Todesfall

Todesfall

was nun? | 2016

Sinn im Leben finden 11)
Nicht Argumente, sondern Verständnis
„Was der Patient braucht, sind nicht in erster Linie Argumente, sondern Verständnis für seine Lage. Ihm helfen nicht allgemeine Erklärungen, er sucht jemanden, der auf seine Gefühle und seine Situation eingehen kann. Warum ist es so schwer, auch einmal etwas auszuhalten, das man nicht erklären kann? Was ist so schlimm daran, wenn Fragen offenbleiben? Wichtig ist doch, dass Fragen gestellt werden dürfen, und niemand erwartet, dass sie erschöpfend beantwortet werden. Das Leben ist kein System, sondern lebendig – mit Brüchen, Unklarheiten und Widersprüchen, und keine noch so gute systematische Theologie löst sie auf. Betrachten wir das Buch Job in der Bibel. Keine Antwort für den Patienten zu haben ist besser als eine verletzende. Das Leid kann nicht erklärt, es muss in Solidarität bestanden werden. Argumente können auch erschlagen. Wenn wir doch wenigstens die sich oft dahinter verbergende eigene Angst - Berührungsangst - mit dem Leid des anderen zulassen und zeigen könnten, dann wäre das eine menschliche Regung, die vielleicht die Chance hätte, vom Anderen verstanden zu werden“. 12)
Gottes Handführung im Leben entdecken
Der sterbende, alte Mensch braucht neben der medizinischen, pflegerischen und psychologischen Betreuung auch Hilfe, wenn er nach dem Sinn fragt. „Wenn Gott es zulässt, welchen Sinn hat es dann?“. Ein Sterbender drückte dies so aus: „Wenn du die Religion brauchst, so hilft sie dir auch nicht!“ Ich versuchte dies auszuhalten und antwortete: „Wenn es nach mir ginge, wärest du gesund, aber ich sitze im gleichen Boot. Aber ich weiß niemanden anderen, an den ich mich wenden könnte als an unseren gemeinsamen Gott, der uns trotz dieses Schweigens nicht fallen lässt.“ Dieses gemeinsame Tragen ermöglichte es, dass der Sterbende die letzten zehn Minuten sich Gott neu anvertrauen konnte.
Ich erlebe immer aufs Neue, dass es im Leben um die Zusammenschau geht. So ist es den Menschen möglich den Glauben an Gott zu finden, der alles zusammenfügt. So ist es auch möglich Gottes liebende und sorgende Hand zu erfahren und dadurch sein Leben als sinnvoll zu begreifen und anzunehmen.
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11) Schweidtmann W.: Sterbebegleitung: Menschliche Nähe am Krankenbett, S.178.
12) ebb. S.185.
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