Kommentar

Liebe Mitglieder des ASGB,

Normalerweise müsste diese Ausgabe des “Aktiv” eine ausführliche Berichterstattung unserer 1. Mai-Feier beinhalten. Leider musste diese aufgrund des Covid-19-Notstandes ausfallen. Diesen Umstand bedauere ich sehr: mit euch gemeinsam den Tag der Arbeit zu feiern, dies ist immer einer der jährlichen Höhepunkte, die die Arbeit im ASGB mit sich bringt. Ich freue mich jetzt schon auf nächstes Jahr, wenn wir wieder gemeinsam feiern können!
Ja, der Grund der Absage unserer 1. Mai-Feier war in der Tat ein Ernster. Die Maßnahmen zur Verhinderung der Ausbreitung des Coronavirus haben uns alle an unsere Grenzen gebracht. Wer hätte noch Anfang des Jahres jemals gedacht, dass uns einmal ein Lockdown bevorstehen würde? Eltern waren plötzlich damit konfrontiert, völlig unvorbereitet ihre Kinder ganztags betreuen zu müssen. Für viele war die Möglichkeit des Smartworkings der Rettungsanker. Wobei die Möglichkeit, die Arbeit zu Hause zu erledigen, auch ihre Schattenseiten hat: die Grenze zwischen Freizeit und Beruf verschwimmt und die Kinderaufsicht alleine ist vielfach schon ein Vollzeitjob. Noch härter hat es jene getroffen, die in die Lohnausgleichskasse überstellt wurden. Plötzlich haben diese mit einem verringerten Einkommen kalkulieren müssen – ein Drahtseilakt für die meisten aufgrund der hohen Lebenshaltungskosten in Südtirol. Erschwerend kommt noch hinzu, dass die Auszahlung des Lohnausgleiches unter Umständen Monate dauert. Der Vorschuss auf den Lohnausgleich im Ausmaß von 1.400 Euro hat vielfach nur die Fixkosten gedeckt.
Liebe Leser,
ich habe den Eindruck, dass diese jüngste Krise das Klima in Südtirol vergiftet hat. Ich spüre einen breiten Pessimismus, der vielfach durch verschiedenste Berichterstattungen angeheizt wird. Viele haben Angst um ihren Arbeitsplatz, Eltern befürchten, dass Schulen und Kinderbetreuungseinrichtungen im Herbst immer noch geschlossen sind und viele haben finanzielle Ängste. All diese Umstände sind in der Tat nicht förderlich, optimistisch in die Zukunft zu blicken. Dennoch möchte ich zu bedenken geben, dass Südtirol immer schon ein Stehaufmännchen war, dass uns Krisen zwar einen Schritt zurückwerfen, uns aber nicht daran hindern, zwei Schritte vorwärts zu gehen. Lasst uns das Glas nicht halb leer, sondern halb voll sehen!
Ich wünsche euch allen eine anregende, informative Lektüre des „Aktiv“, viel Gesundheit und trotz der aktuellen Umstände einen erholsamen Sommer!
euer
Tony Tschenett,
Vorsitzender des ASGB

Aktuell

Interview mit dem Vorsitzenden des ASGB, Tony Tschenett zur Corona-Krise

AKTIV: Lieber Tony, aufgrund des Covid-19-Notstandes ist eine Ausgabe des Aktiv ausgefallen. Was war der Grund dafür?
Tony Tschenett: Uns hat die neue Situation genauso unvorbereitet getroffen, wie alle anderen Betriebe – egal ob in der Privatwirtschaft oder im öffentlichen Dienst. Wir mussten unsere Mitarbeiter zum Smartworken nachhause schicken - ein Umstand der durchaus herausfordernd war – und uns darum kümmern, dass wir einerseits das erste Dekret „Cura Italia“ schnellstmöglich verstehen, um auch möglichst zeitnahe unsere Mitglieder darüber informieren zu können, andererseits aber auch unsere Kapazitäten bündeln, um den unzähligen Rückfragen unserer Mitglieder Herr zu werden. Dabei sind unsere Telefonlinien an ihre Grenzen gestoßen, bedauerlicherweise sind viele Menschen nicht durchgekommen. Das tut mir persönlich sehr leid.
AKTIV: Was hat der ASGB unternommen, um den Betroffenen trotzdem die benötigten Informationen zukommen zu lassen?
Tony Tschenett: Wir haben auf unserer Homepage eine eigene Seite eingerichtet, auf der wir ausschließlich Informationen bzgl. Covid-19-Maßnahmen veröffentlicht haben. Parallel dazu haben wir dieselben Informationen auf Facebook veröffentlicht. Sobald sich das Problem mit den Telefonlinien ergeben hat, haben wir auf unserer Webseite ein Fragenformular eingerichtet, um den Betroffenen die Möglichkeit zu geben, uns trotz der telefonischen Verbindungsprobleme jederzeit über ihre Anliegen zu informieren oder ihre Fragen zu deponieren. Auch der rege Austausch mit Followern über die Nachrichtenfunktion auf Facebook hat uns überrascht, der war vor der Covid-19-Krise eigentlich kaum vorhanden.
AKTIV: Wie ist die Ist-Situation? Laufen alle Dienste wie gewohnt ab?
Tony Tschenett: Wir fahren immer noch auf Sparflamme. Wer die Möglichkeit hat, arbeitet weiterhin im Home-Office. Dennoch bieten wir alle unsere Dienste wieder an. Der einzige Unterschied im Vergleich zur Zeit vor der Corona-Krise ist nur der Umstand, dass wir aufgrund der Sicherheitsprotokolle keine Laufkundschaft empfangen dürfen. Das heißt, wir arbeiten aktuell nur auf Termin. Vor allem für die Abfassung der Steuererklärungen war dies eine gewaltige Herausforderung. Wir haben eine große Zahl derer, die letztes Jahr bei uns die Steuererklärung Modell 730 abfassen ließen, versucht, persönlich zu kontaktieren, um einen Termin zu vereinbaren. Auch die anderen Dienstleistungen und Beratungen laufen wie gewohnt ab. Wir bitten aber um Kontaktaufnahme im Vorfeld, damit ein Termin vereinbart werden kann.
AKTIV: Krise bedeutet für Gewerkschaften meistens Hochkonjunktur. Können Sie das so bestätigen?
Tony Tschenett: Das ist leider so. Die gesamte Belegschaft des ASGB ist über sich hinausgewachsen. Ich denke, wir haben immer zügig über die Neuerungen berichtet und genauso zügig die entsprechenden Ansuchen für die verschiedenen Maßnahmen gestellt. Gleichzeitig haben wir natürlich auf lokaler Ebene Forderungen für die Unterstützung der lohnabhängig Bediensteten gestellt, genauso wie für Familien. Wir hatten unzählige Videokonferenzen und Verhandlungen, neue Formulare zu erstellen, Zusammenfassungen zu tätigen – und dies alles, ohne unsere normalen Aufgaben zu vernachlässigen.
AKTIV: Tony siehst du dich in der Lage eine Prognose bzgl. der Auswirkungen des epidemiologischen Notstandes Covid-19 auf die Zukunft abzugeben?
Tony Tschenett: Leider bin ich kein Hellseher. Sicher wird es Veränderungen geben und einige Betriebe werden die Krise nicht überstehen. Das heißt natürlich auch, es wird Arbeitslose geben. Die müssen wir natürlich auffangen, genauso wie wir die Konjunktur ankurbeln müssen, um Konkurse nach Möglichkeit zu vermeiden. Ich bin aber Optimist. Südtirol ist bis heute aus jeder Krisen stärker hervorgegangen.
AKTIV: Die aktuelle Krise hat unseren Blick auch auf Baustellen gerichtet, die wir vorher nicht unbedingt auf dem Schirm hatten…
Tony Tschenett: Das stimmt. Wir haben uns mit der Globalisierung in eine Abhängigkeit begeben, was die notwendige Schutzausrüstung betrifft. Aus diesen Fehlern müssen wir lernen. Medizinische Ausrüstung muss wieder lokal hergestellt werden. Die Abhängigkeit von Asien hat europaweit dafür gesorgt, dass die verschiedenen Staaten beim Erwerb der Ausrüstung in Konkurrenz zueinander getreten sind und die benötigten Mengen nicht auf dem Markt erhältlich waren. Dies darf zukünftig einfach nicht mehr passieren.
Auch die Intensivbetten müssen erhöht werden oder zumindest Maßnahmen getroffen werden, diese in kürzester Zeit signifikant erhöhen zu können. Wenn nur einige wenige Intensivfälle mehr aufgetreten wären, hätten wir unsere Kapazitätsgrenzen erreicht. Und dann gute Nacht.
Die Krise hat uns aber auch vor Augen geführt, wie wichtig der normale Schulunterricht und die Interaktion zwischen Heranwachsenden ist – genauso wie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Und diese Punkte sollten wir mitnehmen, an diesen Punkten sollten wir arbeiten und aus unseren Erfahrungen lernen.
AKTIV: Pessimisten befürchten einen extremen Anstieg der Arbeitslosenzahlen, sobald der Kündigungsstopp aufgehoben wird. Teilst du diese Befürchtung?
Tony Tschenett: Es ist utopisch zu meinen, dass diese Krise keine Arbeitsplätze kosten wird. Aber eine gewisse Richtung können wir auch selbst vorgeben. Das Land ist gut beraten, die Wirtschaft zu fördern, um Konkurse zu vermeiden, denn eine hohe Arbeitslosenrate ist dauerhaft sicherlich teurer als gezielte finanzielle Förderungen. Und auch wir Privatpersonen können unseren Beitrag zu leisten: lokale Produkte bei lokalen Händlern kaufen, lokale Online-Shops internationalen Konzernen vorziehen oder warum den Urlaub nicht im Land verbringen!?
AKTIV: Tony vielen Dank für das Interview!
Tony Tschenett: Sehr gerne. Abschließend möchte ich den Lesern dieses Interviews nahelegen, mit Optimismus in die Zukunft zu blicken. Auch für scheinbar ausweglose Situationen findet man meistens einen Ausweg. Scheut euch nicht, uns jederzeit zu kontaktieren, wir werden euch mit Rat und Tat zur Seite stehen.