hauptgründe für Verzweiflung, führt aber auch zu Gleichgültigkeit im Umgang mit der Pandemie.
Auf die Mängel der derzeitigen Informationstechnologie des Sanitätsbetriebes, die fehlende Vernetzung der verschiedenen Akteure in den Gesundheits- und Sozialeinrichtungen, haben die Gewerkschaften in der Vergangenheit mehrmals hingewiesen. Gerade jetzt in der Pandemie sind die Mängel besonders zu spüren. Für die Mitarbeiter im Sanitätsbereich, im Krankenhaus und außerhalb, sowie in den Alters-und Seniorenheimen, Apotheken und für Hausärzte wird erst jetzt die Wichtigkeit einer effizienten Informationstechnologie deutlich.
Grundsätzlich wurde festgestellt, dass nicht alle Senioren über genügend finanzielle Mittel verfügen, um sich die nötigen Geräte für die Benutzung der Onlinedienste anzuschaffen. Zudem sind es Senioren nicht gewohnt, digital zu kommunizieren und bedürfen einer gründlichen Einschulung und Betreuung. Gerade diese waren schon vor Corona kaum gegeben, geschweige denn jetzt. Die von der öffentlichen Verwaltung allenthalben gepriesene Erleichterung zur digitalen Kontaktaufnahme ist ein purer Hohn:
An Stelle von Schaltern gibt es nur Call-Center, wo man in eine stundenlange Warteschleife gerät.
Ansuchen um Beiträge müssen online über Spid gemacht werden, was für einen ungeübten Senior einem Marathonlauf gleichkommt.
Facharztvormerkungen sind äußerst kompliziert, weil unter anderem nur gewisse Browser zugelassen sind. Grundsätzlich fehlt es selbst für erfahrene Internet-Nutzer an gründlicher Information von Seiten der öffentlichen Verwaltung.
Bequem sind Online–Dienste oft nur für die Verwaltung und nicht für Nutzer bzw. für Senioren.
Finanzielle Mittel und Zeit haben in den vergangenen Jahren nicht gefehlt, daher ist es an der Zeit, dass die Politik in solch strategisch wichtigen Positionen endlich Maßnahmen ergreift.
Die ASGB – Rentner werden nicht müde, von den Politikern konkrete Maßnahmen zu Behebung der Missstände zu fordern:
Beseitigung territorialer Unterschiede in der Versorgung und Vernetzung;
Aufwertung der Gesundheits- und Sozialberufe: klare Darstellung des systemrelevanten Berufes ohne Sozial-Romantik, gerechte Entlohnung und Honorierung des hohen Arbeitspensums, um Abwanderung in andere Bereiche abzuwenden;
Änderung des Pflegeschlüssels für mehr Wertschätzung der Berufsbilder und der Senioren, da somit älteren Menschen mehr Zeit und Wert zugestanden wird;
Mehr Personalführung anstatt Personalverwaltung;
Bedingungen schaffen, um Frauen nach Mutterschaft wieder zurückzuholen;
Aufnahme von berufsbegleitendem Personal in Seniorenwohnheimen ähnlich wie im Lehrlingssystem:
Aufwertung der Mindestrenten unter Berücksichtigung des persönlichen Vermögens;
Voller Inflationsausgleich für geringe und mittlere Renten;
Fristgerechte Verteilung von Beiträgen und Hilfsmaßnahmen;
Ausstattung des NISF-INPS in Bozen mit mehr Kompetenzen bzw. mehr Personal.

ASGB Rentner

Bericht aus dem Lockdown von Hans Widmann

Das Zusteuern auf die Einschränkung der gewohnten „Freiheiten“ war schon komisch. Die totale Quarantäne war dann ein neuer Lernprozess. Der Balkon erfuhr eine Aufwertung, die Essens- und Trinkgewohnheiten haben sich geändert. Statt einzukaufen wurde man von links und rechts beliefert. Ein Wermuts­tropfen war, dass man die Enkelkinder nicht sehen durfte. Ganz wichtig war, dass wir in der engen und weiteren Familie gesund geblieben sind.
Es blieb sehr viel Zeit, nicht nur zum Lesen, sondern auch über die neuen Umstände nachzudenken und über die ungewisse Zukunft zu diskutieren und über die Pandemie generell, für die wir alle, auch die Politik und das Sanitätswesen, keine Erfahrungswerte hatten, höchstens ein theoretisches Wissen. Immer mehr nachgedacht haben wir zuhause auch darüber, wie es anderen Familien wohl gehen würde. Jenen, die in Lohnausgleich versetzt wurden und den gekürzten Lohn erst nach Monaten erhalten haben. Jenen, die in kleinen Wohnungen ausharren und sich vertragen mussten. Den Familien mit Angehörigen mit Beeinträchtigung. Jenen, die Familie, Fernunterricht und Homeoffice unter einen Hut bringen mussten und den Alleinerziehenden. Wie es den Jugendlichen ergeht, denen der persönliche Kontakt zu den Freunden fehlt, der trotz aller Handymöglichkeiten ein großer Wert fürs Leben bleibt. Wie es den einsamen Menschen geht, die noch einsamer wurden. Wie sich jene fühlen müssen, die einen lieben Menschen ohne Abschiedsmöglichkeiten verloren haben.
Es blieb auch Zeit darüber nachzudenken, wie es nachher weitergehen sollte. Ob man wirklich alles braucht, was man bisher so selbstverständlich „genossen“ und beansprucht hat. Nach dem ersten Lockdown haben wir trotz mancher Vorsätze eigentlich gleich weitergelebt wie bisher, mit wenig Abstrichen, mit einigen wenigen Veränderungen.
Nachdenklich macht nun im zweiten Lockdown auch der Zustand unserer Krankenhäuser. Im Sommer wurde geradezu geprahlt, was man alles hinsichtlich der zweiten Welle der Pandemie im Herbst vorbereitet hat. Anfang November stößt man aber schon wieder an die Grenzen, unverständlich! Wie viele Betten hat man neu eingerichtet, wie viele Beatmungsgeräte und wie viele Tests hat man angekauft, wie viel zusätzliches Personal wurde eingestellt? Interessant zu wissen wäre auch, wie viele Claudiana-Abgänger des letzten Studienganges in unseren Krankenhäusern gelandet, wie viele ausgewandert sind und warum? Unsere Helden der 1. Welle warten immer noch auf die materielle Anerkennung und das Sanitätspersonal wartet auf professionelle und wettbewerbsfähige Gehälter! Wo bleibt hier die Entscheidungsfreudigkeit? Die Pandemie hat erschreckend verdeutlicht, wie Wirtschaftsvertreter eigentlich denken. In wirtschaftlich guten Zeiten kann man den Egoismus gut kaschieren. In Zeiten wie diesen bricht er aber durch und zeigt sein wahres Gesicht. Sie wollen die „totale Hilfe“, sie brauchen den Notgroschen, damit sie einige Monate überleben, sie wollen 80 Prozent des Umsatzes vergütet bekommen, obwohl ihnen der Staat die meisten Kosten abgenommen hat. Wenn sie das alles bekämen, ist der Staat geplündert und den Sozialstaat gäbe es nicht mehr. Interessant ist auch, dass der „autonome Weg Südtirols“ nur dann gut geht, wenn er für gewisse Kreise Vorteile bringt. Anerkannt werden soll, dass es auch viele verständnisvolle Unternehmer gibt, was man auch zu spüren bekommt. Der neoliberale Wirtschaftslobbyismus kann für uns Gewerkschaften nur bedeuten, dass wir über alle pseudoideologischen Grenzen hinweg eine starke Strategie gegen diese Raubzüge entwickeln müssen. Ansonsten wird es für uns - die Arbeitnehmer, die Rentner und alle schwachen sozialen Gruppen - eine sehr lange, zutiefst ungemütliche und unsoziale Pandemie werden. Ganz und gar unverständlich sind die Populisten jeder Sorte, die gegen jegliche Maßnahme wettern und immer nur das Gegenteil davon fordern. Das kann es auch nicht sein.
Hans Widmann