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Das neue Lehrlingsgesetz

Das Lehrlingswesen zählt in Südtirol seit Jahrzehnten zu den tragenden Säulen der Ausbildung. Das duale Ausbildungssystem für Lehrlinge – also die parallele Ausbildung in Schule und Betrieb – ist nach wie vor ein bewährtes System, um vielen Jugendlichen in Südtirol eine berufliche Qualifizierung zu ermöglichen. Dies soll auch in Zukunft so bleiben.
Mit dem Landesgesetz Nr. 2 vom 9. März 2006 hat das Land Südtirol das Lehrlingswesen an die Grundsatzbestimmungen der staatlichen Schulreform und Arbeitsmarktreform und somit auch an die europäischen Standards angepasst. Die duale Ausbildung in Schule und Betrieb bleibt als Grundpfeiler der traditionellen Lehre erhalten, die Lehrzeit wurde aber generell auf drei Jahre verkürzt, wobei für besonders komplexe Berufe eine Verlängerung vorgesehen werden kann. Nun gilt es, die Voraussetzungen für die Umsetzung des neuen Gesetzes zu schaffen. So müssen etwa für die einzelnen Berufsbilder zuerst die Bildungsordnungen ausgearbeitet und vereinbart werden. Im Folgenden werden die wichtigsten Punkte des neuen Lehrlingsgesetzes näher beleuchtet.
1. Die drei Formen der Lehre
Neben der klassischen Lehrlingsausbildung, die zu einer Berufsqualifikation führt und gleichzeitig zur Erfüllung der Bildungspflicht dient, gibt es jetzt auch eine Lehre, die auch nach einer Erstausbildung in neuen Berufsbildern möglich ist. Die dritte Form der Lehre führt zum Erwerb eines Studientitels.
Die Lehre in der Bildungspflicht (Grundlehre)
Die traditionelle Lehre in Berufsschule und Betrieb bleibt erhalten. Sie führt zum Erwerb einer beruflichen Qualifikation und dient gleichzeitig zur Erfüllung der Bildungspflicht bis zum 18. Lebensjahr. Diese Lehre betrifft vor allem Handwerksberufe sowie Berufe im Gastgewerbe und Handelssektor (Köch/innen, Servierfachkräfte, Verkäufer/innen).
Die weiterführende Lehre („Berufslehre")
Diese Ausbildungsform dient ebenfalls dem Erwerb einer beruflichen Qualifikation, weiters aber auch dem Erwerb einer Zusatzqualifikation oder einer Spezialisierung im Anschluss an eine zertifizierte Erstausbildung. Sie ermöglicht Berufsumsteigern auch zu einem späteren Zeitpunkt, eine berufliche Qualifikation zu erwerben. In erster Linie ist diese Lehre aber zur Spezialisierung von Jugendlichen gedacht, die bereits eine Erstausbildung abgeschlossen haben, etwa im Anschluss an eine allgemein bildende Oberschule oder als Weiterführung einer Lehre in der Bildungspflicht. Daher wird dieser Lehrtyp z.T. auch als Ersatz für die abgeschafften Arbeits- und Ausbildungsverträge gesehen.
Lehre an der Universität (Diplomlehre)
Neu ist der Lehrabschluss mit einem höheren Diplom. Dieser Lehrtyp führt zum Abschluss der oberen Sekundarstufe, einer Universität, einer Hochschule oder einer höheren technischen Bildungsanstalt. Das Höchstalter für den Beginn einer solchen Lehre beträgt 29 Jahre.
2. Bildungsordnung
Neu im Lehrlingsgesetz ist die so genannte Bildungsordnung, die die Lehrberufe umfassend regelt und für jeden Einzelnen neben der Beschreibung des Berufbildes, den betrieblichen Ausbildungsplan, den Lehrplan der Berufsschule sowie die Unterrichtsstundenzahl und schließlich das Prüfungsprogramm enthält. Diese Bildungsordnung wird von der Landesregierung im Einvernehmen mit den Sozialpartnern festgelegt. Bisher wurden diese einzelnen Elemente der Bildungsordnung getrennt und in unterschiedlicher Form festgelegt.
3. Die Durchlässigkeit zwischen den Bildungssystemen
Als Fortschritt dieser Lehrlingsreform kann die Einführung der Durchlässigkeit zwischen den einzelnen Bildungssystemen bezeichnet werden. Damit wird es Jugendlichen ermöglicht, von der Lehrausbildung in eine Oberschule überzutreten und umgekehrt, wobei bereits erworbene Kompetenzen und Kenntnisse als Bildungsguthaben (Bildungskredite) anerkannt werden. Hierfür müssen in der Lehre die staatlichen und europäischen Bildungsstandards gewährleistet werden. Die Bewertung und Anerkennung von Bildungsguthaben erfolgt unter Berücksichtigung staatlicher und internationaler Standards.
4. Die Lehrzeitdauer
In einigen Handwerksberufen dauerte die Lehre bisher fünf Jahre, während die Berufsschule bereits nach drei Jahren endete. Dies wird sich nun ändern, Schul- und Lehrzeit eines Berufbildes werden nun vereinheitlicht.
Das neue Lehrlingsgesetz sieht für die traditionelle Lehre eine generelle Dauer von drei Jahren vor. Für besonders komplexe Berufsbilder, dies betrifft in erster Linie Meisterberufe des Handwerks, kann eine Verlängerung der Lehrdauer in der Bildungsordnung vorgesehen werden. Die Sozialpartner haben zwölf Monate Zeit, die Verlängerung der Lehrzeit für ein bestimmtes Berufsbild zu vereinbaren. Kommt es zu keiner Einigung, entscheidet die Landesregierung.
Die Dauer für die weiterführende Lehre beträgt in Südtirol mindestens 18 Monate und maximal drei Jahre. Eine längere Lehrdauer für besonders komplexe Berufe kann in der Bildungsordnung zwischen den Sozialpartnern vereinbart werden.
Die Diplomlehre dauert in der Regel ein Jahr länger als die für den angestrebten Studientitel vorgeschriebene Regelstudienzeit.
5. Das Lehrlingsalter
Ein Lehrverhältnis eingehen können Jugendliche, die bei ihrer Einstellung das 15. Lebensjahr vollendet und das 25. nicht überschritten haben. In folgenden Ausnahmefällen beträgt das Höchstalter für den Abschluss eines Lehrvertrages hingegen 29 Jahre:
a) der/die Auszubildende kann keine auf dem Arbeitsmarkt verwertbare berufliche Qualifikation vorweisen;
b) der/die Auszubildende muss aus schwerwiegenden Gründen den Beruf wechseln oder möchte eine unterbrochene Ausbildung abschließen;
c) es wird eine Lehre zum Erwerb eines Abschlusses der oberen Sekundarstufe, einer Universität, einer Hochschule oder einer höheren technischen Bildungsanstalt begonnen.
6. Fachliche und ausbildungspädagogische Qualifikation des Ausbilders
Eine weitere Aufwertung der Lehrberufe bringt auch die Neuerung, dass Lehrlinge künftig nur von Betriebsinhabern bzw. Mitarbeitern ausgebildet werden dürfen, welche eine berufseinschlägige Ausbildung nachweisen und einen Lehrgang für Ausbildungspädagogik besucht haben.
7. Sonderformen der Lehre
Saisonbetriebe dürfen Lehrlinge beschäftigen, wenn gewährleistet wird, dass die Lehrlinge trotz der begrenzten Betriebszeiten eine dem Ausbildungsrahmen entsprechende Ausbildung erhalten. Der Lehrvertrag kann in diesem Falle für die Dauer der Saison abgeschlossen werden, in keinem Fall jedoch für weniger als zwölf Wochen. Zur Berechnung der vorgesehenen Lehrzeit werden die einzelnen Ausbildungsabschnitte im selben Beruf zusammengerechnet. Acht Monate Ausbildungszeit gelten bei Saisonlehrverhältnissen als ein Lehrjahr. Lehrlinge mit Saisonsvertrag können die theoretisch-praktische Ausbildung auch außerhalb der Saisonen besuchen.
Die überbetriebliche und zwischenbetriebliche Ausbildung kann die praktische Ausbildung im Betrieb ergänzen, allfällige Lücken im Ausbildungsrahmen ausgleichen und die Lehrlinge mit neuen Arbeitstechniken vertraut machen. Der Besuch überbetrieblicher Ausbildungslehrgänge ersetzt aber weder die theoretisch-praktische Ausbildung noch wird dadurch das Lehrverhältnis unterbrochen. Während des Besuches hat der Lehrling Anspruch auf die Fürsorgemaßnahmen des Landes, die für den Besuch der Berufsschule vorgesehen sind.
In Zukunft sollen vor allem außerordentlich begabte Lehrlinge mit entsprechenden schulischen Maßnahmen besonders gefördert werden.
Weiters legt das neue Lehrlingsgesetz fest, dass künftig in allen Belangen, für die bisher die Lehrlingskommission zuständig war, die Sozialpartner bzw. die Berufsorganisationen direkt in die Entscheidungen eingebunden werden.

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Zukunftszentrum Tirol

Eine Delegation vom Arbeitsförderungsinstitut (AFI/IPL) hat am 26. April 2006 das Zukunftszentrum Tirol in Innsbruck besucht und sich über dessen innovative Tätigkeit informiert. „Deine Zukunft unser Ziel" ist einem übergroßen Werbeplakat in der Universitätsstraße in Innsbruck zu entnehmen, wo das Zukunftszentrum Tirol mit seinen 14 Mitarbeitern angesiedelt ist.
Die Arbeiterkammer Tirol, das Land Tirol und die Stadt Innsbruck finanzieren gemeinsam diese Gesellschaft, die vor fünf Jahren ins Leben gerufen wurde, um Menschen zu helfen, die nach Veränderungen suchen, arbeitslos geworden sind oder Berufsorientierung brauchen. Fünf Schwerpunkte hat sich das Zukunftszentrums Tirol gesetzt: Jugend und Arbeit, Vereinbarkeit Familie und Beruf, Wirtschafts- und Arbeitsforschung, nachhaltige Wissensgesellschaft und Welt der Kompetenzen.
Geschäftsführer, Bertram Wolf, Projektleiterin für Kompetenzenbilanz, Barbara Peyrer und Projektleiterin für Jugend und Arbeit, Jane Platter haben die Delegation des AFI/IPL durch das Zukunftszentrum Tirol begleitet. Für den ASGB war der Landessekretär des ASGB-Metall und Ausschussmitglied des AFI/IPL, Serafin Pramsohler beim Besuch in Innsbruck mit dabei.
Als Herausforderung für die Zukunft bezeichnete der Geschäftsführer die Tatsache, dass die Arbeitsplätze der unselbständig Erwerbstätigen, die relativ große Sicherheit bieten, vermehrt denen weichen, in denen selbständig Erwerbstätige in relativ großer Unsicherheit tätig sein müssen. Bezogen auf die Privatwirtschaft in Tirol beträgt heute schon bei 210.000 Erwerbstätigen die Jobdauer für fast 60 Prozent weniger als ein halbes Jahr und für 20 Prozent weniger als ein ganzes Jahr. Lediglich 20 Prozent haben noch einen dauerhaften Arbeitsplatz von mehr als einem Jahr.
In Frankreich wurde der Konflikt für die „prekären" bzw. unsicheren Arbeitsplätze kürzlich auf der Straße ausgetragen, zuerst durch die Studenten, dann mit Unterstützung der Gewerkschaften. Serafin Pramsohler wies darauf hin, dass in Italien und leider auch in Südtirol diese a-typischen Arbeitsverhältnisse (Leiharbeit, Projektverträge und Arbeitsverhältnisse auf Zeit) ebenso längst nicht mehr unbekannt sind und immer mehr Unsicherheit bringen. Arbeit auf Probe ... ein ganzes Leben lang?