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Abwanderung qualifizierter Arbeitskräfte besorgniserregend

Eine Studie des Wirtschaftsforschungsinstitutes (Wifo) und des Amtes für Arbeitsmarktbeobachtung hat besorgniserregende Tatsachen zu Tage gefördert: die Abwanderung qualifizierter Arbeitskräfte ist ein ernstzunehmendes Problem, dem man unbedingt versuchen muss entgegenzusteuern.
Die laut Studie veröffentlichten Gründe, warum qualifizierte Arbeitskräfte abwandern, sind deckungsgleich mit den Erfahrungen, welche in der alltäglichen Gewerkschaftsarbeit gemacht werden. Hohe Lebenshaltungskosten und die stetig schrumpfende Kaufkraft, bedingt durch eine geringere Entlohnung im Vergleich zum benachbarten Ausland, sowie mangelnde Angebote zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf sind die wesentlichen Faktoren, die in der Studie von den Abwanderern angegeben wurden.
Der ASGB ist froh, dass diese Fakten zu Papier gebracht wurden, denn die Entlohnung in Südtirol mag über dem nationalen Durchschnitt liegen, gegenteilig verhält es sich aber mit der Kaufkraft. Die Lebenshaltungskosten in Südtirol führen dazu, dass die Gehälter in vielen Fällen nur noch für das Überleben ausreichen, aber nicht mehr für ein würdiges Leben reichen. Und genau dem muss Rechnung getragen werden – mit der öffentlichen Hand als Vorzeigebetrieb. Warum soll ein Unternehmen in der Privatwirtschaft seine Angestellten und Arbeiter besser entlohnen, wenn sich die Landesregierung windet, Gelder für die Landesbediensteten, welche den Kaufkraftverlust von 2010 -2018 auffangen sollen, bereitzustellen?
Wir sind davon überzeugt, dass der Wirtschaftsstandort Südtirol und damit der Wohlstand der Südtiroler abhängig von unseren qualifizierten Arbeitskräften ist. Folglich müssten die zu ergreifenden Maßnahmen klar sein. Höhere Löhne, Maßnahmen zu leistbaren Wohnen und Zusatzangebote zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf würden maßgebend zur Eindämmung der Abwanderung qualifizierter Arbeitskräfte sein.

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Interview mit Tony Tschenett

Ausgleich des Kaufkraftverlustes

Tony Tschenett
Aktiv: Tony, anlässlich der Zweckbindung von zwei Millionen Euro für Kollektivvertragsverhandlung im öffentlichen Dienst hast du gesagt, du hättest das Personal noch die so aufgewühlt gesehen!?
Tschenett: Das stimmt. Die Menschen fühlen sich auf den Arm genommen. Der Gehaltsstopp der Regierung Monti durch den ausgesetzten Inflationsausgleich hat zu Kaufkraftverlusten von ca. zehn Prozent geführt. Man stelle sich vor: man erledigt dieselbe Arbeit, kann sich davon aber zehn Prozent weniger leisten. Das bringt die Menschen auch in finanzielle Bedrängnis. Ein anderer Punkt warum das Personal so aufgewühlt ist, ist der Umstand, dass sich das Personal nicht wertgeschätzt fühlt. Zwei Millionen jährlich für über 40.000 Personen ist ein schlechter Scherz. Vor allem vor dem Hintergrund, dass Führungskräfte und Ärzte – obwohl in viel geringerer Anzahl – ein Vielfaches davon erhalten haben.
Aktiv: Tony, du hast in deiner vorherigen Antwort die Lohnerhöhungen für Führungskräfte und Ärzte genannt. Den Gewerkschaften wird mitunter vorgeworfen, mit solchen Vergleichen den sozialen Neid zu schüren.
Tschenett: Wer den ASGB kennt, weiß, dass wir jedem seine Lohnerhöhung gönnen, das wir aber auch für Gerechtigkeit stehen. Sprich: wenn es Erhöhungen gibt, dann auch für alle. Wir wollen sicher niemanden gegeneinander ausspielen, fordern aber, dass auch an diejenigen, die sich sicherlich schwerer tun als Führungskräfte oder Ärzte über die Runden zu kommen, gedacht wird. Und von dieser Forderung rücken wir nicht mehr ab. Wir werden uns auch nicht mit Krümeln zufriedengeben, wir fordern den vollen Ausgleich des Kaufkraftverlustes.
Aktiv: Woher das Geld für den Kaufkraftverlust nehmen, hat der Landeshauptmann im Landtag die Frage an die Abgeordneten gerichtet!?
Tschenett: Zunächst möchte ich vorausschicken, dass die Landesregierung im Jahr 2015 einen Ausschuss installiert hat, dessen Aufgabe es ist, die Landesausgaben auf Einsparungen zu untersuchen. Der Ausschuss, der für fünf Jahre ca. 2.000.000 Euro kostet, sollte genügend Zeit gehabt haben, Einsparungspotential zu finden. Was die politisch Verantwortlichen auch scheinbar immer vergessen, ist, dass der geforderte Ausgleich des Kaufkraftverlustes vom Personal auch wieder besteuert werden muss, somit teilweise wieder in die Landeskassen zurückfließt und durch die erhöhte Kaufkraft auch wieder der Wirtschaft zugutekommt. Und letzt­endendes kommt man nicht umhin, dieser aktuellen politischen Führung auch Kurzsichtigkeit zu attestieren: es gibt so viele Bereiche, in denen im öffentlichen Dienst ein signifikanter Personalmangel herrscht – der sich zukünftig noch verstärken wird. Will man die Attraktivität des öffentlichen Dienstes wirklich mit Hungerlöhnen gewährleisten? Ich kann darüber nur den Kopf schütteln.
Aktiv: Was schlägst du vor?
Tschenett: Das ist ganz einfach. Dem Personal ist der volle Ausgleich des Kaufkraftverlustes zu gewähren und die Bereichsverträge, sowie der bereichsübergreifende Kollektivvertrag sind zügig abzuschließen.